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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776.

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aus Furcht lächerlich zu werden.
wechselt; junge Gemüther sind nicht im Stande solches alle-
mahl zu prüfen; sie richten sich lediglich darnach ob etwas
lächerlich gefunden werde oder nicht? Der Grund einer Sache
wird gar nicht mehr untersucht, und der Hofmeister würde
ein Pedant heissen, der sich eines andern Beweises bediente
als: Fy! cela est ridicule.

Ich habe meinen Untergebenen oft gegen diesen gebietrischen
Ausdruck verhärtet, und ihm Stolz genug beybringen wollen,
sich selbst zum Original zu bilden. Junker, habe ich ihm gesagt;
Sie haben einen dicken Kopf, und die Taubenflügel stehen ihnen
besser, wenn sie solche etwas abnehmenlassen; sie haben ein
edles freundschaftliches Wesen, wodurch sie einen jeden gewinnen
werden, warum wollen sie ihre Gesichtsmus keln aufsteifen,
um ein zurückhaltendes Ansehen zu haben? Die Statur hat
ihnen die Physionomie, welche sich zu ihren Neigungen
schickt, mitgetheilet, warum wollen sie dieser weisen Mut-
ter nicht folgen? Ist es denn so etwas großes, ein geschickter
Affe zu seyn? Und sind sie versichert, hierinn zur Voll-
kommenheit zu gelangen, da ihnen ihre Natur hierinn nicht
zu Hülfe kommt? Ihre Seele hat die Fähigkeit, etwas
großes zu lernen. Und sie tragen Bedenken fleißig zu
seyn, weil es andere auch nicht sind? Sollte es ihnen aber
nicht schmeichelhafter seyn, Exempel zu geben, als Exempel
zu nehmen? .... Ja, man wird sich über mich aufhalten;
die Tante wird sagen ich sey ein Schulfuchs, und die Cousi-
nen werdem mich den guten Vetter nennen, wenn ich so ein
Gesicht habe das mit Brey aufgefüttert zu seyn scheinet. ...
Gut, aber ist denn das hönische Aufhalten so etwas fürchter-
liches? Bilden sie sich einmahl ein, diese schreckliche Begeg-
nung sey unvermeidlich, sie mögen nun ein Original oder eine
Copey werden; es sey nothwendig, daß ein Mensch dem an-
dern diesen Zoll geben müßte, was meinen sie, von welchem

Theile
Z 4

aus Furcht laͤcherlich zu werden.
wechſelt; junge Gemuͤther ſind nicht im Stande ſolches alle-
mahl zu pruͤfen; ſie richten ſich lediglich darnach ob etwas
laͤcherlich gefunden werde oder nicht? Der Grund einer Sache
wird gar nicht mehr unterſucht, und der Hofmeiſter wuͤrde
ein Pedant heiſſen, der ſich eines andern Beweiſes bediente
als: Fy! cela eſt ridicule.

Ich habe meinen Untergebenen oft gegen dieſen gebietriſchen
Ausdruck verhaͤrtet, und ihm Stolz genug beybringen wollen,
ſich ſelbſt zum Original zu bilden. Junker, habe ich ihm geſagt;
Sie haben einen dicken Kopf, und die Taubenfluͤgel ſtehen ihnen
beſſer, wenn ſie ſolche etwas abnehmenlaſſen; ſie haben ein
edles freundſchaftliches Weſen, wodurch ſie einen jeden gewinnen
werden, warum wollen ſie ihre Geſichtsmuſ keln aufſteifen,
um ein zuruͤckhaltendes Anſehen zu haben? Die Statur hat
ihnen die Phyſionomie, welche ſich zu ihren Neigungen
ſchickt, mitgetheilet, warum wollen ſie dieſer weiſen Mut-
ter nicht folgen? Iſt es denn ſo etwas großes, ein geſchickter
Affe zu ſeyn? Und ſind ſie verſichert, hierinn zur Voll-
kommenheit zu gelangen, da ihnen ihre Natur hierinn nicht
zu Huͤlfe kommt? Ihre Seele hat die Faͤhigkeit, etwas
großes zu lernen. Und ſie tragen Bedenken fleißig zu
ſeyn, weil es andere auch nicht ſind? Sollte es ihnen aber
nicht ſchmeichelhafter ſeyn, Exempel zu geben, als Exempel
zu nehmen? .... Ja, man wird ſich uͤber mich aufhalten;
die Tante wird ſagen ich ſey ein Schulfuchs, und die Couſi-
nen werdem mich den guten Vetter nennen, wenn ich ſo ein
Geſicht habe das mit Brey aufgefuͤttert zu ſeyn ſcheinet. …
Gut, aber iſt denn das hoͤniſche Aufhalten ſo etwas fuͤrchter-
liches? Bilden ſie ſich einmahl ein, dieſe ſchreckliche Begeg-
nung ſey unvermeidlich, ſie moͤgen nun ein Original oder eine
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[359/0377] aus Furcht laͤcherlich zu werden. wechſelt; junge Gemuͤther ſind nicht im Stande ſolches alle- mahl zu pruͤfen; ſie richten ſich lediglich darnach ob etwas laͤcherlich gefunden werde oder nicht? Der Grund einer Sache wird gar nicht mehr unterſucht, und der Hofmeiſter wuͤrde ein Pedant heiſſen, der ſich eines andern Beweiſes bediente als: Fy! cela eſt ridicule. Ich habe meinen Untergebenen oft gegen dieſen gebietriſchen Ausdruck verhaͤrtet, und ihm Stolz genug beybringen wollen, ſich ſelbſt zum Original zu bilden. Junker, habe ich ihm geſagt; Sie haben einen dicken Kopf, und die Taubenfluͤgel ſtehen ihnen beſſer, wenn ſie ſolche etwas abnehmenlaſſen; ſie haben ein edles freundſchaftliches Weſen, wodurch ſie einen jeden gewinnen werden, warum wollen ſie ihre Geſichtsmuſ keln aufſteifen, um ein zuruͤckhaltendes Anſehen zu haben? Die Statur hat ihnen die Phyſionomie, welche ſich zu ihren Neigungen ſchickt, mitgetheilet, warum wollen ſie dieſer weiſen Mut- ter nicht folgen? Iſt es denn ſo etwas großes, ein geſchickter Affe zu ſeyn? Und ſind ſie verſichert, hierinn zur Voll- kommenheit zu gelangen, da ihnen ihre Natur hierinn nicht zu Huͤlfe kommt? Ihre Seele hat die Faͤhigkeit, etwas großes zu lernen. Und ſie tragen Bedenken fleißig zu ſeyn, weil es andere auch nicht ſind? Sollte es ihnen aber nicht ſchmeichelhafter ſeyn, Exempel zu geben, als Exempel zu nehmen? .... Ja, man wird ſich uͤber mich aufhalten; die Tante wird ſagen ich ſey ein Schulfuchs, und die Couſi- nen werdem mich den guten Vetter nennen, wenn ich ſo ein Geſicht habe das mit Brey aufgefuͤttert zu ſeyn ſcheinet. … Gut, aber iſt denn das hoͤniſche Aufhalten ſo etwas fuͤrchter- liches? Bilden ſie ſich einmahl ein, dieſe ſchreckliche Begeg- nung ſey unvermeidlich, ſie moͤgen nun ein Original oder eine Copey werden; es ſey nothwendig, daß ein Menſch dem an- dern dieſen Zoll geben muͤßte, was meinen ſie, von welchem Theile Z 4

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Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776, S. 359. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien02_1776/377>, abgerufen am 27.04.2024.