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Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 1. Stuttgart, 1832.

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"Kurz, meine Gnädigsten," fiel der Schauspieler
ihm in's Wort, "was wir Ihnen dießmal zeigen, ist
nichts Anderes, als ein Schattenspiel."

"Ein Schattenspiel!" riefen die Damen in die
Hände klatschend, "ach, das ist ja ganz unvergleich-
lich! wirklich ein ordentliches, chinesisches werden wir
sehen?"

"Allerdings," sagte der Graf "und zwar ein
ganz neu eingerichtetes, wozu Herr Nolten die Bil-
der auf Glas gemalt, und dieser Herr, der als Dich-
ter noch allzu wenig von sich hören ließ, den Text
geliefert hat. So viel ich weiß, besteht der leztere
durchaus in einer dramatisirten Fabel, rein von der
Erfindung des Herrn Larkens."

"Diese Fabel," bemerkte der Schauspieler, "und
der Ort, wo sie vorgeht, ist freilich närrisch genug,
und es bedarf einer kleinen Vorerinnerung, wenn
man den Poeten nicht über alle Häuser wegwerfen
soll."

"Ich hatte in der Zeit, da ich noch auf der
Schule studirte, einen Freund, dessen Denkart und
ästhetisches Bestreben mit dem meinigen Hand in
Hand ging; wir trieben in den Freistunden unser
Wesen miteinander, wir bildeten uns bald eine eigene
Sphäre von Poesie, und noch jezt kann ich nur mit
Rührung daran zurückdenken. Was man auch zu
dem Nachfolgenden sagen mag, ich bekenne gern, da-
mals die schönste Zeit meines Lebens genossen zu ha-

„Kurz, meine Gnädigſten,“ fiel der Schauſpieler
ihm in’s Wort, „was wir Ihnen dießmal zeigen, iſt
nichts Anderes, als ein Schattenſpiel.“

„Ein Schattenſpiel!“ riefen die Damen in die
Hände klatſchend, „ach, das iſt ja ganz unvergleich-
lich! wirklich ein ordentliches, chineſiſches werden wir
ſehen?“

„Allerdings,“ ſagte der Graf „und zwar ein
ganz neu eingerichtetes, wozu Herr Nolten die Bil-
der auf Glas gemalt, und dieſer Herr, der als Dich-
ter noch allzu wenig von ſich hören ließ, den Text
geliefert hat. So viel ich weiß, beſteht der leztere
durchaus in einer dramatiſirten Fabel, rein von der
Erfindung des Herrn Larkens.“

„Dieſe Fabel,“ bemerkte der Schauſpieler, „und
der Ort, wo ſie vorgeht, iſt freilich närriſch genug,
und es bedarf einer kleinen Vorerinnerung, wenn
man den Poeten nicht über alle Häuſer wegwerfen
ſoll.“

„Ich hatte in der Zeit, da ich noch auf der
Schule ſtudirte, einen Freund, deſſen Denkart und
äſthetiſches Beſtreben mit dem meinigen Hand in
Hand ging; wir trieben in den Freiſtunden unſer
Weſen miteinander, wir bildeten uns bald eine eigene
Sphäre von Poeſie, und noch jezt kann ich nur mit
Rührung daran zurückdenken. Was man auch zu
dem Nachfolgenden ſagen mag, ich bekenne gern, da-
mals die ſchönſte Zeit meines Lebens genoſſen zu ha-

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[142/0150] „Kurz, meine Gnädigſten,“ fiel der Schauſpieler ihm in’s Wort, „was wir Ihnen dießmal zeigen, iſt nichts Anderes, als ein Schattenſpiel.“ „Ein Schattenſpiel!“ riefen die Damen in die Hände klatſchend, „ach, das iſt ja ganz unvergleich- lich! wirklich ein ordentliches, chineſiſches werden wir ſehen?“ „Allerdings,“ ſagte der Graf „und zwar ein ganz neu eingerichtetes, wozu Herr Nolten die Bil- der auf Glas gemalt, und dieſer Herr, der als Dich- ter noch allzu wenig von ſich hören ließ, den Text geliefert hat. So viel ich weiß, beſteht der leztere durchaus in einer dramatiſirten Fabel, rein von der Erfindung des Herrn Larkens.“ „Dieſe Fabel,“ bemerkte der Schauſpieler, „und der Ort, wo ſie vorgeht, iſt freilich närriſch genug, und es bedarf einer kleinen Vorerinnerung, wenn man den Poeten nicht über alle Häuſer wegwerfen ſoll.“ „Ich hatte in der Zeit, da ich noch auf der Schule ſtudirte, einen Freund, deſſen Denkart und äſthetiſches Beſtreben mit dem meinigen Hand in Hand ging; wir trieben in den Freiſtunden unſer Weſen miteinander, wir bildeten uns bald eine eigene Sphäre von Poeſie, und noch jezt kann ich nur mit Rührung daran zurückdenken. Was man auch zu dem Nachfolgenden ſagen mag, ich bekenne gern, da- mals die ſchönſte Zeit meines Lebens genoſſen zu ha-

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Zitationshilfe: Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 1. Stuttgart, 1832, S. 142. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_nolten01_1832/150>, abgerufen am 02.05.2024.