Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 1. Stuttgart, 1832.

Bild:
<< vorherige Seite
Auf seiner Stirn', doch sang er Trallira!
Und sagte: dieß wär nur ein Kinderspiel.
Dann nahm er mich und sezt' mich auf den Gipfel;
Ich bat und weint', er aber ließ mich zappeln,
Bis ich ihm oben ein hübsch Liedchen sang.
Nun trollt er weg und brummt: ich soll dich grüßen,
Wenn du ihn wieder brauchest, sollst's nur sagen.
Verzeih, daß ich's vergaß.
König.
Schon gut; nun höre!
Durch jene schmale Oeffnung dringest du
Zu einer Höhle, deren Innerstes
Ein Schießgeräth mit einem Pfeil verwahrt.
Dieß Beides hole mir.

(Sie geht.)
So lehret mich
Das Buch des Schicksals, so heißt mich ein Gott.
Dort lehnt ein uralt schwer Geschoß, zeither
Von keines Menschen Hand berührt, nur heute
Soll dieser Bogen an das Tageslicht,
Den Pfeil zu schleudern in den gift'gen Auswuchs
Reizvoller Liebe, die nach kurzem Schmerz
Zur Heilung sich erholet. O Thereile,
Ich nehme bittern Abschied, denn es fährt
Die feige Schneide, die uns trennen soll,
Bald rücklings in dein treues Herz; hier steht
Der träumerische Baum, in dessen Saft
Du unser Beider Blut vor wenig Monden
Auf ſeiner Stirn’, doch ſang er Trallira!
Und ſagte: dieß wär nur ein Kinderſpiel.
Dann nahm er mich und ſezt’ mich auf den Gipfel;
Ich bat und weint’, er aber ließ mich zappeln,
Bis ich ihm oben ein hübſch Liedchen ſang.
Nun trollt er weg und brummt: ich ſoll dich grüßen,
Wenn du ihn wieder braucheſt, ſollſt’s nur ſagen.
Verzeih, daß ich’s vergaß.
König.
Schon gut; nun höre!
Durch jene ſchmale Oeffnung dringeſt du
Zu einer Höhle, deren Innerſtes
Ein Schießgeräth mit einem Pfeil verwahrt.
Dieß Beides hole mir.

(Sie geht.)
So lehret mich
Das Buch des Schickſals, ſo heißt mich ein Gott.
Dort lehnt ein uralt ſchwer Geſchoß, zeither
Von keines Menſchen Hand berührt, nur heute
Soll dieſer Bogen an das Tageslicht,
Den Pfeil zu ſchleudern in den gift’gen Auswuchs
Reizvoller Liebe, die nach kurzem Schmerz
Zur Heilung ſich erholet. O Thereile,
Ich nehme bittern Abſchied, denn es fährt
Die feige Schneide, die uns trennen ſoll,
Bald rücklings in dein treues Herz; hier ſteht
Der träumeriſche Baum, in deſſen Saft
Du unſer Beider Blut vor wenig Monden
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <sp who="#silp">
              <p><pb facs="#f0206" n="198"/>
Auf &#x017F;einer Stirn&#x2019;, doch &#x017F;ang er Trallira!<lb/>
Und &#x017F;agte: dieß wär nur ein Kinder&#x017F;piel.<lb/>
Dann nahm er mich und &#x017F;ezt&#x2019; mich auf den Gipfel;<lb/>
Ich bat und weint&#x2019;, er aber ließ mich zappeln,<lb/>
Bis ich ihm oben ein hüb&#x017F;ch Liedchen &#x017F;ang.<lb/>
Nun trollt er weg und brummt: ich &#x017F;oll dich grüßen,<lb/>
Wenn du ihn wieder brauche&#x017F;t, &#x017F;oll&#x017F;t&#x2019;s nur &#x017F;agen.<lb/>
Verzeih, daß ich&#x2019;s vergaß.</p>
            </sp><lb/>
            <sp who="#koe">
              <speaker><hi rendition="#g">König</hi>.</speaker><lb/>
              <p>Schon gut; nun höre!<lb/>
Durch jene &#x017F;chmale Oeffnung dringe&#x017F;t du<lb/>
Zu einer Höhle, deren Inner&#x017F;tes<lb/>
Ein Schießgeräth mit einem Pfeil verwahrt.<lb/>
Dieß Beides hole mir.</p><lb/>
              <stage>(Sie geht.)</stage><lb/>
              <p>So lehret mich<lb/>
Das Buch des Schick&#x017F;als, &#x017F;o heißt mich ein Gott.<lb/>
Dort lehnt ein uralt &#x017F;chwer Ge&#x017F;choß, zeither<lb/>
Von keines Men&#x017F;chen Hand berührt, nur heute<lb/>
Soll die&#x017F;er Bogen an das Tageslicht,<lb/>
Den Pfeil zu &#x017F;chleudern in den gift&#x2019;gen Auswuchs<lb/>
Reizvoller Liebe, die nach kurzem Schmerz<lb/>
Zur Heilung &#x017F;ich erholet. O Thereile,<lb/>
Ich nehme bittern Ab&#x017F;chied, denn es fährt<lb/>
Die feige Schneide, die uns trennen &#x017F;oll,<lb/>
Bald rücklings in dein treues Herz; hier &#x017F;teht<lb/>
Der träumeri&#x017F;che Baum, in de&#x017F;&#x017F;en Saft<lb/>
Du un&#x017F;er Beider Blut vor wenig Monden<lb/></p>
            </sp>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[198/0206] Auf ſeiner Stirn’, doch ſang er Trallira! Und ſagte: dieß wär nur ein Kinderſpiel. Dann nahm er mich und ſezt’ mich auf den Gipfel; Ich bat und weint’, er aber ließ mich zappeln, Bis ich ihm oben ein hübſch Liedchen ſang. Nun trollt er weg und brummt: ich ſoll dich grüßen, Wenn du ihn wieder braucheſt, ſollſt’s nur ſagen. Verzeih, daß ich’s vergaß. König. Schon gut; nun höre! Durch jene ſchmale Oeffnung dringeſt du Zu einer Höhle, deren Innerſtes Ein Schießgeräth mit einem Pfeil verwahrt. Dieß Beides hole mir. (Sie geht.) So lehret mich Das Buch des Schickſals, ſo heißt mich ein Gott. Dort lehnt ein uralt ſchwer Geſchoß, zeither Von keines Menſchen Hand berührt, nur heute Soll dieſer Bogen an das Tageslicht, Den Pfeil zu ſchleudern in den gift’gen Auswuchs Reizvoller Liebe, die nach kurzem Schmerz Zur Heilung ſich erholet. O Thereile, Ich nehme bittern Abſchied, denn es fährt Die feige Schneide, die uns trennen ſoll, Bald rücklings in dein treues Herz; hier ſteht Der träumeriſche Baum, in deſſen Saft Du unſer Beider Blut vor wenig Monden

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_nolten01_1832
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_nolten01_1832/206
Zitationshilfe: Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 1. Stuttgart, 1832, S. 198. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_nolten01_1832/206>, abgerufen am 29.04.2024.