Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 1. Stuttgart, 1832.

Bild:
<< vorherige Seite
König.
Ha! mein Gebet! meine Morgenandacht! Was?
Willst einen König lehren, er soll knie'n?
Seit hundert Jahren sind ihm wund die Kniee --
Was hundert --? o ich bin ein Kind! Komm her,
Und lehr' mich zählen -- Alte Finger! Pfui!
Auf, Sklave, auf! Ruf' deine Brüder all'!
Sag' an, wie man der Götter Wohnung stürmt!
Sey mir was nütze, feiger Schurke du!
Die Hölle laß' uns stürmen, und den Tod,
Das faule Scheusal, das die Zeit verschläft,
Herauf zur Erde zerren an's Geschäft!
Es leben noch viel Menschen; Narre du,
Mir ist es auch um dich! willst doch nicht ewig
Am schaalen Lichte saugen?
Kollmer.
Weh! er raset.
König.
Still, still! Ich sinne was. Es thut nicht gut,
Daß man die Götter schmähe. Sag', mein Bursch,
Ist dir bekannt, was, wie die Weisen meinen,
Am meisten ist verhaßt den sel'gen Göttern?
Kollmer.
Lehr' mich's, o König.
König.
Das verhüte Weyla,
Daß meine Zunge nennt was auch zu denken
Schon Fluch kann bringen. -- Hast du wohl ein Schwert?
König.
Ha! mein Gebet! meine Morgenandacht! Was?
Willſt einen König lehren, er ſoll knie’n?
Seit hundert Jahren ſind ihm wund die Kniee —
Was hundert —? o ich bin ein Kind! Komm her,
Und lehr’ mich zählen — Alte Finger! Pfui!
Auf, Sklave, auf! Ruf’ deine Brüder all’!
Sag’ an, wie man der Götter Wohnung ſtürmt!
Sey mir was nütze, feiger Schurke du!
Die Hölle laß’ uns ſtürmen, und den Tod,
Das faule Scheuſal, das die Zeit verſchläft,
Herauf zur Erde zerren an’s Geſchäft!
Es leben noch viel Menſchen; Narre du,
Mir iſt es auch um dich! willſt doch nicht ewig
Am ſchaalen Lichte ſaugen?
Kollmer.
Weh! er raſet.
König.
Still, ſtill! Ich ſinne was. Es thut nicht gut,
Daß man die Götter ſchmähe. Sag’, mein Burſch,
Iſt dir bekannt, was, wie die Weiſen meinen,
Am meiſten iſt verhaßt den ſel’gen Göttern?
Kollmer.
Lehr’ mich’s, o König.
König.
Das verhüte Weyla,
Daß meine Zunge nennt was auch zu denken
Schon Fluch kann bringen. — Haſt du wohl ein Schwert?
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0166" n="158"/>
            <sp who="#koe">
              <speaker><hi rendition="#g">König</hi>.</speaker><lb/>
              <p>Ha! mein Gebet! meine Morgenandacht! Was?<lb/>
Will&#x017F;t einen König lehren, er &#x017F;oll knie&#x2019;n?<lb/>
Seit hundert Jahren &#x017F;ind ihm wund die Kniee &#x2014;<lb/>
Was hundert &#x2014;? o ich bin ein Kind! Komm her,<lb/>
Und lehr&#x2019; mich zählen &#x2014; Alte Finger! Pfui!<lb/>
Auf, Sklave, auf! Ruf&#x2019; deine Brüder all&#x2019;!<lb/>
Sag&#x2019; an, wie man der Götter Wohnung &#x017F;türmt!<lb/>
Sey mir was nütze, feiger Schurke du!<lb/>
Die Hölle laß&#x2019; uns &#x017F;türmen, und den Tod,<lb/>
Das faule Scheu&#x017F;al, das die Zeit ver&#x017F;chläft,<lb/>
Herauf zur Erde zerren an&#x2019;s Ge&#x017F;chäft!<lb/>
Es leben noch viel Men&#x017F;chen; Narre du,<lb/>
Mir i&#x017F;t es auch um dich! will&#x017F;t doch nicht ewig<lb/>
Am &#x017F;chaalen Lichte &#x017F;augen?</p>
            </sp><lb/>
            <sp who="#koll">
              <speaker><hi rendition="#g">Kollmer</hi>.</speaker><lb/>
              <p>Weh! er ra&#x017F;et.</p>
            </sp><lb/>
            <sp who="#koe">
              <speaker><hi rendition="#g">König</hi>.</speaker><lb/>
              <p>Still, &#x017F;till! Ich &#x017F;inne was. Es thut nicht gut,<lb/>
Daß man die Götter &#x017F;chmähe. Sag&#x2019;, mein Bur&#x017F;ch,<lb/>
I&#x017F;t dir bekannt, was, wie die Wei&#x017F;en meinen,<lb/>
Am mei&#x017F;ten i&#x017F;t verhaßt den &#x017F;el&#x2019;gen Göttern?</p>
            </sp><lb/>
            <sp who="#koll">
              <speaker><hi rendition="#g">Kollmer</hi>.</speaker><lb/>
              <p>Lehr&#x2019; mich&#x2019;s, o König.</p>
            </sp><lb/>
            <sp who="#koe">
              <speaker><hi rendition="#g">König</hi>.</speaker><lb/>
              <p>Das verhüte Weyla,<lb/>
Daß meine Zunge nennt was auch zu denken<lb/>
Schon Fluch kann bringen. &#x2014; Ha&#x017F;t du wohl ein Schwert?</p>
            </sp><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[158/0166] König. Ha! mein Gebet! meine Morgenandacht! Was? Willſt einen König lehren, er ſoll knie’n? Seit hundert Jahren ſind ihm wund die Kniee — Was hundert —? o ich bin ein Kind! Komm her, Und lehr’ mich zählen — Alte Finger! Pfui! Auf, Sklave, auf! Ruf’ deine Brüder all’! Sag’ an, wie man der Götter Wohnung ſtürmt! Sey mir was nütze, feiger Schurke du! Die Hölle laß’ uns ſtürmen, und den Tod, Das faule Scheuſal, das die Zeit verſchläft, Herauf zur Erde zerren an’s Geſchäft! Es leben noch viel Menſchen; Narre du, Mir iſt es auch um dich! willſt doch nicht ewig Am ſchaalen Lichte ſaugen? Kollmer. Weh! er raſet. König. Still, ſtill! Ich ſinne was. Es thut nicht gut, Daß man die Götter ſchmähe. Sag’, mein Burſch, Iſt dir bekannt, was, wie die Weiſen meinen, Am meiſten iſt verhaßt den ſel’gen Göttern? Kollmer. Lehr’ mich’s, o König. König. Das verhüte Weyla, Daß meine Zunge nennt was auch zu denken Schon Fluch kann bringen. — Haſt du wohl ein Schwert?

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_nolten01_1832
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_nolten01_1832/166
Zitationshilfe: Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 1. Stuttgart, 1832, S. 158. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_nolten01_1832/166>, abgerufen am 01.05.2024.