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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854.

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HANNIBALISCHER KRIEG.
den Kampfspielen, die jetzt die Hellenen unter sich aufführ-
ten, demnächst vorbei sein; seine ernste Mahnung nach Westen
die Blicke zu richten und nicht zuzulassen, dass eine stärkere
Macht allen Parteien den Frieden des gleichen Joches bringe
-- diese Reden hatten wesentlich dazu beigetragen den Frie-
den zwischen Philippos und den Aetolern herbeizuführen (537)
und für dessen Tendenz bezeichnend war es, dass der aetolische
Bund sofort eben den Agelaos zu seinem Strategen ernannte. Der
nationale Patriotismus regte sich in Griechenland wie in Kar-
thago; einen Augenblick schien es möglich einen hellenischen
Volkskrieg gegen Rom zu entfachen. Allein der Feldherr eines
solchen Heerzugs konnte nur Philippos von Makedonien sein
und ihm fehlte die Begeisterung und der Glaube an die Na-
tion, womit ein solcher Krieg allein geführt werden konnte.
Er verstand die schwierige Aufgabe nicht sich aus dem Unter-
drücker in den Vorfechter Griechenlands umzuwandeln. Schon
sein Zaudern bei dem Abschluss des Bündnisses mit Hannibal
verdarb den ersten und besten Eifer der griechischen Patrioten
und die Art der Kriegführung war noch weniger geeignet Sym-
pathie und Zuversicht zu erwecken. Gleich der erste Versuch,
der schon im Jahre der cannensischen Schlacht (538) gemacht
ward sich der Stadt Apollonia zu bemächtigen, scheiterte in
einer fast lächerlichen Weise, indem Philippos schleunigst um-
kehrte auf das gänzlich unbegründete Gerücht, dass eine rö-
mische Flotte in das adriatische Meer steuere. Dies geschah
noch ehe es zum förmlichen Bruch mit Rom kam; als dieser
endlich erfolgt war, erwartete Freund und Feind eine makedo-
sche Landung in Unteritalien. Seit 539 standen bei Brundisium
eine römische Flotte und ein römisches Heer um derselben zu
begegnen; Philippos, der ohne Kriegsschiffe war, zimmerte an
einer Flotille von leichten illyrischen Barken um sein Heer
hinüberzuführen. Allein als es Ernst werden sollte, entsank
ihm der Muth den gefürchteten Fünfdeckern zur See zu be-
gegnen; er brach das seinem Bundesgenossen Hannibal gege-
bene Versprechen einen Landungsversuch zu machen und um
doch etwas zu thun, entschloss er sich auf seinen Theil der
Beute, die römischen Besitzungen in Epeiros einen Angriff zu
machen (540). Im besten Falle wäre dabei nichts herausge-
kommen; allein die Römer, die wohl wussten, dass die offen-
sive Deckung vorzüglicher ist als die defensive, begnügten sich
keineswegs, wie Philippos gehofft haben mochte, dem Angriff
vom andern Ufer her zuzusehen. Die römische Flotte führte

HANNIBALISCHER KRIEG.
den Kampfspielen, die jetzt die Hellenen unter sich aufführ-
ten, demnächst vorbei sein; seine ernste Mahnung nach Westen
die Blicke zu richten und nicht zuzulassen, daſs eine stärkere
Macht allen Parteien den Frieden des gleichen Joches bringe
— diese Reden hatten wesentlich dazu beigetragen den Frie-
den zwischen Philippos und den Aetolern herbeizuführen (537)
und für dessen Tendenz bezeichnend war es, daſs der aetolische
Bund sofort eben den Agelaos zu seinem Strategen ernannte. Der
nationale Patriotismus regte sich in Griechenland wie in Kar-
thago; einen Augenblick schien es möglich einen hellenischen
Volkskrieg gegen Rom zu entfachen. Allein der Feldherr eines
solchen Heerzugs konnte nur Philippos von Makedonien sein
und ihm fehlte die Begeisterung und der Glaube an die Na-
tion, womit ein solcher Krieg allein geführt werden konnte.
Er verstand die schwierige Aufgabe nicht sich aus dem Unter-
drücker in den Vorfechter Griechenlands umzuwandeln. Schon
sein Zaudern bei dem Abschluſs des Bündnisses mit Hannibal
verdarb den ersten und besten Eifer der griechischen Patrioten
und die Art der Kriegführung war noch weniger geeignet Sym-
pathie und Zuversicht zu erwecken. Gleich der erste Versuch,
der schon im Jahre der cannensischen Schlacht (538) gemacht
ward sich der Stadt Apollonia zu bemächtigen, scheiterte in
einer fast lächerlichen Weise, indem Philippos schleunigst um-
kehrte auf das gänzlich unbegründete Gerücht, daſs eine rö-
mische Flotte in das adriatische Meer steuere. Dies geschah
noch ehe es zum förmlichen Bruch mit Rom kam; als dieser
endlich erfolgt war, erwartete Freund und Feind eine makedo-
sche Landung in Unteritalien. Seit 539 standen bei Brundisium
eine römische Flotte und ein römisches Heer um derselben zu
begegnen; Philippos, der ohne Kriegsschiffe war, zimmerte an
einer Flotille von leichten illyrischen Barken um sein Heer
hinüberzuführen. Allein als es Ernst werden sollte, entsank
ihm der Muth den gefürchteten Fünfdeckern zur See zu be-
gegnen; er brach das seinem Bundesgenossen Hannibal gege-
bene Versprechen einen Landungsversuch zu machen und um
doch etwas zu thun, entschloſs er sich auf seinen Theil der
Beute, die römischen Besitzungen in Epeiros einen Angriff zu
machen (540). Im besten Falle wäre dabei nichts herausge-
kommen; allein die Römer, die wohl wuſsten, daſs die offen-
sive Deckung vorzüglicher ist als die defensive, begnügten sich
keineswegs, wie Philippos gehofft haben mochte, dem Angriff
vom andern Ufer her zuzusehen. Die römische Flotte führte

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[443/0457] HANNIBALISCHER KRIEG. den Kampfspielen, die jetzt die Hellenen unter sich aufführ- ten, demnächst vorbei sein; seine ernste Mahnung nach Westen die Blicke zu richten und nicht zuzulassen, daſs eine stärkere Macht allen Parteien den Frieden des gleichen Joches bringe — diese Reden hatten wesentlich dazu beigetragen den Frie- den zwischen Philippos und den Aetolern herbeizuführen (537) und für dessen Tendenz bezeichnend war es, daſs der aetolische Bund sofort eben den Agelaos zu seinem Strategen ernannte. Der nationale Patriotismus regte sich in Griechenland wie in Kar- thago; einen Augenblick schien es möglich einen hellenischen Volkskrieg gegen Rom zu entfachen. Allein der Feldherr eines solchen Heerzugs konnte nur Philippos von Makedonien sein und ihm fehlte die Begeisterung und der Glaube an die Na- tion, womit ein solcher Krieg allein geführt werden konnte. Er verstand die schwierige Aufgabe nicht sich aus dem Unter- drücker in den Vorfechter Griechenlands umzuwandeln. Schon sein Zaudern bei dem Abschluſs des Bündnisses mit Hannibal verdarb den ersten und besten Eifer der griechischen Patrioten und die Art der Kriegführung war noch weniger geeignet Sym- pathie und Zuversicht zu erwecken. Gleich der erste Versuch, der schon im Jahre der cannensischen Schlacht (538) gemacht ward sich der Stadt Apollonia zu bemächtigen, scheiterte in einer fast lächerlichen Weise, indem Philippos schleunigst um- kehrte auf das gänzlich unbegründete Gerücht, daſs eine rö- mische Flotte in das adriatische Meer steuere. Dies geschah noch ehe es zum förmlichen Bruch mit Rom kam; als dieser endlich erfolgt war, erwartete Freund und Feind eine makedo- sche Landung in Unteritalien. Seit 539 standen bei Brundisium eine römische Flotte und ein römisches Heer um derselben zu begegnen; Philippos, der ohne Kriegsschiffe war, zimmerte an einer Flotille von leichten illyrischen Barken um sein Heer hinüberzuführen. Allein als es Ernst werden sollte, entsank ihm der Muth den gefürchteten Fünfdeckern zur See zu be- gegnen; er brach das seinem Bundesgenossen Hannibal gege- bene Versprechen einen Landungsversuch zu machen und um doch etwas zu thun, entschloſs er sich auf seinen Theil der Beute, die römischen Besitzungen in Epeiros einen Angriff zu machen (540). Im besten Falle wäre dabei nichts herausge- kommen; allein die Römer, die wohl wuſsten, daſs die offen- sive Deckung vorzüglicher ist als die defensive, begnügten sich keineswegs, wie Philippos gehofft haben mochte, dem Angriff vom andern Ufer her zuzusehen. Die römische Flotte führte

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 1: Bis zur Schlacht von Pydna. Leipzig, 1854, S. 443. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische01_1854/457>, abgerufen am 21.05.2024.