Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776.

Bild:
<< vorherige Seite

Keine Beförderung nach Verdiensten.
jede Beförderung sich lediglich auf das Verdienst gründete.
Denn alle diejenigen, so mit dem Beförderten in gleicher
Hoffnung gestanden; und dieses würde natürlicher Weise der
Fall aller derjenigen gewesen seyn, die nur irgend eine gute
Meynung von sich gehabt hätten, würden sich für beleidigt
und beschimpft halten. Ihre Gesinnungen würden sich gegen
ihn, gegen den Dienst und gegen den Herrn wenden; sie wür-
den in Haß und Feindschaft ausbrechen, und in kurzer Zeit
würde man unter allen Kriegs- und Landesbedienten eben die
Auftritte sehen, welche man sonst nur an Höfen und auf Uni-
versitäten sieht, wo der Ruhm persönlicher Verdienste näher
in Betracht kommt, folglich auch alle obige Fehler erzeugt.
Erwegen Sie dagegen den Fall, wo dieser durch eine höhere
Geburt, jener durch seine mehrern Jahre im Dienste, und
dann und wann auch einer durch einen glücklichen Zufall be-
fördert wird: so bleibt es einem jeden frey sich damit zu schmei-
cheln, daß es nicht nach Verdiensten in der Welt gehe; es
kan sich so leicht niemand für beschimpft halten; die Eigenliebe
beruhiget sich, und man denkt: Glück und Zeiten werden uns
auch an die Reihe bringen. Mit diesen Gedanken vertreiben
wir unsern Kummer, fassen neue Hoffnungen, artbeiten fort,
vertragen den Glücklichern, und der Dienst wird nicht gehin-
dert. Anstatt daß der Fähndrich dem Lieutenant, und dieser
dem Hauptmann heimlich zu schaden suchen würde, wenn der
Obere dem Untern blos seines größern Verdienstes halber vor-
gesetzet worden. Die größte Zwietracht findet sich insgemein un-
ter den Generals, weil die Hauptausführungen bisweilen
große Verdienste erfordern. Allein diese Zwietracht würde
allgemein seyn, wenn die Officiren nach den Grundsätzen be-
fördert würden, nach welchen Generale zu Ausführungen er-
wählet werden.

Und

Keine Befoͤrderung nach Verdienſten.
jede Befoͤrderung ſich lediglich auf das Verdienſt gruͤndete.
Denn alle diejenigen, ſo mit dem Befoͤrderten in gleicher
Hoffnung geſtanden; und dieſes wuͤrde natuͤrlicher Weiſe der
Fall aller derjenigen geweſen ſeyn, die nur irgend eine gute
Meynung von ſich gehabt haͤtten, wuͤrden ſich fuͤr beleidigt
und beſchimpft halten. Ihre Geſinnungen wuͤrden ſich gegen
ihn, gegen den Dienſt und gegen den Herrn wenden; ſie wuͤr-
den in Haß und Feindſchaft ausbrechen, und in kurzer Zeit
wuͤrde man unter allen Kriegs- und Landesbedienten eben die
Auftritte ſehen, welche man ſonſt nur an Hoͤfen und auf Uni-
verſitaͤten ſieht, wo der Ruhm perſoͤnlicher Verdienſte naͤher
in Betracht kommt, folglich auch alle obige Fehler erzeugt.
Erwegen Sie dagegen den Fall, wo dieſer durch eine hoͤhere
Geburt, jener durch ſeine mehrern Jahre im Dienſte, und
dann und wann auch einer durch einen gluͤcklichen Zufall be-
foͤrdert wird: ſo bleibt es einem jeden frey ſich damit zu ſchmei-
cheln, daß es nicht nach Verdienſten in der Welt gehe; es
kan ſich ſo leicht niemand fuͤr beſchimpft halten; die Eigenliebe
beruhiget ſich, und man denkt: Gluͤck und Zeiten werden uns
auch an die Reihe bringen. Mit dieſen Gedanken vertreiben
wir unſern Kummer, faſſen neue Hoffnungen, artbeiten fort,
vertragen den Gluͤcklichern, und der Dienſt wird nicht gehin-
dert. Anſtatt daß der Faͤhndrich dem Lieutenant, und dieſer
dem Hauptmann heimlich zu ſchaden ſuchen wuͤrde, wenn der
Obere dem Untern blos ſeines groͤßern Verdienſtes halber vor-
geſetzet worden. Die groͤßte Zwietracht findet ſich insgemein un-
ter den Generals, weil die Hauptausfuͤhrungen bisweilen
große Verdienſte erfordern. Allein dieſe Zwietracht wuͤrde
allgemein ſeyn, wenn die Officiren nach den Grundſaͤtzen be-
foͤrdert wuͤrden, nach welchen Generale zu Ausfuͤhrungen er-
waͤhlet werden.

Und
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0334" n="316"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Keine Befo&#x0364;rderung nach Verdien&#x017F;ten.</hi></fw><lb/>
jede Befo&#x0364;rderung &#x017F;ich lediglich auf das Verdien&#x017F;t gru&#x0364;ndete.<lb/>
Denn alle diejenigen, &#x017F;o mit dem Befo&#x0364;rderten in gleicher<lb/>
Hoffnung ge&#x017F;tanden; und die&#x017F;es wu&#x0364;rde natu&#x0364;rlicher Wei&#x017F;e der<lb/>
Fall aller derjenigen gewe&#x017F;en &#x017F;eyn, die nur irgend eine gute<lb/>
Meynung von &#x017F;ich gehabt ha&#x0364;tten, wu&#x0364;rden &#x017F;ich fu&#x0364;r beleidigt<lb/>
und be&#x017F;chimpft halten. Ihre Ge&#x017F;innungen wu&#x0364;rden &#x017F;ich gegen<lb/>
ihn, gegen den Dien&#x017F;t und gegen den Herrn wenden; &#x017F;ie wu&#x0364;r-<lb/>
den in Haß und Feind&#x017F;chaft ausbrechen, und in kurzer Zeit<lb/>
wu&#x0364;rde man unter allen Kriegs- und Landesbedienten eben die<lb/>
Auftritte &#x017F;ehen, welche man &#x017F;on&#x017F;t nur an Ho&#x0364;fen und auf Uni-<lb/>
ver&#x017F;ita&#x0364;ten &#x017F;ieht, wo der Ruhm per&#x017F;o&#x0364;nlicher Verdien&#x017F;te na&#x0364;her<lb/>
in Betracht kommt, folglich auch alle obige Fehler erzeugt.<lb/>
Erwegen Sie dagegen den Fall, wo die&#x017F;er durch eine ho&#x0364;here<lb/>
Geburt, jener durch &#x017F;eine mehrern Jahre im Dien&#x017F;te, und<lb/>
dann und wann auch einer durch einen glu&#x0364;cklichen Zufall be-<lb/>
fo&#x0364;rdert wird: &#x017F;o bleibt es einem jeden frey &#x017F;ich damit zu &#x017F;chmei-<lb/>
cheln, daß es nicht nach Verdien&#x017F;ten in der Welt gehe; es<lb/>
kan &#x017F;ich &#x017F;o leicht niemand fu&#x0364;r be&#x017F;chimpft halten; die Eigenliebe<lb/>
beruhiget &#x017F;ich, und man denkt: Glu&#x0364;ck und Zeiten werden uns<lb/>
auch an die Reihe bringen. Mit die&#x017F;en Gedanken vertreiben<lb/>
wir un&#x017F;ern Kummer, fa&#x017F;&#x017F;en neue Hoffnungen, artbeiten fort,<lb/>
vertragen den Glu&#x0364;cklichern, und der Dien&#x017F;t wird nicht gehin-<lb/>
dert. An&#x017F;tatt daß der Fa&#x0364;hndrich dem Lieutenant, und die&#x017F;er<lb/>
dem Hauptmann heimlich zu &#x017F;chaden &#x017F;uchen wu&#x0364;rde, wenn der<lb/>
Obere dem Untern blos &#x017F;eines gro&#x0364;ßern Verdien&#x017F;tes halber vor-<lb/>
ge&#x017F;etzet worden. Die gro&#x0364;ßte Zwietracht findet &#x017F;ich insgemein un-<lb/>
ter den Generals, weil die Hauptausfu&#x0364;hrungen bisweilen<lb/>
große Verdien&#x017F;te erfordern. Allein die&#x017F;e Zwietracht wu&#x0364;rde<lb/>
allgemein &#x017F;eyn, wenn die Officiren nach den Grund&#x017F;a&#x0364;tzen be-<lb/>
fo&#x0364;rdert wu&#x0364;rden, nach welchen Generale zu Ausfu&#x0364;hrungen er-<lb/>
wa&#x0364;hlet werden.</p><lb/>
        <fw place="bottom" type="catch">Und</fw><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[316/0334] Keine Befoͤrderung nach Verdienſten. jede Befoͤrderung ſich lediglich auf das Verdienſt gruͤndete. Denn alle diejenigen, ſo mit dem Befoͤrderten in gleicher Hoffnung geſtanden; und dieſes wuͤrde natuͤrlicher Weiſe der Fall aller derjenigen geweſen ſeyn, die nur irgend eine gute Meynung von ſich gehabt haͤtten, wuͤrden ſich fuͤr beleidigt und beſchimpft halten. Ihre Geſinnungen wuͤrden ſich gegen ihn, gegen den Dienſt und gegen den Herrn wenden; ſie wuͤr- den in Haß und Feindſchaft ausbrechen, und in kurzer Zeit wuͤrde man unter allen Kriegs- und Landesbedienten eben die Auftritte ſehen, welche man ſonſt nur an Hoͤfen und auf Uni- verſitaͤten ſieht, wo der Ruhm perſoͤnlicher Verdienſte naͤher in Betracht kommt, folglich auch alle obige Fehler erzeugt. Erwegen Sie dagegen den Fall, wo dieſer durch eine hoͤhere Geburt, jener durch ſeine mehrern Jahre im Dienſte, und dann und wann auch einer durch einen gluͤcklichen Zufall be- foͤrdert wird: ſo bleibt es einem jeden frey ſich damit zu ſchmei- cheln, daß es nicht nach Verdienſten in der Welt gehe; es kan ſich ſo leicht niemand fuͤr beſchimpft halten; die Eigenliebe beruhiget ſich, und man denkt: Gluͤck und Zeiten werden uns auch an die Reihe bringen. Mit dieſen Gedanken vertreiben wir unſern Kummer, faſſen neue Hoffnungen, artbeiten fort, vertragen den Gluͤcklichern, und der Dienſt wird nicht gehin- dert. Anſtatt daß der Faͤhndrich dem Lieutenant, und dieſer dem Hauptmann heimlich zu ſchaden ſuchen wuͤrde, wenn der Obere dem Untern blos ſeines groͤßern Verdienſtes halber vor- geſetzet worden. Die groͤßte Zwietracht findet ſich insgemein un- ter den Generals, weil die Hauptausfuͤhrungen bisweilen große Verdienſte erfordern. Allein dieſe Zwietracht wuͤrde allgemein ſeyn, wenn die Officiren nach den Grundſaͤtzen be- foͤrdert wuͤrden, nach welchen Generale zu Ausfuͤhrungen er- waͤhlet werden. Und

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien02_1776
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien02_1776/334
Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776, S. 316. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien02_1776/334>, abgerufen am 26.04.2024.