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Möser, Justus: Osnabrückische Geschichte. Osnabrück, 1768.

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zweyter Abschnitt.
Brauereyen, Thran- und Zucker-Siedereyen, imgleichen
auf den Herings- und Wallfisch-Fang. Es ist wunder-
bar, daß die Tyroler in Westphalen; die Westphälinger
in Holland; die Fläminger in Frankreich; die Franzo-
sen in Spanien etc. auf diese Art ihr Brod erwerben.
Le calcul le plus modere fait monter a 20 000 le nombre
des Francois, qui passent en Espagne au tems de la moisson,
& a 8 Pistolles du Roiaume, la somme que chacun d' eux
emporte apres la moisson faite. MAVBERT dans le test.
polit. du Card. Alberoni ch. 2. p.
27. Man rechnet aber
in Westphalen nicht höher als 30 - 60 Gülden welche
ein Mann zurück bringt.
(b) Es wird Fremden unwahrscheinlich vorkommen, daß es
Fälle gebe, wo man sich mit zehntausend Thaler in den
Leib-eigenthum kaufe. Jndessen sind sie doch vorhanden,
und keiner wird leibeigen umsonst. Hierin nimmt sich
der Westphälische Leib-eigenthum merklich vor dem Meck-
lenburgischen aus; und die Rechtsgelehrten irren unge-
mein, welche zwischen beyden auch nur die geringste Ver-
gleichung anstellen. Der Mecklenburger ist ein leib-
eigner Heuermann, der hiesige aber ein leibeigner Erb-
Zinsmeyer. Jener wird von seinem Herrn in die Lan-
des- und Kriegs-Fuhr geschickt, als ein gemietheter
Knecht; dieser wird aufgeboten als ein Unterthan des
Staats; jenen straft, pfandet, versteuret, bestellt, und
richtet sein Herr, und er wird als ein Gesinde ange-
nommen und entlassen; diesen straft, bestellt und richtet
das Amt, und er versteuret sein Gut selbst. Jener ist
ein überwundener Mann, dieser ein Contrahent. Jm
Mecklenburgischen haftet der Bezirk, worin der Leibeigne
sitzt, dem Staat, und adliche Güter werden daher zu 4
bis 5 p. C. verkauft. Jn Westphalen haftet das Edel-
gut nicht, und man kauft es daher zu 2 bis 3 p. C. auch
wol darunter.
(c) Was ein Landbauer übrig hat; kann er mehrentheils,
ohne zu Markte zu gehn, an seine Beywohner absetzen.
(d) Sie arbeiten nicht für Taglohn sondern in Verding;
und darüber greifen sie sich bey einer elenden Kost, und
zweyter Abſchnitt.
Brauereyen, Thran- und Zucker-Siedereyen, imgleichen
auf den Herings- und Wallfiſch-Fang. Es iſt wunder-
bar, daß die Tyroler in Weſtphalen; die Weſtphaͤlinger
in Holland; die Flaͤminger in Frankreich; die Franzo-
ſen in Spanien ꝛc. auf dieſe Art ihr Brod erwerben.
Le calcul le plus moderé fait monter à 20 000 le nombre
des François, qui paſſent en Eſpagne au tems de la moiſſon,
& à 8 Piſtolles du Roiaume, la ſomme que chacun d’ eux
emporte après la moiſſon faite. MAVBERT dans le teſt.
polit. du Card. Alberoni ch. 2. p.
27. Man rechnet aber
in Weſtphalen nicht hoͤher als 30 ‒ 60 Guͤlden welche
ein Mann zuruͤck bringt.
(b) Es wird Fremden unwahrſcheinlich vorkommen, daß es
Faͤlle gebe, wo man ſich mit zehntauſend Thaler in den
Leib-eigenthum kaufe. Jndeſſen ſind ſie doch vorhanden,
und keiner wird leibeigen umſonſt. Hierin nimmt ſich
der Weſtphaͤliſche Leib-eigenthum merklich vor dem Meck-
lenburgiſchen aus; und die Rechtsgelehrten irren unge-
mein, welche zwiſchen beyden auch nur die geringſte Ver-
gleichung anſtellen. Der Mecklenburger iſt ein leib-
eigner Heuermann, der hieſige aber ein leibeigner Erb-
Zinsmeyer. Jener wird von ſeinem Herrn in die Lan-
des- und Kriegs-Fuhr geſchickt, als ein gemietheter
Knecht; dieſer wird aufgeboten als ein Unterthan des
Staats; jenen ſtraft, pfandet, verſteuret, beſtellt, und
richtet ſein Herr, und er wird als ein Geſinde ange-
nommen und entlaſſen; dieſen ſtraft, beſtellt und richtet
das Amt, und er verſteuret ſein Gut ſelbſt. Jener iſt
ein uͤberwundener Mann, dieſer ein Contrahent. Jm
Mecklenburgiſchen haftet der Bezirk, worin der Leibeigne
ſitzt, dem Staat, und adliche Guͤter werden daher zu 4
bis 5 p. C. verkauft. Jn Weſtphalen haftet das Edel-
gut nicht, und man kauft es daher zu 2 bis 3 p. C. auch
wol darunter.
(c) Was ein Landbauer uͤbrig hat; kann er mehrentheils,
ohne zu Markte zu gehn, an ſeine Beywohner abſetzen.
(d) Sie arbeiten nicht fuͤr Taglohn ſondern in Verding;
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[139/0169] zweyter Abſchnitt. ⁽a⁾ Brauereyen, Thran- und Zucker-Siedereyen, imgleichen auf den Herings- und Wallfiſch-Fang. Es iſt wunder- bar, daß die Tyroler in Weſtphalen; die Weſtphaͤlinger in Holland; die Flaͤminger in Frankreich; die Franzo- ſen in Spanien ꝛc. auf dieſe Art ihr Brod erwerben. Le calcul le plus moderé fait monter à 20 000 le nombre des François, qui paſſent en Eſpagne au tems de la moiſſon, & à 8 Piſtolles du Roiaume, la ſomme que chacun d’ eux emporte après la moiſſon faite. MAVBERT dans le teſt. polit. du Card. Alberoni ch. 2. p. 27. Man rechnet aber in Weſtphalen nicht hoͤher als 30 ‒ 60 Guͤlden welche ein Mann zuruͤck bringt. ⁽b⁾ Es wird Fremden unwahrſcheinlich vorkommen, daß es Faͤlle gebe, wo man ſich mit zehntauſend Thaler in den Leib-eigenthum kaufe. Jndeſſen ſind ſie doch vorhanden, und keiner wird leibeigen umſonſt. Hierin nimmt ſich der Weſtphaͤliſche Leib-eigenthum merklich vor dem Meck- lenburgiſchen aus; und die Rechtsgelehrten irren unge- mein, welche zwiſchen beyden auch nur die geringſte Ver- gleichung anſtellen. Der Mecklenburger iſt ein leib- eigner Heuermann, der hieſige aber ein leibeigner Erb- Zinsmeyer. Jener wird von ſeinem Herrn in die Lan- des- und Kriegs-Fuhr geſchickt, als ein gemietheter Knecht; dieſer wird aufgeboten als ein Unterthan des Staats; jenen ſtraft, pfandet, verſteuret, beſtellt, und richtet ſein Herr, und er wird als ein Geſinde ange- nommen und entlaſſen; dieſen ſtraft, beſtellt und richtet das Amt, und er verſteuret ſein Gut ſelbſt. Jener iſt ein uͤberwundener Mann, dieſer ein Contrahent. Jm Mecklenburgiſchen haftet der Bezirk, worin der Leibeigne ſitzt, dem Staat, und adliche Guͤter werden daher zu 4 bis 5 p. C. verkauft. Jn Weſtphalen haftet das Edel- gut nicht, und man kauft es daher zu 2 bis 3 p. C. auch wol darunter. ⁽c⁾ Was ein Landbauer uͤbrig hat; kann er mehrentheils, ohne zu Markte zu gehn, an ſeine Beywohner abſetzen. ⁽d⁾ Sie arbeiten nicht fuͤr Taglohn ſondern in Verding; und daruͤber greifen ſie ſich bey einer elenden Koſt, und einem

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Zitationshilfe: Möser, Justus: Osnabrückische Geschichte. Osnabrück, 1768, S. 139. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_osnabrueck_1768/169>, abgerufen am 28.04.2024.