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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 1. Berlin, 1775.

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auf der Weser.
und wann gleich die unterhalb Paderborn liegenden Gegen-
den von ihrem Ueberflusse zum erstenmal c) einiges Korn auf
der Achse in unsre Heidländer brachten: so machte doch solches
keine merkliche Veränderung des Preises in den Gegenden an
der Dimel.

Warum, hieß es damals, schicken diese Gegenden ihr
überflüßiges Korn nicht nach Bremen? Wohin so vieles aus
Polen und Liefland eingeführt wird? und der Preis doch noch
immer so hoch bleibt, als es billiger Weise zu erwarten steht?
Haben Sie nicht die Weser bey Beverungen und andern Orten
in der Nähe? Fehlt es ihnen an Fuhrwerk oder an Einsicht?
oder sind sonst Schwierigkeiten vorhanden, welche sich diesem
natürlichen Abflusse widersetzen?

Dies war nun gut genug gefragt; aber es brauchte kei-
ner andern Antwort, als: Die Bremer kaufen kein Korn.
Und so war alle Aussicht von dieser Seite verlohren. Man
fragte nun nicht weiter; sondern erwartete in ruhiger Ver-
zweiflung, ob die Zeit Käufer oder Würmer zu dem über-
flüßigen Seegen bringen würde? Hätte man sich aber nach
der Ursache, warum die Bremer kein Korn kaufen, erkundi-
get: so würde man näher zur Sache gekommen seyn.

In allen Seestädten von England und Frankreich, wor-
aus das mehrste Korn verführet wird, steckt kein Handels-
mann sein Geld in Korn; sondern denkt,
"die guten Hausväter auf dem platten Lande müssen ihr
"Korn wohl zur Stadt schicken, wenn sie es los seyn wollen;

"sie
c) Wier ziehen unser Korn sonst von der Emse; und der Preis
ist in den Gegenden, welche von der Emse am weitsten
entfernt sind, sonst immer am höchsten gewesen; bis auf
voriges Jahr, wo aus dem Paderbornschen vieles Korn
herüber gekommen.
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auf der Weſer.
und wann gleich die unterhalb Paderborn liegenden Gegen-
den von ihrem Ueberfluſſe zum erſtenmal c) einiges Korn auf
der Achſe in unſre Heidlaͤnder brachten: ſo machte doch ſolches
keine merkliche Veraͤnderung des Preiſes in den Gegenden an
der Dimel.

Warum, hieß es damals, ſchicken dieſe Gegenden ihr
uͤberfluͤßiges Korn nicht nach Bremen? Wohin ſo vieles aus
Polen und Liefland eingefuͤhrt wird? und der Preis doch noch
immer ſo hoch bleibt, als es billiger Weiſe zu erwarten ſteht?
Haben Sie nicht die Weſer bey Beverungen und andern Orten
in der Naͤhe? Fehlt es ihnen an Fuhrwerk oder an Einſicht?
oder ſind ſonſt Schwierigkeiten vorhanden, welche ſich dieſem
natuͤrlichen Abfluſſe widerſetzen?

Dies war nun gut genug gefragt; aber es brauchte kei-
ner andern Antwort, als: Die Bremer kaufen kein Korn.
Und ſo war alle Ausſicht von dieſer Seite verlohren. Man
fragte nun nicht weiter; ſondern erwartete in ruhiger Ver-
zweiflung, ob die Zeit Kaͤufer oder Wuͤrmer zu dem uͤber-
fluͤßigen Seegen bringen wuͤrde? Haͤtte man ſich aber nach
der Urſache, warum die Bremer kein Korn kaufen, erkundi-
get: ſo wuͤrde man naͤher zur Sache gekommen ſeyn.

In allen Seeſtaͤdten von England und Frankreich, wor-
aus das mehrſte Korn verfuͤhret wird, ſteckt kein Handels-
mann ſein Geld in Korn; ſondern denkt,
〟die guten Hausvaͤter auf dem platten Lande muͤſſen ihr
〟Korn wohl zur Stadt ſchicken, wenn ſie es los ſeyn wollen;

〟ſie
c) Wier ziehen unſer Korn ſonſt von der Emſe; und der Preis
iſt in den Gegenden, welche von der Emſe am weitſten
entfernt ſind, ſonſt immer am hoͤchſten geweſen; bis auf
voriges Jahr, wo aus dem Paderbornſchen vieles Korn
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[309/0327] auf der Weſer. und wann gleich die unterhalb Paderborn liegenden Gegen- den von ihrem Ueberfluſſe zum erſtenmal c) einiges Korn auf der Achſe in unſre Heidlaͤnder brachten: ſo machte doch ſolches keine merkliche Veraͤnderung des Preiſes in den Gegenden an der Dimel. Warum, hieß es damals, ſchicken dieſe Gegenden ihr uͤberfluͤßiges Korn nicht nach Bremen? Wohin ſo vieles aus Polen und Liefland eingefuͤhrt wird? und der Preis doch noch immer ſo hoch bleibt, als es billiger Weiſe zu erwarten ſteht? Haben Sie nicht die Weſer bey Beverungen und andern Orten in der Naͤhe? Fehlt es ihnen an Fuhrwerk oder an Einſicht? oder ſind ſonſt Schwierigkeiten vorhanden, welche ſich dieſem natuͤrlichen Abfluſſe widerſetzen? Dies war nun gut genug gefragt; aber es brauchte kei- ner andern Antwort, als: Die Bremer kaufen kein Korn. Und ſo war alle Ausſicht von dieſer Seite verlohren. Man fragte nun nicht weiter; ſondern erwartete in ruhiger Ver- zweiflung, ob die Zeit Kaͤufer oder Wuͤrmer zu dem uͤber- fluͤßigen Seegen bringen wuͤrde? Haͤtte man ſich aber nach der Urſache, warum die Bremer kein Korn kaufen, erkundi- get: ſo wuͤrde man naͤher zur Sache gekommen ſeyn. In allen Seeſtaͤdten von England und Frankreich, wor- aus das mehrſte Korn verfuͤhret wird, ſteckt kein Handels- mann ſein Geld in Korn; ſondern denkt, 〟die guten Hausvaͤter auf dem platten Lande muͤſſen ihr 〟Korn wohl zur Stadt ſchicken, wenn ſie es los ſeyn wollen; 〟ſie c) Wier ziehen unſer Korn ſonſt von der Emſe; und der Preis iſt in den Gegenden, welche von der Emſe am weitſten entfernt ſind, ſonſt immer am hoͤchſten geweſen; bis auf voriges Jahr, wo aus dem Paderbornſchen vieles Korn heruͤber gekommen. U 3

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Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 1. Berlin, 1775, S. 309. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien01_1775/327>, abgerufen am 29.04.2024.