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Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859.

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und die Wirksamkeit der Staaten, namentlich ob ihre Rechts-
beständigkeit im Allgemeinen und die Rechtmäßigkeit ihrer
Handlungen dadurch berührt werde?

Allerdings hängt das Wesen eines menschlichen Zustandes
und die Wirkung desselben für die Betheiligten nicht in jeder
Beziehung von der rechtlichen Form seiner Entstehung ab. Es
kann ein Verhältniß auf eine Weise ins Leben treten, welche
vom Standpunkte des Rechtes aus nicht vertheidigt werden
kann, und doch mag es Nutzen stiften; und umgekehrt ist es
möglich, daß sich gegen die Entstehung einer Anstalt oder eines
sonstigen menschlichen Zustandes rechtlich gar nichts einwenden
läßt, und daß doch dieselben ihren Zweck verfehlen oder sonst
zu Klagen Veranlassung geben. Allein richtig ist es doch immer,
daß sowohl eine rechtlich unanfechtbare Fortdauer als eine
Rechtsbeständigkeit der einzelnen Handlungen bedingt ist durch
einen rechtlichen Ursprung, indem wer gar nicht das Recht
hat vorhanden zu sein, auch das Recht nicht in Anspruch
nehmen kann fortzubestehen, und daß, wer nicht rechtlich existirt,
auch keine rechtlichen Wirkungen erzeugen kann. Selbst ein
nützlicher Zustand ist somit durch einen ursprünglichen Fehler
in der Entstehung auf eine gefährliche Weise in Frage gestellt
und kann nur durch sehr günstige anderweitige Eigenschaften
Verzeihung finden. Auch hängt die Beantwortung der Frage,
auf welche Weise ein bestehender Zustand gültig abgeändert
werden könne, in mannchfachen Beziehungen mit der Art der
Entstehung zusammen, indem ein schwächeres Recht, als welches
den ursprüngliche Zustand erzeugte, eine gültige Veränderung
mit demselben nicht vornehmen kann.

So denn nun auch im Staate; und es ist in der That
die Frage nach dem zureichenden Rechtsgrunde seines Entstehens
von großer Bedeutung. Der Inhalt seiner Leistungen ist
freilich durch die Art seiner Begründung nicht nothwendig

und die Wirkſamkeit der Staaten, namentlich ob ihre Rechts-
beſtändigkeit im Allgemeinen und die Rechtmäßigkeit ihrer
Handlungen dadurch berührt werde?

Allerdings hängt das Weſen eines menſchlichen Zuſtandes
und die Wirkung desſelben für die Betheiligten nicht in jeder
Beziehung von der rechtlichen Form ſeiner Entſtehung ab. Es
kann ein Verhältniß auf eine Weiſe ins Leben treten, welche
vom Standpunkte des Rechtes aus nicht vertheidigt werden
kann, und doch mag es Nutzen ſtiften; und umgekehrt iſt es
möglich, daß ſich gegen die Entſtehung einer Anſtalt oder eines
ſonſtigen menſchlichen Zuſtandes rechtlich gar nichts einwenden
läßt, und daß doch dieſelben ihren Zweck verfehlen oder ſonſt
zu Klagen Veranlaſſung geben. Allein richtig iſt es doch immer,
daß ſowohl eine rechtlich unanfechtbare Fortdauer als eine
Rechtsbeſtändigkeit der einzelnen Handlungen bedingt iſt durch
einen rechtlichen Urſprung, indem wer gar nicht das Recht
hat vorhanden zu ſein, auch das Recht nicht in Anſpruch
nehmen kann fortzubeſtehen, und daß, wer nicht rechtlich exiſtirt,
auch keine rechtlichen Wirkungen erzeugen kann. Selbſt ein
nützlicher Zuſtand iſt ſomit durch einen urſprünglichen Fehler
in der Entſtehung auf eine gefährliche Weiſe in Frage geſtellt
und kann nur durch ſehr günſtige anderweitige Eigenſchaften
Verzeihung finden. Auch hängt die Beantwortung der Frage,
auf welche Weiſe ein beſtehender Zuſtand gültig abgeändert
werden könne, in mannchfachen Beziehungen mit der Art der
Entſtehung zuſammen, indem ein ſchwächeres Recht, als welches
den urſprüngliche Zuſtand erzeugte, eine gültige Veränderung
mit demſelben nicht vornehmen kann.

So denn nun auch im Staate; und es iſt in der That
die Frage nach dem zureichenden Rechtsgrunde ſeines Entſtehens
von großer Bedeutung. Der Inhalt ſeiner Leiſtungen iſt
freilich durch die Art ſeiner Begründung nicht nothwendig

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[85/0099] und die Wirkſamkeit der Staaten, namentlich ob ihre Rechts- beſtändigkeit im Allgemeinen und die Rechtmäßigkeit ihrer Handlungen dadurch berührt werde? Allerdings hängt das Weſen eines menſchlichen Zuſtandes und die Wirkung desſelben für die Betheiligten nicht in jeder Beziehung von der rechtlichen Form ſeiner Entſtehung ab. Es kann ein Verhältniß auf eine Weiſe ins Leben treten, welche vom Standpunkte des Rechtes aus nicht vertheidigt werden kann, und doch mag es Nutzen ſtiften; und umgekehrt iſt es möglich, daß ſich gegen die Entſtehung einer Anſtalt oder eines ſonſtigen menſchlichen Zuſtandes rechtlich gar nichts einwenden läßt, und daß doch dieſelben ihren Zweck verfehlen oder ſonſt zu Klagen Veranlaſſung geben. Allein richtig iſt es doch immer, daß ſowohl eine rechtlich unanfechtbare Fortdauer als eine Rechtsbeſtändigkeit der einzelnen Handlungen bedingt iſt durch einen rechtlichen Urſprung, indem wer gar nicht das Recht hat vorhanden zu ſein, auch das Recht nicht in Anſpruch nehmen kann fortzubeſtehen, und daß, wer nicht rechtlich exiſtirt, auch keine rechtlichen Wirkungen erzeugen kann. Selbſt ein nützlicher Zuſtand iſt ſomit durch einen urſprünglichen Fehler in der Entſtehung auf eine gefährliche Weiſe in Frage geſtellt und kann nur durch ſehr günſtige anderweitige Eigenſchaften Verzeihung finden. Auch hängt die Beantwortung der Frage, auf welche Weiſe ein beſtehender Zuſtand gültig abgeändert werden könne, in mannchfachen Beziehungen mit der Art der Entſtehung zuſammen, indem ein ſchwächeres Recht, als welches den urſprüngliche Zuſtand erzeugte, eine gültige Veränderung mit demſelben nicht vornehmen kann. So denn nun auch im Staate; und es iſt in der That die Frage nach dem zureichenden Rechtsgrunde ſeines Entſtehens von großer Bedeutung. Der Inhalt ſeiner Leiſtungen iſt freilich durch die Art ſeiner Begründung nicht nothwendig

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Zitationshilfe: Mohl, Robert von: Encyklopädie der Staatswissenschaften. Tübingen, 1859, S. 85. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mohl_staatswissenschaften_1859/99>, abgerufen am 29.04.2024.