hand, daß Jeder eine Weile lang vergaß, selbst etwas Weiteres zur allgemeinen Ergötzlichkeit beizutragen, als daß er aus voller Brust mitlachte. Larkens, der Laune seines theatralischen Kollegen zuerst nur von Weitem die Hand bietend, wiegte sich lächelnd auf seinem Stuhle, während er zuweilen ein Wort als neuen Zündstoff zuwarf; bald aber kam auch er in den Zug, und indem er nach seiner Gewohnheit einen paradoxen Satz aufstellte, der Jedermann zum Angriff reizte, wußte er durch den lustigen Scharfsinn, womit er ihn verfocht, die lebendigste Bewegung un- ter den sämmtlichen Gästen zu bewirken, und immer das Beste, was in der Natur des Einzelnen verbor- gen lag, war es Gemüth, Erfahrung oder Witz, mit Leichtigkeit hervorzulocken, wodurch denn unvermerkt das Interesse des Gesprächs sich auf das Höchste ver- mannichfaltigen mußte. Zulezt als man dem Frohsinn ein äußerstes Genüge geleistet, ward Larkens zuse- hends stiller und trüber; er nahm, da man ihn damit aufzog, keinen Anstand, zu erklären, daß er der glück- lichen Bedeutung dieses Abends im Stillen noch eine andere für sich gegeben habe, und daß er sich die Bitte vorbehalten, es möge nun auch die Gesellschaft in eben dem besondern Sinne die lezten Gläser mit ihm leeren; er werde auf längere oder kürzere Zeit aus der Gegend scheiden, um einige lang nicht gesehene Verwandte auf- zusuchen. -- Der Vorsatz, so natürlich er unter den be- kannten Umständen war, erregte gleichwohl großes, bei-
hand, daß Jeder eine Weile lang vergaß, ſelbſt etwas Weiteres zur allgemeinen Ergötzlichkeit beizutragen, als daß er aus voller Bruſt mitlachte. Larkens, der Laune ſeines theatraliſchen Kollegen zuerſt nur von Weitem die Hand bietend, wiegte ſich lächelnd auf ſeinem Stuhle, während er zuweilen ein Wort als neuen Zündſtoff zuwarf; bald aber kam auch er in den Zug, und indem er nach ſeiner Gewohnheit einen paradoxen Satz aufſtellte, der Jedermann zum Angriff reizte, wußte er durch den luſtigen Scharfſinn, womit er ihn verfocht, die lebendigſte Bewegung un- ter den ſämmtlichen Gäſten zu bewirken, und immer das Beſte, was in der Natur des Einzelnen verbor- gen lag, war es Gemüth, Erfahrung oder Witz, mit Leichtigkeit hervorzulocken, wodurch denn unvermerkt das Intereſſe des Geſprächs ſich auf das Höchſte ver- mannichfaltigen mußte. Zulezt als man dem Frohſinn ein äußerſtes Genüge geleiſtet, ward Larkens zuſe- hends ſtiller und trüber; er nahm, da man ihn damit aufzog, keinen Anſtand, zu erklären, daß er der glück- lichen Bedeutung dieſes Abends im Stillen noch eine andere für ſich gegeben habe, und daß er ſich die Bitte vorbehalten, es möge nun auch die Geſellſchaft in eben dem beſondern Sinne die lezten Gläſer mit ihm leeren; er werde auf längere oder kürzere Zeit aus der Gegend ſcheiden, um einige lang nicht geſehene Verwandte auf- zuſuchen. — Der Vorſatz, ſo natürlich er unter den be- kannten Umſtänden war, erregte gleichwohl großes, bei-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0031"n="345"/>
hand, daß Jeder eine Weile lang vergaß, ſelbſt etwas<lb/>
Weiteres zur allgemeinen Ergötzlichkeit beizutragen,<lb/>
als daß er aus voller Bruſt mitlachte. <hirendition="#g">Larkens</hi>,<lb/>
der Laune ſeines theatraliſchen Kollegen zuerſt nur<lb/>
von Weitem die Hand bietend, wiegte ſich lächelnd<lb/>
auf ſeinem Stuhle, während er zuweilen ein Wort<lb/>
als neuen Zündſtoff zuwarf; bald aber kam auch er<lb/>
in den Zug, und indem er nach ſeiner Gewohnheit<lb/>
einen paradoxen Satz aufſtellte, der Jedermann zum<lb/>
Angriff reizte, wußte er durch den luſtigen Scharfſinn,<lb/>
womit er ihn verfocht, die lebendigſte Bewegung un-<lb/>
ter den ſämmtlichen Gäſten zu bewirken, und immer<lb/>
das Beſte, was in der Natur des Einzelnen verbor-<lb/>
gen lag, war es Gemüth, Erfahrung oder Witz, mit<lb/>
Leichtigkeit hervorzulocken, wodurch denn unvermerkt<lb/>
das Intereſſe des Geſprächs ſich auf das Höchſte ver-<lb/>
mannichfaltigen mußte. Zulezt als man dem Frohſinn<lb/>
ein äußerſtes Genüge geleiſtet, ward <hirendition="#g">Larkens</hi> zuſe-<lb/>
hends ſtiller und trüber; er nahm, da man ihn damit<lb/>
aufzog, keinen Anſtand, zu erklären, daß er der glück-<lb/>
lichen Bedeutung dieſes Abends im Stillen noch eine<lb/>
andere für ſich gegeben habe, und daß er ſich die Bitte<lb/>
vorbehalten, es möge nun auch die Geſellſchaft in eben<lb/>
dem beſondern Sinne die lezten Gläſer mit ihm leeren;<lb/>
er werde auf längere oder kürzere Zeit aus der Gegend<lb/>ſcheiden, um einige lang nicht geſehene Verwandte auf-<lb/>
zuſuchen. — Der Vorſatz, ſo natürlich er unter den be-<lb/>
kannten Umſtänden war, erregte gleichwohl großes, bei-<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[345/0031]
hand, daß Jeder eine Weile lang vergaß, ſelbſt etwas
Weiteres zur allgemeinen Ergötzlichkeit beizutragen,
als daß er aus voller Bruſt mitlachte. Larkens,
der Laune ſeines theatraliſchen Kollegen zuerſt nur
von Weitem die Hand bietend, wiegte ſich lächelnd
auf ſeinem Stuhle, während er zuweilen ein Wort
als neuen Zündſtoff zuwarf; bald aber kam auch er
in den Zug, und indem er nach ſeiner Gewohnheit
einen paradoxen Satz aufſtellte, der Jedermann zum
Angriff reizte, wußte er durch den luſtigen Scharfſinn,
womit er ihn verfocht, die lebendigſte Bewegung un-
ter den ſämmtlichen Gäſten zu bewirken, und immer
das Beſte, was in der Natur des Einzelnen verbor-
gen lag, war es Gemüth, Erfahrung oder Witz, mit
Leichtigkeit hervorzulocken, wodurch denn unvermerkt
das Intereſſe des Geſprächs ſich auf das Höchſte ver-
mannichfaltigen mußte. Zulezt als man dem Frohſinn
ein äußerſtes Genüge geleiſtet, ward Larkens zuſe-
hends ſtiller und trüber; er nahm, da man ihn damit
aufzog, keinen Anſtand, zu erklären, daß er der glück-
lichen Bedeutung dieſes Abends im Stillen noch eine
andere für ſich gegeben habe, und daß er ſich die Bitte
vorbehalten, es möge nun auch die Geſellſchaft in eben
dem beſondern Sinne die lezten Gläſer mit ihm leeren;
er werde auf längere oder kürzere Zeit aus der Gegend
ſcheiden, um einige lang nicht geſehene Verwandte auf-
zuſuchen. — Der Vorſatz, ſo natürlich er unter den be-
kannten Umſtänden war, erregte gleichwohl großes, bei-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Mörike, Eduard: Maler Nolten. Bd. 2 Stuttgart, 1832, S. 345. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moerike_nolten02_1832/31>, abgerufen am 09.10.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.