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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 2: Von der Schlacht bei Pydna bis auf Sullas Tod. Leipzig, 1855.

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DIE RESTAURATIONSHERRSCHAFT.
nahm die Schlacht an, die Lucullus anbot; allein die bessere mi-
litärische Organisation gab den Römern den Sieg: Athenion
blieb für todt auf der Wahlstatt, Tryphon musste sich in die
Bergfestung Triokala werfen, die Insurgenten beriethen ernst-
lich, ob es möglich sei den Kampf länger fortzusetzen. In-
dess die Partei, die entschlossen war auszuharren bis auf den
letzten Mann, behielt die Oberhand; Athenion, der in wunder-
barer Weise gerettet worden war, trat wieder unter die Seini-
gen und belebte den gesunkenen Muth; vor allem aber that Lu-
cullus unbegreiflicher Weise nicht das Geringste um seinen Sieg
zu verfolgen, ja er soll absichtlich die Armee desorganisirt und
sein Feldgeräth verbrannt haben, um die gänzliche Erfolglosig-
keit seiner Amtsführung zu bedecken und von seinem Nachfolger
nicht in Schatten gestellt zu werden. Mag dies wahr sein oder
nicht, sein Nachfolger Gaius Servilius (652) erlangte nicht bes-
sere Resultate und beide Generale sind später ihrer Amtsführung
wegen criminell belangt und verurtheilt worden, was freilich auch
durchaus kein sicherer Beweis für ihre Schuld ist. Athenion,
der nach Tryphons Tode (652) den Oberbefehl allein übernom-
men hatte, stand siegreich an der Spitze eines ansehnlichen Hee-
res, als im J. 653 Manius Aquillius, der das Jahr zuvor unter
Marius im Teutonenkrieg sich ausgezeichnet hatte, als Consul
und Statthalter die Führung des Krieges übernahm. Nach zwei-
jährigen harten Kämpfen -- der römische Feldherr soll mit
Athenion persönlich gefochten und ihn im Zweikampf getödtet
haben -- schlug dieser endlich die verzweifelte Gegenwehr nie-
der und überwand die Insurgenten in ihren letzten Schlupfwin-
keln durch Hunger. Den Sclaven auf der Insel wurde das
Waffentragen untersagt und der Friede zog wieder auf ihr ein,
das heisst die neuen Peiniger wurden abgelöst von den bisheri-
gen; wie denn namentlich der Sieger selbst unter den zahlreichen
und energischen Räuberbeamten dieser Zeit eine hervorragende
Stelle einnimmt. Für wen es aber noch eines Beweises bedurfte,
wie das Regiment der restaurirten Aristokratie im Innern be-
schaffen war, den konnte man auf die Entstehung wie auf die
Führung dieses zweiten fünfjährigen sicilischen Sclavenkrieges
verweisen.

Wo man aber auch hinsehen mochte in dem weiten Kreis
der römischen Verwaltung, es traten dieselben Ursachen und
dieselben Wirkungen hervor. Wenn der sicilische Sclavenkrieg
zeigt, wie wenig die Regierung auch nur der einfachsten Auf-
gabe das Proletariat niederzuhalten gewachsen war, so offen-

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DIE RESTAURATIONSHERRSCHAFT.
nahm die Schlacht an, die Lucullus anbot; allein die bessere mi-
litärische Organisation gab den Römern den Sieg: Athenion
blieb für todt auf der Wahlstatt, Tryphon muſste sich in die
Bergfestung Triokala werfen, die Insurgenten beriethen ernst-
lich, ob es möglich sei den Kampf länger fortzusetzen. In-
deſs die Partei, die entschlossen war auszuharren bis auf den
letzten Mann, behielt die Oberhand; Athenion, der in wunder-
barer Weise gerettet worden war, trat wieder unter die Seini-
gen und belebte den gesunkenen Muth; vor allem aber that Lu-
cullus unbegreiflicher Weise nicht das Geringste um seinen Sieg
zu verfolgen, ja er soll absichtlich die Armee desorganisirt und
sein Feldgeräth verbrannt haben, um die gänzliche Erfolglosig-
keit seiner Amtsführung zu bedecken und von seinem Nachfolger
nicht in Schatten gestellt zu werden. Mag dies wahr sein oder
nicht, sein Nachfolger Gaius Servilius (652) erlangte nicht bes-
sere Resultate und beide Generale sind später ihrer Amtsführung
wegen criminell belangt und verurtheilt worden, was freilich auch
durchaus kein sicherer Beweis für ihre Schuld ist. Athenion,
der nach Tryphons Tode (652) den Oberbefehl allein übernom-
men hatte, stand siegreich an der Spitze eines ansehnlichen Hee-
res, als im J. 653 Manius Aquillius, der das Jahr zuvor unter
Marius im Teutonenkrieg sich ausgezeichnet hatte, als Consul
und Statthalter die Führung des Krieges übernahm. Nach zwei-
jährigen harten Kämpfen — der römische Feldherr soll mit
Athenion persönlich gefochten und ihn im Zweikampf getödtet
haben — schlug dieser endlich die verzweifelte Gegenwehr nie-
der und überwand die Insurgenten in ihren letzten Schlupfwin-
keln durch Hunger. Den Sclaven auf der Insel wurde das
Waffentragen untersagt und der Friede zog wieder auf ihr ein,
das heiſst die neuen Peiniger wurden abgelöst von den bisheri-
gen; wie denn namentlich der Sieger selbst unter den zahlreichen
und energischen Räuberbeamten dieser Zeit eine hervorragende
Stelle einnimmt. Für wen es aber noch eines Beweises bedurfte,
wie das Regiment der restaurirten Aristokratie im Innern be-
schaffen war, den konnte man auf die Entstehung wie auf die
Führung dieses zweiten fünfjährigen sicilischen Sclavenkrieges
verweisen.

Wo man aber auch hinsehen mochte in dem weiten Kreis
der römischen Verwaltung, es traten dieselben Ursachen und
dieselben Wirkungen hervor. Wenn der sicilische Sclavenkrieg
zeigt, wie wenig die Regierung auch nur der einfachsten Auf-
gabe das Proletariat niederzuhalten gewachsen war, so offen-

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[131/0141] DIE RESTAURATIONSHERRSCHAFT. nahm die Schlacht an, die Lucullus anbot; allein die bessere mi- litärische Organisation gab den Römern den Sieg: Athenion blieb für todt auf der Wahlstatt, Tryphon muſste sich in die Bergfestung Triokala werfen, die Insurgenten beriethen ernst- lich, ob es möglich sei den Kampf länger fortzusetzen. In- deſs die Partei, die entschlossen war auszuharren bis auf den letzten Mann, behielt die Oberhand; Athenion, der in wunder- barer Weise gerettet worden war, trat wieder unter die Seini- gen und belebte den gesunkenen Muth; vor allem aber that Lu- cullus unbegreiflicher Weise nicht das Geringste um seinen Sieg zu verfolgen, ja er soll absichtlich die Armee desorganisirt und sein Feldgeräth verbrannt haben, um die gänzliche Erfolglosig- keit seiner Amtsführung zu bedecken und von seinem Nachfolger nicht in Schatten gestellt zu werden. Mag dies wahr sein oder nicht, sein Nachfolger Gaius Servilius (652) erlangte nicht bes- sere Resultate und beide Generale sind später ihrer Amtsführung wegen criminell belangt und verurtheilt worden, was freilich auch durchaus kein sicherer Beweis für ihre Schuld ist. Athenion, der nach Tryphons Tode (652) den Oberbefehl allein übernom- men hatte, stand siegreich an der Spitze eines ansehnlichen Hee- res, als im J. 653 Manius Aquillius, der das Jahr zuvor unter Marius im Teutonenkrieg sich ausgezeichnet hatte, als Consul und Statthalter die Führung des Krieges übernahm. Nach zwei- jährigen harten Kämpfen — der römische Feldherr soll mit Athenion persönlich gefochten und ihn im Zweikampf getödtet haben — schlug dieser endlich die verzweifelte Gegenwehr nie- der und überwand die Insurgenten in ihren letzten Schlupfwin- keln durch Hunger. Den Sclaven auf der Insel wurde das Waffentragen untersagt und der Friede zog wieder auf ihr ein, das heiſst die neuen Peiniger wurden abgelöst von den bisheri- gen; wie denn namentlich der Sieger selbst unter den zahlreichen und energischen Räuberbeamten dieser Zeit eine hervorragende Stelle einnimmt. Für wen es aber noch eines Beweises bedurfte, wie das Regiment der restaurirten Aristokratie im Innern be- schaffen war, den konnte man auf die Entstehung wie auf die Führung dieses zweiten fünfjährigen sicilischen Sclavenkrieges verweisen. Wo man aber auch hinsehen mochte in dem weiten Kreis der römischen Verwaltung, es traten dieselben Ursachen und dieselben Wirkungen hervor. Wenn der sicilische Sclavenkrieg zeigt, wie wenig die Regierung auch nur der einfachsten Auf- gabe das Proletariat niederzuhalten gewachsen war, so offen- 9*

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 2: Von der Schlacht bei Pydna bis auf Sullas Tod. Leipzig, 1855, S. 131. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische02_1855/141>, abgerufen am 26.04.2024.