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Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 4. Berlin, 1786.

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Beherzigung des vorigen Vorschlags.
selten, er kann nur nicht so geschwind bezahlen als der Gläu-
biger wünscht; und dieses ob er bezahlen will und kann,
ist dem Vogte zehnmal besser als dem Richter bekannt.
Jn dem seltnen Falle, da er die Schuld nicht geständig
ist, kann er allemal zum Richter gehn; dieser Weg bleibt
ihm offen, und der Richter kann angewiesen werden, ihm
einen gedruckten Zettel zu geben, worauf der Vogt ein-
halten muß. Wozu ist es also nöthig, sogleich den Rich-
ter, Gerichtsschreiber, Pedellen, Advocaten und Procu-
ratorn zu gebrauchen? hat doch jeder Gutsherr die
Selbstmahnung und Selbstpfandung? hat sie doch der
Vogt auf die Schatzung, der Kirchenprovisor auf die Kir-
chenrenten, der Verpachter in manchen Fällen auf seine
Heuerleute? Warum sollte man sie also nicht in obiger
Maaße jedem Kaufmanne wenigstens in der Vogtey ge-
ben, worin er und sein Schuldner wohnen und bekannt
sind? Was bedarf es hier jenes kostbaren Ceremoniels?

Vormals ehe die letztere Verordnung wegen der Ci-
tirzettel ergieng, wußten die Pedellen und Boten sich
dieses kurzen Mittels ganz gut zu bedienen. Sie stellten
das ganze Gericht allein vor, und handelten gerade so,
wie ich wünschte, daß alle Gläubiger handeln möchten.
Der Misbrauch, welcher jene Verordnung veranlaßt hat,
ist in dem Falle, wo der Gläubiger selbst also handelt,
gar nicht zu befürchten; und die Natur dringt immer
mit Macht auf diesen Weg, wir mögen auch dagegen
anfangen was wir wollen. Die gesunde Vernunft pre-
digt ihn beständig, und es ist Eigensinn, daß wir ihr
nicht endlich folgen. Also, mein Herr, jedem Kaufmann
oder Gläubiger nur gerade zu das Recht eingeräumt, sei-
nem Schuldner einen Citirzettel zuzuschicken; ihm erlaubt
für jeden drey Pfennig in Rechnung zu bringen, und

dann

Beherzigung des vorigen Vorſchlags.
ſelten, er kann nur nicht ſo geſchwind bezahlen als der Glaͤu-
biger wuͤnſcht; und dieſes ob er bezahlen will und kann,
iſt dem Vogte zehnmal beſſer als dem Richter bekannt.
Jn dem ſeltnen Falle, da er die Schuld nicht geſtaͤndig
iſt, kann er allemal zum Richter gehn; dieſer Weg bleibt
ihm offen, und der Richter kann angewieſen werden, ihm
einen gedruckten Zettel zu geben, worauf der Vogt ein-
halten muß. Wozu iſt es alſo noͤthig, ſogleich den Rich-
ter, Gerichtsſchreiber, Pedellen, Advocaten und Procu-
ratorn zu gebrauchen? hat doch jeder Gutsherr die
Selbſtmahnung und Selbſtpfandung? hat ſie doch der
Vogt auf die Schatzung, der Kirchenproviſor auf die Kir-
chenrenten, der Verpachter in manchen Faͤllen auf ſeine
Heuerleute? Warum ſollte man ſie alſo nicht in obiger
Maaße jedem Kaufmanne wenigſtens in der Vogtey ge-
ben, worin er und ſein Schuldner wohnen und bekannt
ſind? Was bedarf es hier jenes koſtbaren Ceremoniels?

Vormals ehe die letztere Verordnung wegen der Ci-
tirzettel ergieng, wußten die Pedellen und Boten ſich
dieſes kurzen Mittels ganz gut zu bedienen. Sie ſtellten
das ganze Gericht allein vor, und handelten gerade ſo,
wie ich wuͤnſchte, daß alle Glaͤubiger handeln moͤchten.
Der Misbrauch, welcher jene Verordnung veranlaßt hat,
iſt in dem Falle, wo der Glaͤubiger ſelbſt alſo handelt,
gar nicht zu befuͤrchten; und die Natur dringt immer
mit Macht auf dieſen Weg, wir moͤgen auch dagegen
anfangen was wir wollen. Die geſunde Vernunft pre-
digt ihn beſtaͤndig, und es iſt Eigenſinn, daß wir ihr
nicht endlich folgen. Alſo, mein Herr, jedem Kaufmann
oder Glaͤubiger nur gerade zu das Recht eingeraͤumt, ſei-
nem Schuldner einen Citirzettel zuzuſchicken; ihm erlaubt
fuͤr jeden drey Pfennig in Rechnung zu bringen, und

dann
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[308/0320] Beherzigung des vorigen Vorſchlags. ſelten, er kann nur nicht ſo geſchwind bezahlen als der Glaͤu- biger wuͤnſcht; und dieſes ob er bezahlen will und kann, iſt dem Vogte zehnmal beſſer als dem Richter bekannt. Jn dem ſeltnen Falle, da er die Schuld nicht geſtaͤndig iſt, kann er allemal zum Richter gehn; dieſer Weg bleibt ihm offen, und der Richter kann angewieſen werden, ihm einen gedruckten Zettel zu geben, worauf der Vogt ein- halten muß. Wozu iſt es alſo noͤthig, ſogleich den Rich- ter, Gerichtsſchreiber, Pedellen, Advocaten und Procu- ratorn zu gebrauchen? hat doch jeder Gutsherr die Selbſtmahnung und Selbſtpfandung? hat ſie doch der Vogt auf die Schatzung, der Kirchenproviſor auf die Kir- chenrenten, der Verpachter in manchen Faͤllen auf ſeine Heuerleute? Warum ſollte man ſie alſo nicht in obiger Maaße jedem Kaufmanne wenigſtens in der Vogtey ge- ben, worin er und ſein Schuldner wohnen und bekannt ſind? Was bedarf es hier jenes koſtbaren Ceremoniels? Vormals ehe die letztere Verordnung wegen der Ci- tirzettel ergieng, wußten die Pedellen und Boten ſich dieſes kurzen Mittels ganz gut zu bedienen. Sie ſtellten das ganze Gericht allein vor, und handelten gerade ſo, wie ich wuͤnſchte, daß alle Glaͤubiger handeln moͤchten. Der Misbrauch, welcher jene Verordnung veranlaßt hat, iſt in dem Falle, wo der Glaͤubiger ſelbſt alſo handelt, gar nicht zu befuͤrchten; und die Natur dringt immer mit Macht auf dieſen Weg, wir moͤgen auch dagegen anfangen was wir wollen. Die geſunde Vernunft pre- digt ihn beſtaͤndig, und es iſt Eigenſinn, daß wir ihr nicht endlich folgen. Alſo, mein Herr, jedem Kaufmann oder Glaͤubiger nur gerade zu das Recht eingeraͤumt, ſei- nem Schuldner einen Citirzettel zuzuſchicken; ihm erlaubt fuͤr jeden drey Pfennig in Rechnung zu bringen, und dann

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Zitationshilfe: Möser, Justus: Patriotische Phantasien. Bd. 4. Berlin, 1786, S. 308. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moeser_phantasien04_1786/320>, abgerufen am 29.04.2024.