Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859.

Bild:
<< vorherige Seite

ist Rechtspflicht, weil möglicherweise der Gegner durch diesen
Beweis des jetzt zur Ausführung kommenden ernstlichen Willens
noch im letzten Augenblicke von seinem Unrechte zurücktreten,
dadurch aber den ganzen Krieg und alle für denselben zu bringen-
den Opfer ersparen kann 3).

Da der einzige erlaubte und vernünftige Zweck des Krieges
Vertheidigung des bedrohten Rechtes ist: so ist auch die er-
laubte Dauer
des Krieges durch die Erreichung dieses
Zweckes bedingt. Wenn also die Rechtssicherung vollständig
erreicht ist, muß Frieden geschlossen werden; und eine Weiter-
führung des Krieges, sei es nun aus Rache sei es zur Ge-
winnung von Vortheilen, auf welche kein Rechtsanspruch besteht,
wäre eine selbstständige und schwere Rechtsverletzung. Nur
versteht sich von selbst, daß in der Rechtssicherung nicht blos
die Abtreibung des Angriffes im gegenwärtigen Falle begriffen
ist, sondern auch die Erwerbung einer Sicherstellung gegen
spätere Wiederholung unrechtlichen Gebarens, sowie die Er-
langung einer vollständigen Entschädigung für die Kosten und
Uebel des durch gegnerisches Unrecht aufgenöthigten Krieges. --
Auch die Fortsetzung eines Krieges ist ein Unrecht, wenn durch
die Erfahrung die Unmöglichkeit der Erreichung des Zweckes
erwiesen ist, also die Hoffnung auf eine wirksame Besiegung
des Gegners aufgegeben werden muß. Daß in solchem Falle
der Streitpunkt nicht erledigt ist, macht insoferne keinen Unter-
schied, als er erwiesenermaßen auf diese Weise nicht erledigt
werden kann.

Das Wesen des Krieges besteht in der Bekämpfung und
in der Vernichtung der Vertheidigungsmittel des Gegners durch
Anwendung von Waffengewalt. Was also hierzu dient, ist
erlaubt; und jede Beschädigung des Friedens, welche zur
Brechung seines Widerstandes nichts beiträgt, ist ungerechtfer-
tigt und unter Umständen, namentlich gegen Wehrlose und

iſt Rechtspflicht, weil möglicherweiſe der Gegner durch dieſen
Beweis des jetzt zur Ausführung kommenden ernſtlichen Willens
noch im letzten Augenblicke von ſeinem Unrechte zurücktreten,
dadurch aber den ganzen Krieg und alle für denſelben zu bringen-
den Opfer erſparen kann 3).

Da der einzige erlaubte und vernünftige Zweck des Krieges
Vertheidigung des bedrohten Rechtes iſt: ſo iſt auch die er-
laubte Dauer
des Krieges durch die Erreichung dieſes
Zweckes bedingt. Wenn alſo die Rechtsſicherung vollſtändig
erreicht iſt, muß Frieden geſchloſſen werden; und eine Weiter-
führung des Krieges, ſei es nun aus Rache ſei es zur Ge-
winnung von Vortheilen, auf welche kein Rechtsanſpruch beſteht,
wäre eine ſelbſtſtändige und ſchwere Rechtsverletzung. Nur
verſteht ſich von ſelbſt, daß in der Rechtsſicherung nicht blos
die Abtreibung des Angriffes im gegenwärtigen Falle begriffen
iſt, ſondern auch die Erwerbung einer Sicherſtellung gegen
ſpätere Wiederholung unrechtlichen Gebarens, ſowie die Er-
langung einer vollſtändigen Entſchädigung für die Koſten und
Uebel des durch gegneriſches Unrecht aufgenöthigten Krieges. —
Auch die Fortſetzung eines Krieges iſt ein Unrecht, wenn durch
die Erfahrung die Unmöglichkeit der Erreichung des Zweckes
erwieſen iſt, alſo die Hoffnung auf eine wirkſame Beſiegung
des Gegners aufgegeben werden muß. Daß in ſolchem Falle
der Streitpunkt nicht erledigt iſt, macht inſoferne keinen Unter-
ſchied, als er erwieſenermaßen auf dieſe Weiſe nicht erledigt
werden kann.

Das Weſen des Krieges beſteht in der Bekämpfung und
in der Vernichtung der Vertheidigungsmittel des Gegners durch
Anwendung von Waffengewalt. Was alſo hierzu dient, iſt
erlaubt; und jede Beſchädigung des Friedens, welche zur
Brechung ſeines Widerſtandes nichts beiträgt, iſt ungerechtfer-
tigt und unter Umſtänden, namentlich gegen Wehrloſe und

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <div n="6">
                  <div n="7">
                    <div n="8">
                      <p><pb facs="#f0469" n="455"/>
i&#x017F;t Rechtspflicht, weil möglicherwei&#x017F;e der Gegner durch die&#x017F;en<lb/>
Beweis des jetzt zur Ausführung kommenden ern&#x017F;tlichen Willens<lb/>
noch im letzten Augenblicke von &#x017F;einem Unrechte zurücktreten,<lb/>
dadurch aber den ganzen Krieg und alle für den&#x017F;elben zu bringen-<lb/>
den Opfer er&#x017F;paren kann <hi rendition="#sup">3</hi>).</p><lb/>
                      <p>Da der einzige erlaubte und vernünftige Zweck des Krieges<lb/>
Vertheidigung des bedrohten Rechtes i&#x017F;t: &#x017F;o i&#x017F;t auch die <hi rendition="#g">er-<lb/>
laubte Dauer</hi> des Krieges durch die Erreichung die&#x017F;es<lb/>
Zweckes bedingt. Wenn al&#x017F;o die Rechts&#x017F;icherung voll&#x017F;tändig<lb/>
erreicht i&#x017F;t, muß Frieden ge&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en werden; und eine Weiter-<lb/>
führung des Krieges, &#x017F;ei es nun aus Rache &#x017F;ei es zur Ge-<lb/>
winnung von Vortheilen, auf welche kein Rechtsan&#x017F;pruch be&#x017F;teht,<lb/>
wäre eine &#x017F;elb&#x017F;t&#x017F;tändige und &#x017F;chwere Rechtsverletzung. Nur<lb/>
ver&#x017F;teht &#x017F;ich von &#x017F;elb&#x017F;t, daß in der Rechts&#x017F;icherung nicht blos<lb/>
die Abtreibung des Angriffes im gegenwärtigen Falle begriffen<lb/>
i&#x017F;t, &#x017F;ondern auch die Erwerbung einer Sicher&#x017F;tellung gegen<lb/>
&#x017F;pätere Wiederholung unrechtlichen Gebarens, &#x017F;owie die Er-<lb/>
langung einer voll&#x017F;tändigen Ent&#x017F;chädigung für die Ko&#x017F;ten und<lb/>
Uebel des durch gegneri&#x017F;ches Unrecht aufgenöthigten Krieges. &#x2014;<lb/>
Auch die Fort&#x017F;etzung eines Krieges i&#x017F;t ein Unrecht, wenn durch<lb/>
die Erfahrung die Unmöglichkeit der Erreichung des Zweckes<lb/>
erwie&#x017F;en i&#x017F;t, al&#x017F;o die Hoffnung auf eine wirk&#x017F;ame Be&#x017F;iegung<lb/>
des Gegners aufgegeben werden muß. Daß in &#x017F;olchem Falle<lb/>
der Streitpunkt nicht erledigt i&#x017F;t, macht in&#x017F;oferne keinen Unter-<lb/>
&#x017F;chied, als er erwie&#x017F;enermaßen auf die&#x017F;e Wei&#x017F;e nicht erledigt<lb/>
werden kann.</p><lb/>
                      <p>Das We&#x017F;en des Krieges be&#x017F;teht in der Bekämpfung und<lb/>
in der Vernichtung der Vertheidigungsmittel des Gegners durch<lb/>
Anwendung von Waffengewalt. Was al&#x017F;o hierzu dient, i&#x017F;t<lb/>
erlaubt; und jede Be&#x017F;chädigung des Friedens, welche zur<lb/>
Brechung &#x017F;eines Wider&#x017F;tandes nichts beiträgt, i&#x017F;t ungerechtfer-<lb/>
tigt und unter Um&#x017F;tänden, namentlich gegen Wehrlo&#x017F;e und<lb/></p>
                    </div>
                  </div>
                </div>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[455/0469] iſt Rechtspflicht, weil möglicherweiſe der Gegner durch dieſen Beweis des jetzt zur Ausführung kommenden ernſtlichen Willens noch im letzten Augenblicke von ſeinem Unrechte zurücktreten, dadurch aber den ganzen Krieg und alle für denſelben zu bringen- den Opfer erſparen kann 3). Da der einzige erlaubte und vernünftige Zweck des Krieges Vertheidigung des bedrohten Rechtes iſt: ſo iſt auch die er- laubte Dauer des Krieges durch die Erreichung dieſes Zweckes bedingt. Wenn alſo die Rechtsſicherung vollſtändig erreicht iſt, muß Frieden geſchloſſen werden; und eine Weiter- führung des Krieges, ſei es nun aus Rache ſei es zur Ge- winnung von Vortheilen, auf welche kein Rechtsanſpruch beſteht, wäre eine ſelbſtſtändige und ſchwere Rechtsverletzung. Nur verſteht ſich von ſelbſt, daß in der Rechtsſicherung nicht blos die Abtreibung des Angriffes im gegenwärtigen Falle begriffen iſt, ſondern auch die Erwerbung einer Sicherſtellung gegen ſpätere Wiederholung unrechtlichen Gebarens, ſowie die Er- langung einer vollſtändigen Entſchädigung für die Koſten und Uebel des durch gegneriſches Unrecht aufgenöthigten Krieges. — Auch die Fortſetzung eines Krieges iſt ein Unrecht, wenn durch die Erfahrung die Unmöglichkeit der Erreichung des Zweckes erwieſen iſt, alſo die Hoffnung auf eine wirkſame Beſiegung des Gegners aufgegeben werden muß. Daß in ſolchem Falle der Streitpunkt nicht erledigt iſt, macht inſoferne keinen Unter- ſchied, als er erwieſenermaßen auf dieſe Weiſe nicht erledigt werden kann. Das Weſen des Krieges beſteht in der Bekämpfung und in der Vernichtung der Vertheidigungsmittel des Gegners durch Anwendung von Waffengewalt. Was alſo hierzu dient, iſt erlaubt; und jede Beſchädigung des Friedens, welche zur Brechung ſeines Widerſtandes nichts beiträgt, iſt ungerechtfer- tigt und unter Umſtänden, namentlich gegen Wehrloſe und

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/mohl_staatswissenschaften_1859
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/mohl_staatswissenschaften_1859/469
Zitationshilfe: Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859, S. 455. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mohl_staatswissenschaften_1859/469>, abgerufen am 08.05.2024.