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Mörike, Eduard: Mozart auf der Reise nach Prag. Stuttgart u. a., 1856.

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theils auch nur den bewußten Hintergrund der Unter¬
redung ausmachten.

Hier drängt sich uns voraus die schmerzliche Be¬
trachtung auf, daß dieser feurige, für jeden Reiz der
Welt und für das Höchste, was dem ahnenden Ge¬
müth erreichbar ist, unglaublich empfängliche Mensch,
so viel er auch in seiner kurzen Spanne Zeit erlebt,
genossen und aus sich hervorgebracht, ein stetiges und
rein befriedigtes Gefühl seiner selbst doch lebenslang
entbehrte.

Wer die Ursachen dieser Erscheinung nicht etwa
tiefer suchen will, als sie vermuthlich liegen, wird sie
zunächst einfach in jenen, wie es scheint, unüberwind¬
lich eingewohnten Schwächen finden, die wir so gern,
und nicht ganz ohne Grund, mit alle dem, was an
Mozart der Gegenstand unsrer Bewunderung ist, in
eine Art nothwendiger Verbindung bringen.

Des Mannes Bedürfnisse waren sehr vielfach,
seine Neigung zumal für gesellige Freuden außeror¬
dentlich groß. Von den vornehmsten Häusern der
Stadt als unvergleichliches Talent gewürdigt und ge¬
sucht, verschmähte er Einladungen zu Festen, Cirkeln
und Parthien selten oder nie. Dabei that er der
eigenen Gastfreundschaft innerhalb seiner näheren

theils auch nur den bewußten Hintergrund der Unter¬
redung ausmachten.

Hier drängt ſich uns voraus die ſchmerzliche Be¬
trachtung auf, daß dieſer feurige, für jeden Reiz der
Welt und für das Höchſte, was dem ahnenden Ge¬
müth erreichbar iſt, unglaublich empfängliche Menſch,
ſo viel er auch in ſeiner kurzen Spanne Zeit erlebt,
genoſſen und aus ſich hervorgebracht, ein ſtetiges und
rein befriedigtes Gefühl ſeiner ſelbſt doch lebenslang
entbehrte.

Wer die Urſachen dieſer Erſcheinung nicht etwa
tiefer ſuchen will, als ſie vermuthlich liegen, wird ſie
zunächſt einfach in jenen, wie es ſcheint, unüberwind¬
lich eingewohnten Schwächen finden, die wir ſo gern,
und nicht ganz ohne Grund, mit alle dem, was an
Mozart der Gegenſtand unſrer Bewunderung iſt, in
eine Art nothwendiger Verbindung bringen.

Des Mannes Bedürfniſſe waren ſehr vielfach,
ſeine Neigung zumal für geſellige Freuden außeror¬
dentlich groß. Von den vornehmſten Häuſern der
Stadt als unvergleichliches Talent gewürdigt und ge¬
ſucht, verſchmähte er Einladungen zu Feſten, Cirkeln
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[10/0022] theils auch nur den bewußten Hintergrund der Unter¬ redung ausmachten. Hier drängt ſich uns voraus die ſchmerzliche Be¬ trachtung auf, daß dieſer feurige, für jeden Reiz der Welt und für das Höchſte, was dem ahnenden Ge¬ müth erreichbar iſt, unglaublich empfängliche Menſch, ſo viel er auch in ſeiner kurzen Spanne Zeit erlebt, genoſſen und aus ſich hervorgebracht, ein ſtetiges und rein befriedigtes Gefühl ſeiner ſelbſt doch lebenslang entbehrte. Wer die Urſachen dieſer Erſcheinung nicht etwa tiefer ſuchen will, als ſie vermuthlich liegen, wird ſie zunächſt einfach in jenen, wie es ſcheint, unüberwind¬ lich eingewohnten Schwächen finden, die wir ſo gern, und nicht ganz ohne Grund, mit alle dem, was an Mozart der Gegenſtand unſrer Bewunderung iſt, in eine Art nothwendiger Verbindung bringen. Des Mannes Bedürfniſſe waren ſehr vielfach, ſeine Neigung zumal für geſellige Freuden außeror¬ dentlich groß. Von den vornehmſten Häuſern der Stadt als unvergleichliches Talent gewürdigt und ge¬ ſucht, verſchmähte er Einladungen zu Feſten, Cirkeln und Parthien ſelten oder nie. Dabei that er der eigenen Gaſtfreundſchaft innerhalb ſeiner näheren

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Zitationshilfe: Mörike, Eduard: Mozart auf der Reise nach Prag. Stuttgart u. a., 1856, S. 10. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_mozart_1856/22>, abgerufen am 28.04.2024.