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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776.

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und dessen grossen Nutzen.
ser einem Kaufmann bekannten Wahrheit auf ganze Staaten
gemacht hat. Es ist noch so lange nicht, daß man auf die
Gedanken gekommen ist, der Credit eines Staats, lasse sich
wie der Credit eines Kaufmanns nutzen, und das Land was
blos mit seinem baarem Capital handle, könne lange dasjenige
nicht leisten, was ein anders leistet, welches seinen ganzen
Credit mit zum Handel nimmt.

Gesetzt nun ein Staat habe eine Million baares Geld, und
neun Millionen Werth an liegenden Gründen: so wird man
denselben keiner Unvorsichtigkeit beschuldigen können, wenn
er bey erheischender Nothdurft an baarem Gelde und Obliga-
tionen zehn Millionen circulieren läßt. Gesetzt weiter diese
Obligationen circuliren unter seinen Einwohnern, und wenn sie
auch auswärts in Zahlungen gebraucht werden, kehren durch die
Bilanz der Handlung wieder dahin zurück; so wird er es unstrei-
tig wagen dürfen, noch für zehn Millionen neuen Credit zu ma-
chen, und also zwanzig Millionen circuliren zu lassen, wenn
es der Handel erfordert. Verhalten sich diese zwanzig Mil-
lionen eben so wie die vorigen, und der Handel erheischt noch
mehrere Zeichen: so wird er immer und so lange mit dieser
Operation fortgehen können, als Leute sind die dergleichen
nehmen und fordern. Jede Vermehrung derselben wird ein
eben so sicheres Zeichen einer zunehmenden Handlung seyn,
als sicher es ein Zeichen von dem zunehmenden Gewerbe ei-
nes redlichen Kaufmanns ist, je mehr er Geld zu seiner Hand-
lung anleiht. Es ist also klar und unwidersprechlich, daß die
größte Benutzung des Credits, oder um mich nach der alten
Formel auszudrücken, die größte Menge von Schulden die
sicherste Probe eines zunehmenden Reichthums seyn könne.

Um die Sache noch deutlicher zu machen, und sie der An-
wendung näher zu bringen, wollen wir ein Dorf nehmen,

das

und deſſen groſſen Nutzen.
ſer einem Kaufmann bekannten Wahrheit auf ganze Staaten
gemacht hat. Es iſt noch ſo lange nicht, daß man auf die
Gedanken gekommen iſt, der Credit eines Staats, laſſe ſich
wie der Credit eines Kaufmanns nutzen, und das Land was
blos mit ſeinem baarem Capital handle, koͤnne lange dasjenige
nicht leiſten, was ein anders leiſtet, welches ſeinen ganzen
Credit mit zum Handel nimmt.

Geſetzt nun ein Staat habe eine Million baares Geld, und
neun Millionen Werth an liegenden Gruͤnden: ſo wird man
denſelben keiner Unvorſichtigkeit beſchuldigen koͤnnen, wenn
er bey erheiſchender Nothdurft an baarem Gelde und Obliga-
tionen zehn Millionen circulieren laͤßt. Geſetzt weiter dieſe
Obligationen circuliren unter ſeinen Einwohnern, und wenn ſie
auch auswaͤrts in Zahlungen gebraucht werden, kehren durch die
Bilanz der Handlung wieder dahin zuruͤck; ſo wird er es unſtrei-
tig wagen duͤrfen, noch fuͤr zehn Millionen neuen Credit zu ma-
chen, und alſo zwanzig Millionen circuliren zu laſſen, wenn
es der Handel erfordert. Verhalten ſich dieſe zwanzig Mil-
lionen eben ſo wie die vorigen, und der Handel erheiſcht noch
mehrere Zeichen: ſo wird er immer und ſo lange mit dieſer
Operation fortgehen koͤnnen, als Leute ſind die dergleichen
nehmen und fordern. Jede Vermehrung derſelben wird ein
eben ſo ſicheres Zeichen einer zunehmenden Handlung ſeyn,
als ſicher es ein Zeichen von dem zunehmenden Gewerbe ei-
nes redlichen Kaufmanns iſt, je mehr er Geld zu ſeiner Hand-
lung anleiht. Es iſt alſo klar und unwiderſprechlich, daß die
groͤßte Benutzung des Credits, oder um mich nach der alten
Formel auszudruͤcken, die groͤßte Menge von Schulden die
ſicherſte Probe eines zunehmenden Reichthums ſeyn koͤnne.

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wendung naͤher zu bringen, wollen wir ein Dorf nehmen,

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[459/0477] und deſſen groſſen Nutzen. ſer einem Kaufmann bekannten Wahrheit auf ganze Staaten gemacht hat. Es iſt noch ſo lange nicht, daß man auf die Gedanken gekommen iſt, der Credit eines Staats, laſſe ſich wie der Credit eines Kaufmanns nutzen, und das Land was blos mit ſeinem baarem Capital handle, koͤnne lange dasjenige nicht leiſten, was ein anders leiſtet, welches ſeinen ganzen Credit mit zum Handel nimmt. Geſetzt nun ein Staat habe eine Million baares Geld, und neun Millionen Werth an liegenden Gruͤnden: ſo wird man denſelben keiner Unvorſichtigkeit beſchuldigen koͤnnen, wenn er bey erheiſchender Nothdurft an baarem Gelde und Obliga- tionen zehn Millionen circulieren laͤßt. Geſetzt weiter dieſe Obligationen circuliren unter ſeinen Einwohnern, und wenn ſie auch auswaͤrts in Zahlungen gebraucht werden, kehren durch die Bilanz der Handlung wieder dahin zuruͤck; ſo wird er es unſtrei- tig wagen duͤrfen, noch fuͤr zehn Millionen neuen Credit zu ma- chen, und alſo zwanzig Millionen circuliren zu laſſen, wenn es der Handel erfordert. Verhalten ſich dieſe zwanzig Mil- lionen eben ſo wie die vorigen, und der Handel erheiſcht noch mehrere Zeichen: ſo wird er immer und ſo lange mit dieſer Operation fortgehen koͤnnen, als Leute ſind die dergleichen nehmen und fordern. Jede Vermehrung derſelben wird ein eben ſo ſicheres Zeichen einer zunehmenden Handlung ſeyn, als ſicher es ein Zeichen von dem zunehmenden Gewerbe ei- nes redlichen Kaufmanns iſt, je mehr er Geld zu ſeiner Hand- lung anleiht. Es iſt alſo klar und unwiderſprechlich, daß die groͤßte Benutzung des Credits, oder um mich nach der alten Formel auszudruͤcken, die groͤßte Menge von Schulden die ſicherſte Probe eines zunehmenden Reichthums ſeyn koͤnne. Um die Sache noch deutlicher zu machen, und ſie der An- wendung naͤher zu bringen, wollen wir ein Dorf nehmen, das

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Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 2. Berlin, 1776, S. 459. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien02_1776/477>, abgerufen am 30.04.2024.