die Regierung führen; oder aber kann es nothwendig werden, eine Eintheilung in einen großen und in einen engeren Rath zu machen. In diesem Falle fällt dem letzteren die Vor- bereitung der Geschäfte, die Ueberwachung und die höchste Ver- waltung, vielleicht die Besorgung der geheim zu haltenden Angelegenheiten zu; der vollen Versammlung aber die Gesetz- gebung, die Beschlußnahme in besonders wichtigen Fällen des inneren und des äußeren Staatslebens, endlich wohl auch die Aemterbesetzung.
Theils die Uebung in Staatsgeschäften, theils die Noth- wendigkeit einer politischen Zuverlässigkeit erfordert die Besetzung aller irgend wichtigen Aemter im Staate durch Mitglieder der Geschlechter; kluges Mißtrauen gegen die eigenen Genossen aber macht einen häufigen Wechsel in den Stellen räthlich 4). Falls es für zweckmäßig erachtet wird, zum Vorsitze in der regierenden Versammlung und etwa an die Spitze der Ver- waltungsbehörden einen einzelnen Mann bleibend zu stellen, so kann dies doch nur ein formeller Vorzug sein, eine sichtbare Personifikation der Staatsgewalt; alle wirklichen Regierungs- rechte müssen den Versammlungen der gesammten Berechtigten vorbehalten bleiben. Am wenigsten verträgt sich die Erblichkeit einer solchen Stellung mit der Sicherheit der Geschlechter- herrschaft.
Abgesehen von der staatlichen Stellung und also im Privat- leben ist das einzelne Mitglied der Aristokratie Unterthan und den Gesetzen Gehorsam schuldig. Bevorzugungen auch im Privatrechte sind allerdings nicht unverträglich mit den obersten Grundsätzen; allein ebenso wenig auch die Auflegung besonderer Beschränkungen oder Verbindlichkeiten, falls diese aus allge- meinen Gründen zur Erhaltung des Ansehens oder der Sicher- heit der Aristokratie für nothwendig erachtet werden 5).
Zu eigenthümlichen Grundsätzen hinsichtlich der Rechtsver-
v. Mohl, Encyclopädie. 23
die Regierung führen; oder aber kann es nothwendig werden, eine Eintheilung in einen großen und in einen engeren Rath zu machen. In dieſem Falle fällt dem letzteren die Vor- bereitung der Geſchäfte, die Ueberwachung und die höchſte Ver- waltung, vielleicht die Beſorgung der geheim zu haltenden Angelegenheiten zu; der vollen Verſammlung aber die Geſetz- gebung, die Beſchlußnahme in beſonders wichtigen Fällen des inneren und des äußeren Staatslebens, endlich wohl auch die Aemterbeſetzung.
Theils die Uebung in Staatsgeſchäften, theils die Noth- wendigkeit einer politiſchen Zuverläſſigkeit erfordert die Beſetzung aller irgend wichtigen Aemter im Staate durch Mitglieder der Geſchlechter; kluges Mißtrauen gegen die eigenen Genoſſen aber macht einen häufigen Wechſel in den Stellen räthlich 4). Falls es für zweckmäßig erachtet wird, zum Vorſitze in der regierenden Verſammlung und etwa an die Spitze der Ver- waltungsbehörden einen einzelnen Mann bleibend zu ſtellen, ſo kann dies doch nur ein formeller Vorzug ſein, eine ſichtbare Perſonifikation der Staatsgewalt; alle wirklichen Regierungs- rechte müſſen den Verſammlungen der geſammten Berechtigten vorbehalten bleiben. Am wenigſten verträgt ſich die Erblichkeit einer ſolchen Stellung mit der Sicherheit der Geſchlechter- herrſchaft.
Abgeſehen von der ſtaatlichen Stellung und alſo im Privat- leben iſt das einzelne Mitglied der Ariſtokratie Unterthan und den Geſetzen Gehorſam ſchuldig. Bevorzugungen auch im Privatrechte ſind allerdings nicht unverträglich mit den oberſten Grundſätzen; allein ebenſo wenig auch die Auflegung beſonderer Beſchränkungen oder Verbindlichkeiten, falls dieſe aus allge- meinen Gründen zur Erhaltung des Anſehens oder der Sicher- heit der Ariſtokratie für nothwendig erachtet werden 5).
Zu eigenthümlichen Grundſätzen hinſichtlich der Rechtsver-
v. Mohl, Encyclopädie. 23
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die Regierung führen; oder aber kann es nothwendig werden,
eine Eintheilung in einen großen und in einen engeren
Rath zu machen. In dieſem Falle fällt dem letzteren die Vor-
bereitung der Geſchäfte, die Ueberwachung und die höchſte Ver-
waltung, vielleicht die Beſorgung der geheim zu haltenden
Angelegenheiten zu; der vollen Verſammlung aber die Geſetz-
gebung, die Beſchlußnahme in beſonders wichtigen Fällen des
inneren und des äußeren Staatslebens, endlich wohl auch die
Aemterbeſetzung.
Theils die Uebung in Staatsgeſchäften, theils die Noth-
wendigkeit einer politiſchen Zuverläſſigkeit erfordert die Beſetzung
aller irgend wichtigen Aemter im Staate durch Mitglieder
der Geſchlechter; kluges Mißtrauen gegen die eigenen Genoſſen
aber macht einen häufigen Wechſel in den Stellen räthlich 4).
Falls es für zweckmäßig erachtet wird, zum Vorſitze in der
regierenden Verſammlung und etwa an die Spitze der Ver-
waltungsbehörden einen einzelnen Mann bleibend zu ſtellen, ſo
kann dies doch nur ein formeller Vorzug ſein, eine ſichtbare
Perſonifikation der Staatsgewalt; alle wirklichen Regierungs-
rechte müſſen den Verſammlungen der geſammten Berechtigten
vorbehalten bleiben. Am wenigſten verträgt ſich die Erblichkeit
einer ſolchen Stellung mit der Sicherheit der Geſchlechter-
herrſchaft.
Abgeſehen von der ſtaatlichen Stellung und alſo im Privat-
leben iſt das einzelne Mitglied der Ariſtokratie Unterthan
und den Geſetzen Gehorſam ſchuldig. Bevorzugungen auch im
Privatrechte ſind allerdings nicht unverträglich mit den oberſten
Grundſätzen; allein ebenſo wenig auch die Auflegung beſonderer
Beſchränkungen oder Verbindlichkeiten, falls dieſe aus allge-
meinen Gründen zur Erhaltung des Anſehens oder der Sicher-
heit der Ariſtokratie für nothwendig erachtet werden 5).
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Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859, S. 353. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mohl_staatswissenschaften_1859/367>, abgerufen am 07.05.2024.
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