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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 2: Von der Schlacht bei Pydna bis auf Sullas Tod. Leipzig, 1855.

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DIE RESTAURATIONSHERRSCHAFT.
lich nichts weiter begehrte, als dass man ihm das Leben zu-
sichere. Indess Metellus war entschlossen und vielleicht selbst
instruirt den Krieg nicht anders zu beendigen als mit der unbe-
dingten Unterwerfung und der Hinrichtung des verwegenen
Clientelfürsten; was auch in der That der einzige Ausgang war,
der den Römern genügen konnte. Jugurtha galt seit dem Sieg
über Albinus als der Erlöser Libyens von der Herrschaft der ver-
hassten Fremden; rücksichtslos und schlau wie er und unbehol-
fen wie die römische Regierung war, konnte er jederzeit auch
nach dem Frieden wieder in seiner Heimath den Krieg entzün-
den; die Ruhe war nicht eher gesichert und die Entfernung der
africanischen Armee nicht eher möglich als wenn König Jugurtha
nicht mehr war. Offiziell gab Metellus ausweichende Antworten auf
die Anträge des Königs: insgeheim stiftete er die Boten desselben
auf ihren Herrn lebend oder todt an die Römer auszuliefern. In-
dess wenn der römische General es unternahm mit dem Africa-
ner auf dem Gebiet des Meuchelmords zu wetteifern, so fand er
hier seinen Meister; Jugurtha durchschaute den Plan und rüstete
sich, da er nicht anders konnte, zur verzweifelten Gegenwehr.
Jenseit des völlig öden Gebirgszugs, über den die Römer auf
ihrem Marsch in das Innere der Weg führte, erstreckte sich in
der Breite von vier deutschen Meilen eine weite Ebene bis zu dem
dem Gebirgszug parallel laufenden Flusse Muthul, welche bis auf
die unmittelbare Nachbarschaft des Flusses wasser- und baum-
los war und nur durch einen mit niedrigem Gestrüpp bedeckten
Hügelrücken in der Quere durchsetzt ward. Auf diesem Hügel-
rücken erwartete Jugurtha das römische Heer. Seine Truppen
standen in zwei Massen: die eine, ein Theil der Infanterie und
die Elephanten, unter Bomilkar da wo der Rücken auslief gegen
den Fluss, die andere, der Kern des Fussvolks und die gesammte
Reiterei, höher hinauf gegen den Gebirgszug verdeckt durch das
Gestrüpp. Wie die Römer aus dem Gebirg debouchirten, erblick-
ten sie den Feind in einer ihre rechte Flanke vollständig beherr-
schenden Stellung und da sie auf dem kahlen und wasserlosen
Gebirgskamm unmöglich verweilen konnten und den Fluss noth-
wendig erreichen mussten, hatten sie die schwierige Aufgabe zu
lösen durch die vier Meilen breite ganz offene Ebene unter den
Augen der feindlichen Reiter, selber ohne leichte Cavallerie, an den
Strom zu gelangen. Metellus entsandte ein Detachement unter
Rufus in gerader Richtung an den Fluss, um daselbst ein Lager
zu schlagen; die Hauptmasse marschirte aus den Debouches des
Gebirges in schräger Richtung durch die Ebene auf den Hügel-

DIE RESTAURATIONSHERRSCHAFT.
lich nichts weiter begehrte, als daſs man ihm das Leben zu-
sichere. Indeſs Metellus war entschlossen und vielleicht selbst
instruirt den Krieg nicht anders zu beendigen als mit der unbe-
dingten Unterwerfung und der Hinrichtung des verwegenen
Clientelfürsten; was auch in der That der einzige Ausgang war,
der den Römern genügen konnte. Jugurtha galt seit dem Sieg
über Albinus als der Erlöser Libyens von der Herrschaft der ver-
haſsten Fremden; rücksichtslos und schlau wie er und unbehol-
fen wie die römische Regierung war, konnte er jederzeit auch
nach dem Frieden wieder in seiner Heimath den Krieg entzün-
den; die Ruhe war nicht eher gesichert und die Entfernung der
africanischen Armee nicht eher möglich als wenn König Jugurtha
nicht mehr war. Offiziell gab Metellus ausweichende Antworten auf
die Anträge des Königs: insgeheim stiftete er die Boten desselben
auf ihren Herrn lebend oder todt an die Römer auszuliefern. In-
deſs wenn der römische General es unternahm mit dem Africa-
ner auf dem Gebiet des Meuchelmords zu wetteifern, so fand er
hier seinen Meister; Jugurtha durchschaute den Plan und rüstete
sich, da er nicht anders konnte, zur verzweifelten Gegenwehr.
Jenseit des völlig öden Gebirgszugs, über den die Römer auf
ihrem Marsch in das Innere der Weg führte, erstreckte sich in
der Breite von vier deutschen Meilen eine weite Ebene bis zu dem
dem Gebirgszug parallel laufenden Flusse Muthul, welche bis auf
die unmittelbare Nachbarschaft des Flusses wasser- und baum-
los war und nur durch einen mit niedrigem Gestrüpp bedeckten
Hügelrücken in der Quere durchsetzt ward. Auf diesem Hügel-
rücken erwartete Jugurtha das römische Heer. Seine Truppen
standen in zwei Massen: die eine, ein Theil der Infanterie und
die Elephanten, unter Bomilkar da wo der Rücken auslief gegen
den Fluſs, die andere, der Kern des Fuſsvolks und die gesammte
Reiterei, höher hinauf gegen den Gebirgszug verdeckt durch das
Gestrüpp. Wie die Römer aus dem Gebirg debouchirten, erblick-
ten sie den Feind in einer ihre rechte Flanke vollständig beherr-
schenden Stellung und da sie auf dem kahlen und wasserlosen
Gebirgskamm unmöglich verweilen konnten und den Fluſs noth-
wendig erreichen muſsten, hatten sie die schwierige Aufgabe zu
lösen durch die vier Meilen breite ganz offene Ebene unter den
Augen der feindlichen Reiter, selber ohne leichte Cavallerie, an den
Strom zu gelangen. Metellus entsandte ein Detachement unter
Rufus in gerader Richtung an den Fluſs, um daselbst ein Lager
zu schlagen; die Hauptmasse marschirte aus den Debouchés des
Gebirges in schräger Richtung durch die Ebene auf den Hügel-

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[141/0151] DIE RESTAURATIONSHERRSCHAFT. lich nichts weiter begehrte, als daſs man ihm das Leben zu- sichere. Indeſs Metellus war entschlossen und vielleicht selbst instruirt den Krieg nicht anders zu beendigen als mit der unbe- dingten Unterwerfung und der Hinrichtung des verwegenen Clientelfürsten; was auch in der That der einzige Ausgang war, der den Römern genügen konnte. Jugurtha galt seit dem Sieg über Albinus als der Erlöser Libyens von der Herrschaft der ver- haſsten Fremden; rücksichtslos und schlau wie er und unbehol- fen wie die römische Regierung war, konnte er jederzeit auch nach dem Frieden wieder in seiner Heimath den Krieg entzün- den; die Ruhe war nicht eher gesichert und die Entfernung der africanischen Armee nicht eher möglich als wenn König Jugurtha nicht mehr war. Offiziell gab Metellus ausweichende Antworten auf die Anträge des Königs: insgeheim stiftete er die Boten desselben auf ihren Herrn lebend oder todt an die Römer auszuliefern. In- deſs wenn der römische General es unternahm mit dem Africa- ner auf dem Gebiet des Meuchelmords zu wetteifern, so fand er hier seinen Meister; Jugurtha durchschaute den Plan und rüstete sich, da er nicht anders konnte, zur verzweifelten Gegenwehr. Jenseit des völlig öden Gebirgszugs, über den die Römer auf ihrem Marsch in das Innere der Weg führte, erstreckte sich in der Breite von vier deutschen Meilen eine weite Ebene bis zu dem dem Gebirgszug parallel laufenden Flusse Muthul, welche bis auf die unmittelbare Nachbarschaft des Flusses wasser- und baum- los war und nur durch einen mit niedrigem Gestrüpp bedeckten Hügelrücken in der Quere durchsetzt ward. Auf diesem Hügel- rücken erwartete Jugurtha das römische Heer. Seine Truppen standen in zwei Massen: die eine, ein Theil der Infanterie und die Elephanten, unter Bomilkar da wo der Rücken auslief gegen den Fluſs, die andere, der Kern des Fuſsvolks und die gesammte Reiterei, höher hinauf gegen den Gebirgszug verdeckt durch das Gestrüpp. Wie die Römer aus dem Gebirg debouchirten, erblick- ten sie den Feind in einer ihre rechte Flanke vollständig beherr- schenden Stellung und da sie auf dem kahlen und wasserlosen Gebirgskamm unmöglich verweilen konnten und den Fluſs noth- wendig erreichen muſsten, hatten sie die schwierige Aufgabe zu lösen durch die vier Meilen breite ganz offene Ebene unter den Augen der feindlichen Reiter, selber ohne leichte Cavallerie, an den Strom zu gelangen. Metellus entsandte ein Detachement unter Rufus in gerader Richtung an den Fluſs, um daselbst ein Lager zu schlagen; die Hauptmasse marschirte aus den Debouchés des Gebirges in schräger Richtung durch die Ebene auf den Hügel-

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 2: Von der Schlacht bei Pydna bis auf Sullas Tod. Leipzig, 1855, S. 141. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische02_1855/151>, abgerufen am 05.05.2024.