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Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 1. Stuttgart, 1832.

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Zettelchen blieb unverrückt. Ich sorge nur, der Spaß
ist in plumpere Hände gerathen, als ich gewollt hatte.
Sey's drum; durch die Finger von Madame ist die
Tasche auf jeden Fall auch gekommen, und ich müßte
mich übel auf Evas Geschlecht verstehen, wenn diese
Finger mehr Diskretion gehabt hätten, als mir für
den Kasus lieb wäre. Genug; es wird sich zeigen,
die Wirkung kann nicht ausbleiben. Dießmal hättest
du fürwahr meisterlich kalkulirt, Bruder Larkens,
der Herr gebe seinen Segen dazu."

Wirklich war es die Absicht des Freundes ge-
wesen, daß Constanze die Tasche finden und sich
ihrer Geheimnisse nicht enthalten möge; er konnte
darauf zählen, daß man sie für das Eigenthum Nol-
tens
erkennen würde, in der That aber war sie nur
ein Geschenk, das dieser dem Freunde zu der Zeit ge-
macht hatte, wo er Alles, was ihn an Agnes erin-
nern konnte, Briefe, Haare und hundert andere Klei-
nigkeiten, auf immer los werden wollte.

Larkens hoffte durch jenen ausgedachten, wohl-
gemeinten Streich theils bei der Gräfin jeder mög-
lichen Neigung gegen Theobald vorzubeugen, theils
glaubte er, sie müßte von nun an, eingedenk des Ver-
hältnisses mit Agnes, durch ihr Betragen unzugäng-
lich für Nolten selber werden. Nun hatte zwar
Larkens, zu Folge der mißtrauischen Verschlossen-
heit seines Freundes mit der wahren Lage der Dinge
unbekannt, sich in seinem Plane etwas geirrt; er

Zettelchen blieb unverrückt. Ich ſorge nur, der Spaß
iſt in plumpere Hände gerathen, als ich gewollt hatte.
Sey’s drum; durch die Finger von Madame iſt die
Taſche auf jeden Fall auch gekommen, und ich müßte
mich übel auf Evas Geſchlecht verſtehen, wenn dieſe
Finger mehr Diskretion gehabt hätten, als mir für
den Kaſus lieb wäre. Genug; es wird ſich zeigen,
die Wirkung kann nicht ausbleiben. Dießmal hätteſt
du fürwahr meiſterlich kalkulirt, Bruder Larkens,
der Herr gebe ſeinen Segen dazu.“

Wirklich war es die Abſicht des Freundes ge-
weſen, daß Conſtanze die Taſche finden und ſich
ihrer Geheimniſſe nicht enthalten möge; er konnte
darauf zählen, daß man ſie für das Eigenthum Nol-
tens
erkennen würde, in der That aber war ſie nur
ein Geſchenk, das dieſer dem Freunde zu der Zeit ge-
macht hatte, wo er Alles, was ihn an Agnes erin-
nern konnte, Briefe, Haare und hundert andere Klei-
nigkeiten, auf immer los werden wollte.

Larkens hoffte durch jenen ausgedachten, wohl-
gemeinten Streich theils bei der Gräfin jeder mög-
lichen Neigung gegen Theobald vorzubeugen, theils
glaubte er, ſie müßte von nun an, eingedenk des Ver-
hältniſſes mit Agnes, durch ihr Betragen unzugäng-
lich für Nolten ſelber werden. Nun hatte zwar
Larkens, zu Folge der mißtrauiſchen Verſchloſſen-
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[234/0242] Zettelchen blieb unverrückt. Ich ſorge nur, der Spaß iſt in plumpere Hände gerathen, als ich gewollt hatte. Sey’s drum; durch die Finger von Madame iſt die Taſche auf jeden Fall auch gekommen, und ich müßte mich übel auf Evas Geſchlecht verſtehen, wenn dieſe Finger mehr Diskretion gehabt hätten, als mir für den Kaſus lieb wäre. Genug; es wird ſich zeigen, die Wirkung kann nicht ausbleiben. Dießmal hätteſt du fürwahr meiſterlich kalkulirt, Bruder Larkens, der Herr gebe ſeinen Segen dazu.“ Wirklich war es die Abſicht des Freundes ge- weſen, daß Conſtanze die Taſche finden und ſich ihrer Geheimniſſe nicht enthalten möge; er konnte darauf zählen, daß man ſie für das Eigenthum Nol- tens erkennen würde, in der That aber war ſie nur ein Geſchenk, das dieſer dem Freunde zu der Zeit ge- macht hatte, wo er Alles, was ihn an Agnes erin- nern konnte, Briefe, Haare und hundert andere Klei- nigkeiten, auf immer los werden wollte. Larkens hoffte durch jenen ausgedachten, wohl- gemeinten Streich theils bei der Gräfin jeder mög- lichen Neigung gegen Theobald vorzubeugen, theils glaubte er, ſie müßte von nun an, eingedenk des Ver- hältniſſes mit Agnes, durch ihr Betragen unzugäng- lich für Nolten ſelber werden. Nun hatte zwar Larkens, zu Folge der mißtrauiſchen Verſchloſſen- heit ſeines Freundes mit der wahren Lage der Dinge unbekannt, ſich in ſeinem Plane etwas geirrt; er

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Zitationshilfe: Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 1. Stuttgart, 1832, S. 234. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_nolten01_1832/242>, abgerufen am 29.04.2024.