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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854.

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ZWEITES BUCH. KAPITEL V.
die Errichtung zweier neuer Bürgerbezirke (422) zusammen-
hängt. Velitrae's Mauern wurden niedergerissen, der Senat
in Masse ausgewiesen und im römischen Etrurien internirt,
die Stadt wahrscheinlich als unterthänige Gemeinde nach cae-
ritischem Recht constituirt. Den übrigen latinischen Städten
wurden die Gebiete geschmälert und die gewonnenen Aecker
an römische Bürger vertheilt (414). Das Sonderbündniss Roms
mit einer jeden einzelnen Stadt ward erneuert, wenn gleich
unter nachtheiligeren Bedingungen -- namentlich wurde ihnen
der Anspruch auf einen Beutetheil entzogen --; der Bund selbst
aber in seiner Gesammtheit nicht wiederhergestellt. Die neuen
Colonien Antium (416) und Tarracina (425), die nicht als
selbstständige Staaten latinischen Rechts, sondern als römische
Bürgergemeinden gegründet wurden, sicherten den Besitz der
Landschaft und schlossen vor allem die Latiner vom Meere
aus, über das Rom mit kluger Eifersucht wachte. Keine ab-
hängige Gemeinde, nicht einmal die Bürgercolonien durften
Kriegsschiffe halten; die Schnäbel der antiatischen Galeeren
führte man nach Rom die Rednerbühne auf dem Markt damit
zu schmücken. -- In gleicher Weise, wenn auch in andern
Formen ward in dem südlichen volskischen und dem campa-
nischen Gebiet die römische Herrschaft durchgeführt und be-
festigt. Capua, Kyme, Fundi, Formiae und eine Anzahl klei-
nerer Städte wurden abhängige römische Gemeinden caeriti-
schen Rechts; ebenso Privernum, dessen Bürger, unterstützt
von dem kühnen fundanischen Parteigänger Vitruvius Vaccus
die Ehre hatten für die latinische Freiheit den letzten Kampf
zu kämpfen -- er endigte mit der Erstürmung der Stadt
(425) und der Hinrichtung des Vaccus im römischen Kerker.
Das wichtige Capua zu sichern nährte man die Spaltung zwi-
schen dem Adel und der Gemeinde; jener erhielt in jeder
Hinsicht eine Sonderstellung, einen eigenen Gerichtsstand,
eigene Versammlungsplätze, ja die Anweisung beträchtlicher
Pensionen -- sechzehnhundert je von jährlich 450 Drachmen
-- auf die campanische Gemeindekasse. Die Verfassung ward
einige Jahre später (436) im römischen Interesse revidirt und
ein ständiger Commissar von Rom dorthin abgeordnet. End-
lich und hauptsächlich war man darauf bedacht auch eine
eigene römische Bevölkerung in diesen Gegenden emporzu-
bringen, wesshalb man von den im Krieg gewonnenen Län-
dereien namentlich im privernatischen und im falernischen
Gebiet so zahlreiche Ackerloose an römische Bürger austheilte,

ZWEITES BUCH. KAPITEL V.
die Errichtung zweier neuer Bürgerbezirke (422) zusammen-
hängt. Velitrae's Mauern wurden niedergerissen, der Senat
in Masse ausgewiesen und im römischen Etrurien internirt,
die Stadt wahrscheinlich als unterthänige Gemeinde nach cae-
ritischem Recht constituirt. Den übrigen latinischen Städten
wurden die Gebiete geschmälert und die gewonnenen Aecker
an römische Bürger vertheilt (414). Das Sonderbündniſs Roms
mit einer jeden einzelnen Stadt ward erneuert, wenn gleich
unter nachtheiligeren Bedingungen — namentlich wurde ihnen
der Anspruch auf einen Beutetheil entzogen —; der Bund selbst
aber in seiner Gesammtheit nicht wiederhergestellt. Die neuen
Colonien Antium (416) und Tarracina (425), die nicht als
selbstständige Staaten latinischen Rechts, sondern als römische
Bürgergemeinden gegründet wurden, sicherten den Besitz der
Landschaft und schlossen vor allem die Latiner vom Meere
aus, über das Rom mit kluger Eifersucht wachte. Keine ab-
hängige Gemeinde, nicht einmal die Bürgercolonien durften
Kriegsschiffe halten; die Schnäbel der antiatischen Galeeren
führte man nach Rom die Rednerbühne auf dem Markt damit
zu schmücken. — In gleicher Weise, wenn auch in andern
Formen ward in dem südlichen volskischen und dem campa-
nischen Gebiet die römische Herrschaft durchgeführt und be-
festigt. Capua, Kyme, Fundi, Formiae und eine Anzahl klei-
nerer Städte wurden abhängige römische Gemeinden caeriti-
schen Rechts; ebenso Privernum, dessen Bürger, unterstützt
von dem kühnen fundanischen Parteigänger Vitruvius Vaccus
die Ehre hatten für die latinische Freiheit den letzten Kampf
zu kämpfen — er endigte mit der Erstürmung der Stadt
(425) und der Hinrichtung des Vaccus im römischen Kerker.
Das wichtige Capua zu sichern nährte man die Spaltung zwi-
schen dem Adel und der Gemeinde; jener erhielt in jeder
Hinsicht eine Sonderstellung, einen eigenen Gerichtsstand,
eigene Versammlungsplätze, ja die Anweisung beträchtlicher
Pensionen — sechzehnhundert je von jährlich 450 Drachmen
— auf die campanische Gemeindekasse. Die Verfassung ward
einige Jahre später (436) im römischen Interesse revidirt und
ein ständiger Commissar von Rom dorthin abgeordnet. End-
lich und hauptsächlich war man darauf bedacht auch eine
eigene römische Bevölkerung in diesen Gegenden emporzu-
bringen, weſshalb man von den im Krieg gewonnenen Län-
dereien namentlich im privernatischen und im falernischen
Gebiet so zahlreiche Ackerloose an römische Bürger austheilte,

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[230/0244] ZWEITES BUCH. KAPITEL V. die Errichtung zweier neuer Bürgerbezirke (422) zusammen- hängt. Velitrae's Mauern wurden niedergerissen, der Senat in Masse ausgewiesen und im römischen Etrurien internirt, die Stadt wahrscheinlich als unterthänige Gemeinde nach cae- ritischem Recht constituirt. Den übrigen latinischen Städten wurden die Gebiete geschmälert und die gewonnenen Aecker an römische Bürger vertheilt (414). Das Sonderbündniſs Roms mit einer jeden einzelnen Stadt ward erneuert, wenn gleich unter nachtheiligeren Bedingungen — namentlich wurde ihnen der Anspruch auf einen Beutetheil entzogen —; der Bund selbst aber in seiner Gesammtheit nicht wiederhergestellt. Die neuen Colonien Antium (416) und Tarracina (425), die nicht als selbstständige Staaten latinischen Rechts, sondern als römische Bürgergemeinden gegründet wurden, sicherten den Besitz der Landschaft und schlossen vor allem die Latiner vom Meere aus, über das Rom mit kluger Eifersucht wachte. Keine ab- hängige Gemeinde, nicht einmal die Bürgercolonien durften Kriegsschiffe halten; die Schnäbel der antiatischen Galeeren führte man nach Rom die Rednerbühne auf dem Markt damit zu schmücken. — In gleicher Weise, wenn auch in andern Formen ward in dem südlichen volskischen und dem campa- nischen Gebiet die römische Herrschaft durchgeführt und be- festigt. Capua, Kyme, Fundi, Formiae und eine Anzahl klei- nerer Städte wurden abhängige römische Gemeinden caeriti- schen Rechts; ebenso Privernum, dessen Bürger, unterstützt von dem kühnen fundanischen Parteigänger Vitruvius Vaccus die Ehre hatten für die latinische Freiheit den letzten Kampf zu kämpfen — er endigte mit der Erstürmung der Stadt (425) und der Hinrichtung des Vaccus im römischen Kerker. Das wichtige Capua zu sichern nährte man die Spaltung zwi- schen dem Adel und der Gemeinde; jener erhielt in jeder Hinsicht eine Sonderstellung, einen eigenen Gerichtsstand, eigene Versammlungsplätze, ja die Anweisung beträchtlicher Pensionen — sechzehnhundert je von jährlich 450 Drachmen — auf die campanische Gemeindekasse. Die Verfassung ward einige Jahre später (436) im römischen Interesse revidirt und ein ständiger Commissar von Rom dorthin abgeordnet. End- lich und hauptsächlich war man darauf bedacht auch eine eigene römische Bevölkerung in diesen Gegenden emporzu- bringen, weſshalb man von den im Krieg gewonnenen Län- dereien namentlich im privernatischen und im falernischen Gebiet so zahlreiche Ackerloose an römische Bürger austheilte,

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854, S. 230. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische01_1854/244>, abgerufen am 29.04.2024.