Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 1. Stuttgart, 1832.

Bild:
<< vorherige Seite
folgendergestalt auftreten: Mein Herr! Es is'n
Band, der, wie er einmal vor uns liegt, ohne Eigen-
dünkel zu reden, in der That ein antiquarisches In-
teresse, eine antiquarische Gestalt annimmt. Wenn
Sie zu dem bereits festgesezten Kaufpreis, nemlich
zu den drei Butten Mehl, dem Fäßchen Honig und
dem goldenen Kettlein, etwa noch eine Kleinigkeit,
eine Hemdkrause, eine Busennadel oder dergleichen
-- ä -- hinzufügen wollten, so möcht' es gehen.
Nun macht er entweder Basta oder macht nicht Basta;
ich werde jedoch auf jeden Fall delikat genug seyn,
um schnell abzubrechen; es wäre gemein, werd' ich
sagen, zu wuchern um etwas ganz Triwiales; transi-
liren wir auf andere Materie. Ich habe oft eigene
Gedanken und Ideen, mein Herr, auch weiß ich, daß
Sie nicht minder Liebhaber sind. So z. B. fällt
mir hier ein, es wäre eichen, wenn sich ä -- wart',
ich hab' es sogleich -- Ja, nun eben stößt mir's auf,
ich hab' es: -- nemlich in der Natur, wie sie einmal
vor uns liegt, scheint mir Alles belebt, rein Alles,
obgleich in scheinbarer Ruhe schlummernd und fanta-
tisirend; so par exemple, wenn sich einmal die Stra-
ßensteine zu einem Aufruhr gegen die stolzen Gebäude
verschwüren, sich zusammenrotteten, die Häuser stürz-
ten, um selbst Häuser zu bilden? Wie? heißt das
nicht eine geniale Fantaisie? Comment?
Buchdrucker.
Esel! So? Wenn sich die Finger meiner Hand
folgendergeſtalt auftreten: Mein Herr! Es is’n
Band, der, wie er einmal vor uns liegt, ohne Eigen-
dünkel zu reden, in der That ein antiquariſches In-
tereſſe, eine antiquariſche Geſtalt annimmt. Wenn
Sie zu dem bereits feſtgeſezten Kaufpreis, nemlich
zu den drei Butten Mehl, dem Fäßchen Honig und
dem goldenen Kettlein, etwa noch eine Kleinigkeit,
eine Hemdkrauſe, eine Buſennadel oder dergleichen
— ä — hinzufügen wollten, ſo möcht’ es gehen.
Nun macht er entweder Basta oder macht nicht Basta;
ich werde jedoch auf jeden Fall delikat genug ſeyn,
um ſchnell abzubrechen; es wäre gemein, werd’ ich
ſagen, zu wuchern um etwas ganz Triwiales; tranſi-
liren wir auf andere Materie. Ich habe oft eigene
Gedanken und Ideen, mein Herr, auch weiß ich, daß
Sie nicht minder Liebhaber ſind. So z. B. fällt
mir hier ein, es wäre eichen, wenn ſich ä — wart’,
ich hab’ es ſogleich — Ja, nun eben ſtößt mir’s auf,
ich hab’ es: — nemlich in der Natur, wie ſie einmal
vor uns liegt, ſcheint mir Alles belebt, rein Alles,
obgleich in ſcheinbarer Ruhe ſchlummernd und fanta-
tiſirend; ſo par exemple, wenn ſich einmal die Stra-
ßenſteine zu einem Aufruhr gegen die ſtolzen Gebäude
verſchwüren, ſich zuſammenrotteten, die Häuſer ſtürz-
ten, um ſelbſt Häuſer zu bilden? Wie? heißt das
nicht eine geniale Fantaisie? Comment?
Buchdrucker.
Eſel! So? Wenn ſich die Finger meiner Hand
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <sp who="#wisp">
              <p><pb facs="#f0192" n="184"/>
folgenderge&#x017F;talt auftreten: Mein Herr! Es is&#x2019;n<lb/>
Band, der, wie er einmal vor uns liegt, ohne Eigen-<lb/>
dünkel zu reden, in der That ein antiquari&#x017F;ches In-<lb/>
tere&#x017F;&#x017F;e, eine antiquari&#x017F;che Ge&#x017F;talt annimmt. Wenn<lb/>
Sie zu dem bereits fe&#x017F;tge&#x017F;ezten Kaufpreis, nemlich<lb/>
zu den drei Butten Mehl, dem Fäßchen Honig und<lb/>
dem goldenen Kettlein, etwa noch eine Kleinigkeit,<lb/>
eine Hemdkrau&#x017F;e, eine Bu&#x017F;ennadel oder dergleichen<lb/>
&#x2014; ä &#x2014; hinzufügen wollten, &#x017F;o möcht&#x2019; es gehen.<lb/>
Nun macht er entweder Basta oder macht nicht Basta;<lb/>
ich werde jedoch auf jeden Fall delikat genug &#x017F;eyn,<lb/>
um &#x017F;chnell abzubrechen; es wäre gemein, werd&#x2019; ich<lb/>
&#x017F;agen, zu wuchern um etwas ganz Triwiales; tran&#x017F;i-<lb/>
liren wir auf andere Materie. Ich habe oft eigene<lb/>
Gedanken und Ideen, mein Herr, auch weiß ich, daß<lb/>
Sie nicht minder Liebhaber &#x017F;ind. So z. B. fällt<lb/>
mir hier ein, es wäre eichen, wenn &#x017F;ich ä &#x2014; wart&#x2019;,<lb/>
ich hab&#x2019; es &#x017F;ogleich &#x2014; Ja, nun eben &#x017F;tößt mir&#x2019;s auf,<lb/>
ich hab&#x2019; es: &#x2014; nemlich in der Natur, wie &#x017F;ie einmal<lb/>
vor uns liegt, &#x017F;cheint mir Alles belebt, rein Alles,<lb/>
obgleich in &#x017F;cheinbarer Ruhe &#x017F;chlummernd und fanta-<lb/>
ti&#x017F;irend; &#x017F;o <hi rendition="#aq">par exemple,</hi> wenn &#x017F;ich einmal die Stra-<lb/>
ßen&#x017F;teine zu einem Aufruhr gegen die &#x017F;tolzen Gebäude<lb/>
ver&#x017F;chwüren, &#x017F;ich zu&#x017F;ammenrotteten, die Häu&#x017F;er &#x017F;türz-<lb/>
ten, um &#x017F;elb&#x017F;t Häu&#x017F;er zu bilden? Wie? heißt das<lb/>
nicht eine geniale <hi rendition="#aq">Fantaisie? Comment?</hi></p>
            </sp><lb/>
            <sp who="#buch">
              <speaker><hi rendition="#g">Buchdrucker</hi>.</speaker><lb/>
              <p>E&#x017F;el! So? Wenn &#x017F;ich die Finger meiner Hand<lb/></p>
            </sp>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[184/0192] folgendergeſtalt auftreten: Mein Herr! Es is’n Band, der, wie er einmal vor uns liegt, ohne Eigen- dünkel zu reden, in der That ein antiquariſches In- tereſſe, eine antiquariſche Geſtalt annimmt. Wenn Sie zu dem bereits feſtgeſezten Kaufpreis, nemlich zu den drei Butten Mehl, dem Fäßchen Honig und dem goldenen Kettlein, etwa noch eine Kleinigkeit, eine Hemdkrauſe, eine Buſennadel oder dergleichen — ä — hinzufügen wollten, ſo möcht’ es gehen. Nun macht er entweder Basta oder macht nicht Basta; ich werde jedoch auf jeden Fall delikat genug ſeyn, um ſchnell abzubrechen; es wäre gemein, werd’ ich ſagen, zu wuchern um etwas ganz Triwiales; tranſi- liren wir auf andere Materie. Ich habe oft eigene Gedanken und Ideen, mein Herr, auch weiß ich, daß Sie nicht minder Liebhaber ſind. So z. B. fällt mir hier ein, es wäre eichen, wenn ſich ä — wart’, ich hab’ es ſogleich — Ja, nun eben ſtößt mir’s auf, ich hab’ es: — nemlich in der Natur, wie ſie einmal vor uns liegt, ſcheint mir Alles belebt, rein Alles, obgleich in ſcheinbarer Ruhe ſchlummernd und fanta- tiſirend; ſo par exemple, wenn ſich einmal die Stra- ßenſteine zu einem Aufruhr gegen die ſtolzen Gebäude verſchwüren, ſich zuſammenrotteten, die Häuſer ſtürz- ten, um ſelbſt Häuſer zu bilden? Wie? heißt das nicht eine geniale Fantaisie? Comment? Buchdrucker. Eſel! So? Wenn ſich die Finger meiner Hand

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_nolten01_1832
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_nolten01_1832/192
Zitationshilfe: Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 1. Stuttgart, 1832, S. 184. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_nolten01_1832/192>, abgerufen am 01.05.2024.