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Möser, Justus: Osnabrückische Geschichte. Osnabrück, 1768.

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Osnabrücksche Geschichte
(c) GEBAVER in diss. de patr. pot. 2. glaubt, daß solches zu
Rom nicht ohne eine Art von Hausgerichte geschehen
können; und die von ihm angeführten Exempel beweisen
auch, daß es so geschehen sey. Bey den Deutschen aber
findet sich blos, daß der Mann, wenn er über seine Frau
Gericht gehalten, ihre nächste Anverwandten dazu gezo-
gen habe. Accisis crinibus nudatam coram propinquis ex-
pellit domo maritus ac per omnem vicum verbere agit.
TAC. in G. c.
19.
(d) Jn der bürgerlichen Gesellschaft sind domestica zuerst ad
rem publicam
gezogen.
(e) Das Haus eines Mannes ist bey allen Völkern sein Hei-
ligthum gewesen. Und so lange aus demselben der ge-
meine Friede nicht gebrochen wird, hat eine blosse
Obrigkeit, welche nemlich ohne Herrlichkeit ist, kein
Recht sich solches eröfnen zu lassen. Gegen einen Frie-
debrecher aber wird jure belli nicht jure imperii verfahren.
Die Regel ist allemal diese: Quid est sanctius quid omni
religione munitius quam domus unius cujusque civium? hic
arae sunt, hic foci; hic dii penates, hic sacra, religiones ce-
rimoniae continentur; hoc perfugium ita sanctum omnibus,
ut inde abripi neminem fas sit. CIC. pro domo 41. l. 21.
28. ff. de in jus voc.
(f) Jch kann daher mir auch gar nicht vorstellen, daß die
Macht einer gemeinen oder öffentlichen Gottheit, aus
deren Vollmacht die Obrigkeit in theokratischen Ver-
fassungen handelte, sich ins Haus erstrecket habe. Es
wäre ein crimen laesae paternae majestatis gewesen, wenn
die Familie im Hause den öffentlichen Gott anbeten wol-
len. Denn ausser dem, daß dadurch Kinder und Knechte
mit ihrem Herrn in communionem sacrorum publicorum
gekommen wären: so hätten nach dem alten Costume,
wo diejenigen, welche Jsraels Gott anbeteten auch Jsraels
Unterthanen waren, Knechte und Kinder aus der väter-
lichen Gewalt ohne Mittel unter die Obrigkeitliche tre-
ten müssen.
(g) Wehre heißt bey uns des Bauren Haus und innerer
Hofraum. Wehrfester ist der Hauswirth. Jch finde
Oſnabruͤckſche Geſchichte
(c) GEBAVER in diſſ. de patr. pot. 2. glaubt, daß ſolches zu
Rom nicht ohne eine Art von Hausgerichte geſchehen
koͤnnen; und die von ihm angefuͤhrten Exempel beweiſen
auch, daß es ſo geſchehen ſey. Bey den Deutſchen aber
findet ſich blos, daß der Mann, wenn er uͤber ſeine Frau
Gericht gehalten, ihre naͤchſte Anverwandten dazu gezo-
gen habe. Acciſis crinibus nudatam coram propinquis ex-
pellit domo maritus ac per omnem vicum verbere agit.
TAC. in G. c.
19.
(d) Jn der buͤrgerlichen Geſellſchaft ſind domeſtica zuerſt ad
rem publicam
gezogen.
(e) Das Haus eines Mannes iſt bey allen Voͤlkern ſein Hei-
ligthum geweſen. Und ſo lange aus demſelben der ge-
meine Friede nicht gebrochen wird, hat eine bloſſe
Obrigkeit, welche nemlich ohne Herrlichkeit iſt, kein
Recht ſich ſolches eroͤfnen zu laſſen. Gegen einen Frie-
debrecher aber wird jure belli nicht jure imperii verfahren.
Die Regel iſt allemal dieſe: Quid eſt ſanctius quid omni
religione munitius quam domus unius cujusque civium? hic
aræ ſunt, hic foci; hic dii penates, hic ſacra, religiones ce-
rimoniæ continentur; hoc perfugium ita ſanctum omnibus,
ut inde abripi neminem fas ſit. CIC. pro domo 41. l. 21.
28. ff. de in jus voc.
(f) Jch kann daher mir auch gar nicht vorſtellen, daß die
Macht einer gemeinen oder oͤffentlichen Gottheit, aus
deren Vollmacht die Obrigkeit in theokratiſchen Ver-
faſſungen handelte, ſich ins Haus erſtrecket habe. Es
waͤre ein crimen læſæ paternæ majeſtatis geweſen, wenn
die Familie im Hauſe den oͤffentlichen Gott anbeten wol-
len. Denn auſſer dem, daß dadurch Kinder und Knechte
mit ihrem Herrn in communionem ſacrorum publicorum
gekommen waͤren: ſo haͤtten nach dem alten Coſtume,
wo diejenigen, welche Jſraels Gott anbeteten auch Jſraels
Unterthanen waren, Knechte und Kinder aus der vaͤter-
lichen Gewalt ohne Mittel unter die Obrigkeitliche tre-
ten muͤſſen.
(g) Wehre heißt bey uns des Bauren Haus und innerer
Hofraum. Wehrfeſter iſt der Hauswirth. Jch finde
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[20/0050] Oſnabruͤckſche Geſchichte ⁽c⁾ GEBAVER in diſſ. de patr. pot. 2. glaubt, daß ſolches zu Rom nicht ohne eine Art von Hausgerichte geſchehen koͤnnen; und die von ihm angefuͤhrten Exempel beweiſen auch, daß es ſo geſchehen ſey. Bey den Deutſchen aber findet ſich blos, daß der Mann, wenn er uͤber ſeine Frau Gericht gehalten, ihre naͤchſte Anverwandten dazu gezo- gen habe. Acciſis crinibus nudatam coram propinquis ex- pellit domo maritus ac per omnem vicum verbere agit. TAC. in G. c. 19. ⁽d⁾ Jn der buͤrgerlichen Geſellſchaft ſind domeſtica zuerſt ad rem publicam gezogen. ⁽e⁾ Das Haus eines Mannes iſt bey allen Voͤlkern ſein Hei- ligthum geweſen. Und ſo lange aus demſelben der ge- meine Friede nicht gebrochen wird, hat eine bloſſe Obrigkeit, welche nemlich ohne Herrlichkeit iſt, kein Recht ſich ſolches eroͤfnen zu laſſen. Gegen einen Frie- debrecher aber wird jure belli nicht jure imperii verfahren. Die Regel iſt allemal dieſe: Quid eſt ſanctius quid omni religione munitius quam domus unius cujusque civium? hic aræ ſunt, hic foci; hic dii penates, hic ſacra, religiones ce- rimoniæ continentur; hoc perfugium ita ſanctum omnibus, ut inde abripi neminem fas ſit. CIC. pro domo 41. l. 21. 28. ff. de in jus voc. ⁽f⁾ Jch kann daher mir auch gar nicht vorſtellen, daß die Macht einer gemeinen oder oͤffentlichen Gottheit, aus deren Vollmacht die Obrigkeit in theokratiſchen Ver- faſſungen handelte, ſich ins Haus erſtrecket habe. Es waͤre ein crimen læſæ paternæ majeſtatis geweſen, wenn die Familie im Hauſe den oͤffentlichen Gott anbeten wol- len. Denn auſſer dem, daß dadurch Kinder und Knechte mit ihrem Herrn in communionem ſacrorum publicorum gekommen waͤren: ſo haͤtten nach dem alten Coſtume, wo diejenigen, welche Jſraels Gott anbeteten auch Jſraels Unterthanen waren, Knechte und Kinder aus der vaͤter- lichen Gewalt ohne Mittel unter die Obrigkeitliche tre- ten muͤſſen. ⁽g⁾ Wehre heißt bey uns des Bauren Haus und innerer Hofraum. Wehrfeſter iſt der Hauswirth. Jch finde nicht

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Zitationshilfe: Möser, Justus: Osnabrückische Geschichte. Osnabrück, 1768, S. 20. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_osnabrueck_1768/50>, abgerufen am 27.04.2024.