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Möser, Justus: Osnabrückische Geschichte. Osnabrück, 1768.

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erster Abschnitt.
sich noch in dem Pfandspiel. Der Richter frägt: was
soll der thun dem das Pfand gehört?
(c) Man siehet daß ein Genie das Wehrgeld erfunden habe;
und man würde die Alten für sehr dumm ansehen, wenn
man glaubte, daß sie quantitatem actionum moralium
nicht gekannt hätten. Allein in ihren Rechtsweisungen
haben sie nicht leicht darauf zurückgesehen; und die Ge-
fahr hat ihnen geahndet, welche die Freyheit dadurch
erlitten hat, daß man dem Richterlichen Arbitrio hierin
so viel nachgegeben hat.
(d) Alle geschriebene Gesetze der Longobarden, Franken,
Sachsen, Gothen, Burgundier etc. sind von Obrigkei-
ten, die ihre Herrschaft fest-setzen wollen, befördert wor-
den; wie der Augenschein zeiget. Es ist sonst merkwür-
dig daß die Angelsachsen auch nicht einmal die Straf-
Fasten der Bischöflichen Willkühr überlassen wollten.
S. den modum imponendi poenitentiam inter LL. Eadgari
beym WILK. p. 89. oder WHELOC. p. 71. Die Fasten
sind darinn auf jedes Verbrechen bey Jahren, Wochen
und Tagen zu Recht gewiesen. Und MONTESQ. im Espr.
de Loix XI.
6. bemerkt mit Recht, daß die Angelsachsen
diesen Geist der Freyheit aus den deutschen Wäldern
mit gebracht hätten.
(e) Daher war es unmöglich einen Mann ausserhalb seiner
Heymath zu Recht zu stellen. Man muß aber auch vor-
aussetzen, daß er auf ein frey Geleit reisete und nicht
als Knecht verurtheilet werden konnte. Nicht blos Ge-
sandten, sondern alle geleitete Personen geniessen billig
dieses Rechts; und im H. R. R. alle öffentliche Bediente.
Blos als Knecht kann einer ausserhalb seinem Vaterlan-
de verdammet werden; und in dessen Rücksicht heißt es:
Peregrina judicia generali sanctione prohibemus. Quia in-
dignum est ut ab externis judicetur, qui provinciales & a
se electos debet habere judices.
S. ANSEGISI. Coll. Ca-
pit. Caroli M. & Lud. P. VII.
230.
§. 25.
erſter Abſchnitt.
ſich noch in dem Pfandſpiel. Der Richter fraͤgt: was
ſoll der thun dem das Pfand gehoͤrt?
(c) Man ſiehet daß ein Genie das Wehrgeld erfunden habe;
und man wuͤrde die Alten fuͤr ſehr dumm anſehen, wenn
man glaubte, daß ſie quantitatem actionum moralium
nicht gekannt haͤtten. Allein in ihren Rechtsweiſungen
haben ſie nicht leicht darauf zuruͤckgeſehen; und die Ge-
fahr hat ihnen geahndet, welche die Freyheit dadurch
erlitten hat, daß man dem Richterlichen Arbitrio hierin
ſo viel nachgegeben hat.
(d) Alle geſchriebene Geſetze der Longobarden, Franken,
Sachſen, Gothen, Burgundier ꝛc. ſind von Obrigkei-
ten, die ihre Herrſchaft feſt-ſetzen wollen, befoͤrdert wor-
den; wie der Augenſchein zeiget. Es iſt ſonſt merkwuͤr-
dig daß die Angelſachſen auch nicht einmal die Straf-
Faſten der Biſchoͤflichen Willkuͤhr uͤberlaſſen wollten.
S. den modum imponendi pœnitentiam inter LL. Eadgari
beym WILK. p. 89. oder WHELOC. p. 71. Die Faſten
ſind darinn auf jedes Verbrechen bey Jahren, Wochen
und Tagen zu Recht gewieſen. Und MONTESQ. im Eſpr.
de Loix XI.
6. bemerkt mit Recht, daß die Angelſachſen
dieſen Geiſt der Freyheit aus den deutſchen Waͤldern
mit gebracht haͤtten.
(e) Daher war es unmoͤglich einen Mann auſſerhalb ſeiner
Heymath zu Recht zu ſtellen. Man muß aber auch vor-
ausſetzen, daß er auf ein frey Geleit reiſete und nicht
als Knecht verurtheilet werden konnte. Nicht blos Ge-
ſandten, ſondern alle geleitete Perſonen genieſſen billig
dieſes Rechts; und im H. R. R. alle oͤffentliche Bediente.
Blos als Knecht kann einer auſſerhalb ſeinem Vaterlan-
de verdammet werden; und in deſſen Ruͤckſicht heißt es:
Peregrina judicia generali ſanctione prohibemus. Quia in-
dignum eſt ut ab externis judicetur, qui provinciales & a
ſe electos debet habere judices.
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pit. Caroli M. & Lud. P. VII.
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§. 25.
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[43/0073] erſter Abſchnitt. ⁽b⁾ ſich noch in dem Pfandſpiel. Der Richter fraͤgt: was ſoll der thun dem das Pfand gehoͤrt? ⁽c⁾ Man ſiehet daß ein Genie das Wehrgeld erfunden habe; und man wuͤrde die Alten fuͤr ſehr dumm anſehen, wenn man glaubte, daß ſie quantitatem actionum moralium nicht gekannt haͤtten. Allein in ihren Rechtsweiſungen haben ſie nicht leicht darauf zuruͤckgeſehen; und die Ge- fahr hat ihnen geahndet, welche die Freyheit dadurch erlitten hat, daß man dem Richterlichen Arbitrio hierin ſo viel nachgegeben hat. ⁽d⁾ Alle geſchriebene Geſetze der Longobarden, Franken, Sachſen, Gothen, Burgundier ꝛc. ſind von Obrigkei- ten, die ihre Herrſchaft feſt-ſetzen wollen, befoͤrdert wor- den; wie der Augenſchein zeiget. Es iſt ſonſt merkwuͤr- dig daß die Angelſachſen auch nicht einmal die Straf- Faſten der Biſchoͤflichen Willkuͤhr uͤberlaſſen wollten. S. den modum imponendi pœnitentiam inter LL. Eadgari beym WILK. p. 89. oder WHELOC. p. 71. Die Faſten ſind darinn auf jedes Verbrechen bey Jahren, Wochen und Tagen zu Recht gewieſen. Und MONTESQ. im Eſpr. de Loix XI. 6. bemerkt mit Recht, daß die Angelſachſen dieſen Geiſt der Freyheit aus den deutſchen Waͤldern mit gebracht haͤtten. ⁽e⁾ Daher war es unmoͤglich einen Mann auſſerhalb ſeiner Heymath zu Recht zu ſtellen. Man muß aber auch vor- ausſetzen, daß er auf ein frey Geleit reiſete und nicht als Knecht verurtheilet werden konnte. Nicht blos Ge- ſandten, ſondern alle geleitete Perſonen genieſſen billig dieſes Rechts; und im H. R. R. alle oͤffentliche Bediente. Blos als Knecht kann einer auſſerhalb ſeinem Vaterlan- de verdammet werden; und in deſſen Ruͤckſicht heißt es: Peregrina judicia generali ſanctione prohibemus. Quia in- dignum eſt ut ab externis judicetur, qui provinciales & a ſe electos debet habere judices. S. ANSEGISI. Coll. Ca- pit. Caroli M. & Lud. P. VII. 230. §. 25.

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Zitationshilfe: Möser, Justus: Osnabrückische Geschichte. Osnabrück, 1768, S. 43. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_osnabrueck_1768/73>, abgerufen am 28.04.2024.