Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Möser, Justus: Osnabrückische Geschichte. Osnabrück, 1768.

Bild:
<< vorherige Seite

Osnabrücksche Geschichte
jährlichen Beytrages von den Gemeinen gelanget
seyn; (e) Jhre ansehnlichen Gefolge konnten ihnen
gedient haben, das Amt eines gemeinen Vorstehers
in ihren Familien so gut als erblich zu machen.
Allein ihr richterliches Amt war noch das alte; sie
hatten keine Gerichtsbarkeit über die Gemeinen;
und das Recht über Leben und Tod war ausser dem
Hofrecht unbekannt. Der Adel war noch erleuch-
tet; (f) und die priesterliche Gewalt das Band des
Staats.

(a) S §. 38. n. i. Beda nennt ihre Vorsteher Satrapas,
weil ihm ein anders Wort fehlte. Der Poeta Saxo nennt
sie Duces:
Quae nec rege fuit saltem sociata sub uno
Sed variis divisa modis plebs omnis habebat
Quot pagos tot pene duces.

Und es ist nach dem Ausspruch Taciti: Duces ex virtu-
te sumunt,
nicht zu zweifeln, daß dieses erwählte Vor-
steher gewesen. Wo nicht: so hätte Carl bey Einfüh-
rung der Grafen, die ganze sassische Verfassung spren-
gen, wenigstens tausend Satrapas um ihre Erb-gerichts-
barkeit bringen, das ganze Volk nicht bey ihrer Frey-
heit lassen, sondern selbiges darin neuerlich setzen, mit-
hin auch nicht sagen müssen, daß er es bey seinem alten
Rechte gelassen hätte. Es ist eine gewaltige Verände-
rung, wenn eine ganze Nation unter Erbgerichtsbar-
keiten steht, diese mit einander aufgehoben, und alle re-
gierende Fürsten abgeschaffet werden sollen. Wie das
Parlament von Großbritannien die Claus der Schotti-
schen Herrn sprengte, und ihre Unterthanen zu unmit-
telbaren Reichs-unterthanen machte, geschahe solches
nicht ohne mächtige Bewegungen; und nirgends zeigt
sich auch nur eine Spur, daß Carl dergleichen unter-
nommen hätte.
(b) Dies ist die Folge aller langen Kriege. S. §. 33. n. c.
(c) §.

Oſnabruͤckſche Geſchichte
jaͤhrlichen Beytrages von den Gemeinen gelanget
ſeyn; (e) Jhre anſehnlichen Gefolge konnten ihnen
gedient haben, das Amt eines gemeinen Vorſtehers
in ihren Familien ſo gut als erblich zu machen.
Allein ihr richterliches Amt war noch das alte; ſie
hatten keine Gerichtsbarkeit uͤber die Gemeinen;
und das Recht uͤber Leben und Tod war auſſer dem
Hofrecht unbekannt. Der Adel war noch erleuch-
tet; (f) und die prieſterliche Gewalt das Band des
Staats.

(a) S §. 38. n. i. Beda nennt ihre Vorſteher Satrapas,
weil ihm ein anders Wort fehlte. Der Poeta Saxo nennt
ſie Duces:
Quæ nec rege fuit ſaltem ſociata ſub uno
Sed variis diviſa modis plebs omnis habebat
Quot pagos tot pene duces.

Und es iſt nach dem Ausſpruch Taciti: Duces ex virtu-
te ſumunt,
nicht zu zweifeln, daß dieſes erwaͤhlte Vor-
ſteher geweſen. Wo nicht: ſo haͤtte Carl bey Einfuͤh-
rung der Grafen, die ganze ſaſſiſche Verfaſſung ſpren-
gen, wenigſtens tauſend Satrapas um ihre Erb-gerichts-
barkeit bringen, das ganze Volk nicht bey ihrer Frey-
heit laſſen, ſondern ſelbiges darin neuerlich ſetzen, mit-
hin auch nicht ſagen muͤſſen, daß er es bey ſeinem alten
Rechte gelaſſen haͤtte. Es iſt eine gewaltige Veraͤnde-
rung, wenn eine ganze Nation unter Erbgerichtsbar-
keiten ſteht, dieſe mit einander aufgehoben, und alle re-
gierende Fuͤrſten abgeſchaffet werden ſollen. Wie das
Parlament von Großbritannien die Claus der Schotti-
ſchen Herrn ſprengte, und ihre Unterthanen zu unmit-
telbaren Reichs-unterthanen machte, geſchahe ſolches
nicht ohne maͤchtige Bewegungen; und nirgends zeigt
ſich auch nur eine Spur, daß Carl dergleichen unter-
nommen haͤtte.
(b) Dies iſt die Folge aller langen Kriege. S. §. 33. n. c.
(c) §.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0250" n="220"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">O&#x017F;nabru&#x0364;ck&#x017F;che Ge&#x017F;chichte</hi></fw><lb/>
ja&#x0364;hrlichen Beytrages von den Gemeinen gelanget<lb/>
&#x017F;eyn; <note place="end" n="(e)"/> Jhre an&#x017F;ehnlichen Gefolge konnten ihnen<lb/>
gedient haben, das Amt eines gemeinen Vor&#x017F;tehers<lb/>
in ihren Familien &#x017F;o gut als erblich zu machen.<lb/>
Allein ihr richterliches Amt war noch das alte; &#x017F;ie<lb/>
hatten keine Gerichtsbarkeit u&#x0364;ber die Gemeinen;<lb/>
und das Recht u&#x0364;ber Leben und Tod war au&#x017F;&#x017F;er dem<lb/>
Hofrecht unbekannt. Der Adel war noch erleuch-<lb/>
tet; <note place="end" n="(f)"/> und die prie&#x017F;terliche Gewalt das Band des<lb/>
Staats.</p><lb/>
          <note place="end" n="(a)">S §. 38. <hi rendition="#aq">n. i.</hi> Beda nennt ihre Vor&#x017F;teher <hi rendition="#aq">Satrapas,</hi><lb/>
weil ihm ein anders Wort fehlte. Der <hi rendition="#aq">Poeta Saxo</hi> nennt<lb/>
&#x017F;ie <hi rendition="#aq">Duces:</hi><lb/><hi rendition="#et"><hi rendition="#aq">Quæ nec rege fuit &#x017F;altem &#x017F;ociata &#x017F;ub uno<lb/>
Sed variis divi&#x017F;a modis plebs omnis habebat<lb/>
Quot pagos tot pene duces.</hi></hi><lb/>
Und es i&#x017F;t nach dem Aus&#x017F;pruch Taciti: <hi rendition="#aq">Duces ex virtu-<lb/>
te &#x017F;umunt,</hi> nicht zu zweifeln, daß die&#x017F;es erwa&#x0364;hlte Vor-<lb/>
&#x017F;teher gewe&#x017F;en. Wo nicht: &#x017F;o ha&#x0364;tte Carl bey Einfu&#x0364;h-<lb/>
rung der Grafen, die ganze &#x017F;a&#x017F;&#x017F;i&#x017F;che Verfa&#x017F;&#x017F;ung &#x017F;pren-<lb/>
gen, wenig&#x017F;tens tau&#x017F;end <hi rendition="#aq"><hi rendition="#i">S</hi>atrapas</hi> um ihre Erb-gerichts-<lb/>
barkeit bringen, das ganze Volk nicht bey ihrer Frey-<lb/>
heit la&#x017F;&#x017F;en, &#x017F;ondern &#x017F;elbiges darin neuerlich &#x017F;etzen, mit-<lb/>
hin auch nicht &#x017F;agen mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en, daß er es bey &#x017F;einem alten<lb/>
Rechte gela&#x017F;&#x017F;en ha&#x0364;tte. Es i&#x017F;t eine gewaltige Vera&#x0364;nde-<lb/>
rung, wenn eine ganze Nation unter Erbgerichtsbar-<lb/>
keiten &#x017F;teht, die&#x017F;e mit einander aufgehoben, und alle re-<lb/>
gierende Fu&#x0364;r&#x017F;ten abge&#x017F;chaffet werden &#x017F;ollen. Wie das<lb/>
Parlament von Großbritannien die Claus der Schotti-<lb/>
&#x017F;chen Herrn &#x017F;prengte, und ihre Unterthanen zu unmit-<lb/>
telbaren Reichs-unterthanen machte, ge&#x017F;chahe &#x017F;olches<lb/>
nicht ohne ma&#x0364;chtige Bewegungen; und nirgends zeigt<lb/>
&#x017F;ich auch nur eine Spur, daß Carl dergleichen unter-<lb/>
nommen ha&#x0364;tte.</note><lb/>
          <note place="end" n="(b)">Dies i&#x017F;t die Folge aller langen Kriege. S. §. 33. <hi rendition="#aq">n. c.</hi></note><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch">(<hi rendition="#aq">c</hi>) §.</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[220/0250] Oſnabruͤckſche Geſchichte jaͤhrlichen Beytrages von den Gemeinen gelanget ſeyn; ⁽e⁾ Jhre anſehnlichen Gefolge konnten ihnen gedient haben, das Amt eines gemeinen Vorſtehers in ihren Familien ſo gut als erblich zu machen. Allein ihr richterliches Amt war noch das alte; ſie hatten keine Gerichtsbarkeit uͤber die Gemeinen; und das Recht uͤber Leben und Tod war auſſer dem Hofrecht unbekannt. Der Adel war noch erleuch- tet; ⁽f⁾ und die prieſterliche Gewalt das Band des Staats. ⁽a⁾ S §. 38. n. i. Beda nennt ihre Vorſteher Satrapas, weil ihm ein anders Wort fehlte. Der Poeta Saxo nennt ſie Duces: Quæ nec rege fuit ſaltem ſociata ſub uno Sed variis diviſa modis plebs omnis habebat Quot pagos tot pene duces. Und es iſt nach dem Ausſpruch Taciti: Duces ex virtu- te ſumunt, nicht zu zweifeln, daß dieſes erwaͤhlte Vor- ſteher geweſen. Wo nicht: ſo haͤtte Carl bey Einfuͤh- rung der Grafen, die ganze ſaſſiſche Verfaſſung ſpren- gen, wenigſtens tauſend Satrapas um ihre Erb-gerichts- barkeit bringen, das ganze Volk nicht bey ihrer Frey- heit laſſen, ſondern ſelbiges darin neuerlich ſetzen, mit- hin auch nicht ſagen muͤſſen, daß er es bey ſeinem alten Rechte gelaſſen haͤtte. Es iſt eine gewaltige Veraͤnde- rung, wenn eine ganze Nation unter Erbgerichtsbar- keiten ſteht, dieſe mit einander aufgehoben, und alle re- gierende Fuͤrſten abgeſchaffet werden ſollen. Wie das Parlament von Großbritannien die Claus der Schotti- ſchen Herrn ſprengte, und ihre Unterthanen zu unmit- telbaren Reichs-unterthanen machte, geſchahe ſolches nicht ohne maͤchtige Bewegungen; und nirgends zeigt ſich auch nur eine Spur, daß Carl dergleichen unter- nommen haͤtte. ⁽b⁾ Dies iſt die Folge aller langen Kriege. S. §. 33. n. c. (c) §.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_osnabrueck_1768
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_osnabrueck_1768/250
Zitationshilfe: Möser, Justus: Osnabrückische Geschichte. Osnabrück, 1768, S. 220. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_osnabrueck_1768/250>, abgerufen am 29.04.2024.