Kutsche, ein Paar Engländer vor mein Berlingot, ein Paar Barben vor meine Berutsche, und dabey einen hübschen Post- zug vor meine Volante haben müste. Nichts schien mir ab- geschmackter als ein Paar Friesen ohne Othem vor dem Wagen der Venus, oder ein Paar Heiducken ähnlicher La- kaien überall bey sich zu sehen, wo nur ein Galopin, Mohr oder Läufer sich schickt.
Ich dachte, man würde sich leicht darüber vereinigen können, daß die Berlingotten, Berutschen, Imperialen, Vo- lanten und Dolenten, wenigstens zwey Jahr dauren, und alle inzwischen einfallende Moden dabey übergangen werden sollten, um auf der andern Seite doch auch wieder etwas zu sparen. Allein die verzweifelten 5 Louis d'or -- der verfluchte Jude -- und meine Juwelen die man verkaufen will, wenn ich sie nicht in dreyen Tagen einlöse, haben mir den Kopf ganz verrückt, so daß ich durchaus moralisiren muß, da ich aus guten Ursachen mit meinem Cammermäd- gen nicht schmählen darf, und meine andern Leute, die schon bey allen Juden gewesen, ihren Theil bereits empfangen haben.
Aber moralisiren ist gut; nur hole der Kuckuck das Auf- schreiben. Kurz, meine Liebe! ich ergrif den ersten neuen Allmanach vom künftigen Jahr, dachte an Harlekin und seinen Gutengroschen, wollte mich aus Wielands Agathon erbauen, und war so voll von schönen Gedanken, Entschlüs- sen und Critiken, daß ich es nicht alles aufs Papier setzen kann. Es dauret mich recht; aber recht viel ist doch auch nicht dabey verlohren, denn das Resultat war blos: alle Dinge müssen doch ihre Grenzen haben; aber das wo? wo? wo? ... hier blieb ich stecken? und antwortete mir wie Herr Euler, als ich ihn einmal bat, mir doch zu sa- gen, wie viel Kraft meine Uhrfeder haben müste um richtig
zu
ohne Gewiſſensſcrupel folgen.
Kutſche, ein Paar Englaͤnder vor mein Berlingot, ein Paar Barben vor meine Berutſche, und dabey einen huͤbſchen Poſt- zug vor meine Volante haben muͤſte. Nichts ſchien mir ab- geſchmackter als ein Paar Frieſen ohne Othem vor dem Wagen der Venus, oder ein Paar Heiducken aͤhnlicher La- kaien uͤberall bey ſich zu ſehen, wo nur ein Galopin, Mohr oder Laͤufer ſich ſchickt.
Ich dachte, man wuͤrde ſich leicht daruͤber vereinigen koͤnnen, daß die Berlingotten, Berutſchen, Imperialen, Vo- lanten und Dolenten, wenigſtens zwey Jahr dauren, und alle inzwiſchen einfallende Moden dabey uͤbergangen werden ſollten, um auf der andern Seite doch auch wieder etwas zu ſparen. Allein die verzweifelten 5 Louis d’or — der verfluchte Jude — und meine Juwelen die man verkaufen will, wenn ich ſie nicht in dreyen Tagen einloͤſe, haben mir den Kopf ganz verruͤckt, ſo daß ich durchaus moraliſiren muß, da ich aus guten Urſachen mit meinem Cammermaͤd- gen nicht ſchmaͤhlen darf, und meine andern Leute, die ſchon bey allen Juden geweſen, ihren Theil bereits empfangen haben.
Aber moraliſiren iſt gut; nur hole der Kuckuck das Auf- ſchreiben. Kurz, meine Liebe! ich ergrif den erſten neuen Allmanach vom kuͤnftigen Jahr, dachte an Harlekin und ſeinen Gutengroſchen, wollte mich aus Wielands Agathon erbauen, und war ſo voll von ſchoͤnen Gedanken, Entſchluͤſ- ſen und Critiken, daß ich es nicht alles aufs Papier ſetzen kann. Es dauret mich recht; aber recht viel iſt doch auch nicht dabey verlohren, denn das Reſultat war blos: alle Dinge muͤſſen doch ihre Grenzen haben; aber das wo? wo? wo? … hier blieb ich ſtecken? und antwortete mir wie Herr Euler, als ich ihn einmal bat, mir doch zu ſa- gen, wie viel Kraft meine Uhrfeder haben muͤſte um richtig
zu
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ohne Gewiſſensſcrupel folgen.
Kutſche, ein Paar Englaͤnder vor mein Berlingot, ein Paar
Barben vor meine Berutſche, und dabey einen huͤbſchen Poſt-
zug vor meine Volante haben muͤſte. Nichts ſchien mir ab-
geſchmackter als ein Paar Frieſen ohne Othem vor dem
Wagen der Venus, oder ein Paar Heiducken aͤhnlicher La-
kaien uͤberall bey ſich zu ſehen, wo nur ein Galopin, Mohr
oder Laͤufer ſich ſchickt.
Ich dachte, man wuͤrde ſich leicht daruͤber vereinigen
koͤnnen, daß die Berlingotten, Berutſchen, Imperialen, Vo-
lanten und Dolenten, wenigſtens zwey Jahr dauren, und
alle inzwiſchen einfallende Moden dabey uͤbergangen werden
ſollten, um auf der andern Seite doch auch wieder etwas
zu ſparen. Allein die verzweifelten 5 Louis d’or — der
verfluchte Jude — und meine Juwelen die man verkaufen
will, wenn ich ſie nicht in dreyen Tagen einloͤſe, haben mir
den Kopf ganz verruͤckt, ſo daß ich durchaus moraliſiren
muß, da ich aus guten Urſachen mit meinem Cammermaͤd-
gen nicht ſchmaͤhlen darf, und meine andern Leute, die ſchon
bey allen Juden geweſen, ihren Theil bereits empfangen
haben.
Aber moraliſiren iſt gut; nur hole der Kuckuck das Auf-
ſchreiben. Kurz, meine Liebe! ich ergrif den erſten neuen
Allmanach vom kuͤnftigen Jahr, dachte an Harlekin und
ſeinen Gutengroſchen, wollte mich aus Wielands Agathon
erbauen, und war ſo voll von ſchoͤnen Gedanken, Entſchluͤſ-
ſen und Critiken, daß ich es nicht alles aufs Papier ſetzen
kann. Es dauret mich recht; aber recht viel iſt doch auch
nicht dabey verlohren, denn das Reſultat war blos: alle
Dinge muͤſſen doch ihre Grenzen haben; aber das wo?
wo? wo? … hier blieb ich ſtecken? und antwortete mir
wie Herr Euler, als ich ihn einmal bat, mir doch zu ſa-
gen, wie viel Kraft meine Uhrfeder haben muͤſte um richtig
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Für das DTA wurde die „Neue verbesserte und verme… [mehr]
Für das DTA wurde die „Neue verbesserte und vermehrte Auflage“ des 3. Teils von Justus Mösers „Patriotischen Phantasien“ zur Digitalisierung ausgewählt. Sie erschien 1778, also im selben Jahr wie die Erstauflage dieses Bandes, und ist bis S. 260 seitenidentisch mit dieser. Die Abschnitte LX („Gedanken über den westphälischen Leibeigenthum“) bis LXVIII („Gedanken über den Stillestand der Leibeignen“) sind Ergänzungen gegenüber der ersten Auflage.
Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, 1778, S. 15. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien03_1778/29>, abgerufen am 27.07.2024.
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