Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Mörike, Eduard: Mozart auf der Reise nach Prag. Stuttgart u. a., 1856.

Bild:
<< vorherige Seite

Sie -- ein kleines Reis'präsent von mir und Mozarts
drein gewickelt -- hier schauen Sie, hier lesen Sie,
da steht's mit ellenlangen Buchstaben gedruckt! --
Hilf Himmel! was? Tarar! -- Ja, gelten's, Freun¬
din, was man erleben kann! Vor zwei Jahren, wie
Mozart den Don Juan schrieb und der verwünschte
giftige, schwarzgelbe Salieri auch schon im Stillen
Anstalt machte, den Triumph, den er mit seinem
Stück davon trug in Paris, demnächst auf seinem
eignen Territorio zu begehen, und unserem guten,
Schnepfen liebenden, allzeit in Cosa rara vergnügten
Publikum nun doch auch 'mal so eine Gattung Falken
sehn zu lassen, und er und seine Helfershelfer bereits
zusammen munkelten und raffinirten, daß sie den
Don Juan so schön gerupft wie jenesmal den Figaro,
nicht todt und nicht lebendig, auf das Theater stellen
wollten -- wissen's, da that ich ein Gelübd', wenn
das infame Stück gegeben wird, ich geh' nicht hin,
um keine Welt! Und hielt auch Wort. Als alles
lief und rannte -- und, Oberstin, Sie mit -- blieb
ich an meinem Ofen sitzen, nahm meine Katze auf
den Schooß und aß meine Kaldausche; und so die
folgenden paar Male auch. Jetzt aber, stellen sie sich
vor, Tarar auf der Berliner Opernbühne, das Werk

Sie — ein kleines Reiſ'präſent von mir und Mozarts
drein gewickelt — hier ſchauen Sie, hier leſen Sie,
da ſteht's mit ellenlangen Buchſtaben gedruckt! —
Hilf Himmel! was? Tarar! — Ja, gelten's, Freun¬
din, was man erleben kann! Vor zwei Jahren, wie
Mozart den Don Juan ſchrieb und der verwünſchte
giftige, ſchwarzgelbe Salieri auch ſchon im Stillen
Anſtalt machte, den Triumph, den er mit ſeinem
Stück davon trug in Paris, demnächſt auf ſeinem
eignen Territorio zu begehen, und unſerem guten,
Schnepfen liebenden, allzeit in Coſa rara vergnügten
Publikum nun doch auch 'mal ſo eine Gattung Falken
ſehn zu laſſen, und er und ſeine Helfershelfer bereits
zuſammen munkelten und raffinirten, daß ſie den
Don Juan ſo ſchön gerupft wie jenesmal den Figaro,
nicht todt und nicht lebendig, auf das Theater ſtellen
wollten — wiſſen's, da that ich ein Gelübd', wenn
das infame Stück gegeben wird, ich geh' nicht hin,
um keine Welt! Und hielt auch Wort. Als alles
lief und rannte — und, Oberſtin, Sie mit — blieb
ich an meinem Ofen ſitzen, nahm meine Katze auf
den Schooß und aß meine Kaldauſche; und ſo die
folgenden paar Male auch. Jetzt aber, ſtellen ſie ſich
vor, Tarar auf der Berliner Opernbühne, das Werk

<TEI>
  <text>
    <body>
      <p><pb facs="#f0036" n="24"/>
Sie &#x2014; ein kleines Rei&#x017F;'prä&#x017F;ent von mir und Mozarts<lb/>
drein gewickelt &#x2014; hier &#x017F;chauen Sie, hier le&#x017F;en Sie,<lb/>
da &#x017F;teht's mit ellenlangen Buch&#x017F;taben gedruckt! &#x2014;<lb/>
Hilf Himmel! was? Tarar! &#x2014; Ja, gelten's, Freun¬<lb/>
din, was man erleben kann! Vor zwei Jahren, wie<lb/>
Mozart den Don Juan &#x017F;chrieb und der verwün&#x017F;chte<lb/>
giftige, &#x017F;chwarzgelbe Salieri auch &#x017F;chon im Stillen<lb/>
An&#x017F;talt machte, den Triumph, den er mit &#x017F;einem<lb/>
Stück davon trug in Paris, demnäch&#x017F;t auf &#x017F;einem<lb/>
eignen Territorio zu begehen, und un&#x017F;erem guten,<lb/>
Schnepfen liebenden, allzeit in Co&#x017F;a rara vergnügten<lb/>
Publikum nun doch auch 'mal &#x017F;o eine Gattung Falken<lb/>
&#x017F;ehn zu la&#x017F;&#x017F;en, und er und &#x017F;eine Helfershelfer bereits<lb/>
zu&#x017F;ammen munkelten und raffinirten, daß &#x017F;ie den<lb/>
Don Juan &#x017F;o &#x017F;chön gerupft wie jenesmal den Figaro,<lb/>
nicht todt und nicht lebendig, auf das Theater &#x017F;tellen<lb/>
wollten &#x2014; wi&#x017F;&#x017F;en's, da that ich ein Gelübd', wenn<lb/>
das infame Stück gegeben wird, ich geh' nicht hin,<lb/>
um keine Welt! Und hielt auch Wort. Als alles<lb/>
lief und rannte &#x2014; und, Ober&#x017F;tin, Sie mit &#x2014; blieb<lb/>
ich an meinem Ofen &#x017F;itzen, nahm meine Katze auf<lb/>
den Schooß und aß meine Kaldau&#x017F;che; und &#x017F;o die<lb/>
folgenden paar Male auch. Jetzt aber, &#x017F;tellen &#x017F;ie &#x017F;ich<lb/>
vor, Tarar auf der Berliner Opernbühne, das Werk<lb/></p>
    </body>
  </text>
</TEI>
[24/0036] Sie — ein kleines Reiſ'präſent von mir und Mozarts drein gewickelt — hier ſchauen Sie, hier leſen Sie, da ſteht's mit ellenlangen Buchſtaben gedruckt! — Hilf Himmel! was? Tarar! — Ja, gelten's, Freun¬ din, was man erleben kann! Vor zwei Jahren, wie Mozart den Don Juan ſchrieb und der verwünſchte giftige, ſchwarzgelbe Salieri auch ſchon im Stillen Anſtalt machte, den Triumph, den er mit ſeinem Stück davon trug in Paris, demnächſt auf ſeinem eignen Territorio zu begehen, und unſerem guten, Schnepfen liebenden, allzeit in Coſa rara vergnügten Publikum nun doch auch 'mal ſo eine Gattung Falken ſehn zu laſſen, und er und ſeine Helfershelfer bereits zuſammen munkelten und raffinirten, daß ſie den Don Juan ſo ſchön gerupft wie jenesmal den Figaro, nicht todt und nicht lebendig, auf das Theater ſtellen wollten — wiſſen's, da that ich ein Gelübd', wenn das infame Stück gegeben wird, ich geh' nicht hin, um keine Welt! Und hielt auch Wort. Als alles lief und rannte — und, Oberſtin, Sie mit — blieb ich an meinem Ofen ſitzen, nahm meine Katze auf den Schooß und aß meine Kaldauſche; und ſo die folgenden paar Male auch. Jetzt aber, ſtellen ſie ſich vor, Tarar auf der Berliner Opernbühne, das Werk

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_mozart_1856
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_mozart_1856/36
Zitationshilfe: Mörike, Eduard: Mozart auf der Reise nach Prag. Stuttgart u. a., 1856, S. 24. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_mozart_1856/36>, abgerufen am 27.04.2024.