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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 2: Von der Schlacht bei Pydna bis auf Sullas Tod. Leipzig, 1855.

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DIE VÖLKER DES NORDENS.
dem der Dalmatiker genannt, überwand sie und überwinterte in
Salonae (Spalatro), welche Stadt fortan als der Hauptwaffenplatz
der Römer in dieser Gegend erscheint. Es ist nicht unwahr-
scheinlich, dass in diese Zeit auch die Anlage der gabinischen
Chaussee fällt, die von Salonae in östlicher Richtung nach An-
detrium (Clissa) und von da weiter landeinwärts geführt war.
Einen mehr offensiven Charakter trug die Expedition des Con-
suls des J. 639 Marcus Aemilius Scaurus gegen die Taurisker *;
er überstieg, der erste unter den Römern, die Kette der Ostalpen
an ihrer niedrigsten Senkung zwischen Triest und Laibach und
schloss mit den Tauriskern Gastfreundschaft. wodurch zugleich
dafür gesorgt war, dass der nicht unwichtige Handelsverkehr
ungestört blieb und dass die Römer nicht, wie es durch eine
förmliche Unterwerfung geschehen wäre, in die Völkerbewegun-
gen nordwärts der Alpen mit hineingezogen wurden. Die um
dieselbe Zeit von Makedonien aus gegen die Donau zu gerichteten
Angriffe ergaben anfangs ein sehr ungünstiges Resultat: der
Consul des J. 640 Gaius Porcius Cato ward in den serbischen
Gebirgen von den Skordiskern überfallen und sein Heer voll-
ständig aufgerieben, während er selbst mit Wenigen schimpflich
entfloh; mühsam schirmte der Praetor Marcus Didius die römi-
sche Grenze. Glücklicher fochten seine Nachfolger, Gaius Metel-
lus Caprarius (641. 642), Marcus Drusus (642. 643), der erste
römische Feldherr, der die Donau erreichte, und Marcus Minu-
cius (644), der die Waffen längs der Morawa ** trug und die
Skordisker so nachdrücklich schlug, dass sie seitdem zur Unbe-
deutendheit herabsinken und an ihrer Stelle ein anderer Stamm,
die Dardaner (in Serbien) in dem Gebiet zwischen der Nord-
grenze Makedoniens und der Donau die erste Rolle zu spielen
beginnt.

Indess diese Siege hatten eine Folge, welche die Sieger nicht
ahnten. Schon seit längerer Zeit irrte ein ,unstetes Volk' an dem
nördlichen Saum der zu beiden Seiten der Donau von den Kel-
ten eingenommenen Landschaft. Sie nannten sich die Kimbrer,
das heisst die Chempho, die Kämpen oder, wie ihre Feinde über-
setzten, die Räuber, welche Benennung indess allem Anschein

* Galli Karniheissen sie in den Triumphalfasten, Ligures Taurisci
(denn so ist statt des überlieferten Ligures et Caurisci zu schreiben) bei
Victor.
** Da Velleius und Eutrop als die von Minucius besiegte Völkerschaft
die Skordisker nennen, so kann es nur ein Fehler von Florus sein, dass er
statt des Margos (Morawa) den Hebros (die Maritza) nennt.
11*

DIE VÖLKER DES NORDENS.
dem der Dalmatiker genannt, überwand sie und überwinterte in
Salonae (Spalatro), welche Stadt fortan als der Hauptwaffenplatz
der Römer in dieser Gegend erscheint. Es ist nicht unwahr-
scheinlich, daſs in diese Zeit auch die Anlage der gabinischen
Chaussee fällt, die von Salonae in östlicher Richtung nach An-
detrium (Clissa) und von da weiter landeinwärts geführt war.
Einen mehr offensiven Charakter trug die Expedition des Con-
suls des J. 639 Marcus Aemilius Scaurus gegen die Taurisker *;
er überstieg, der erste unter den Römern, die Kette der Ostalpen
an ihrer niedrigsten Senkung zwischen Triest und Laibach und
schloſs mit den Tauriskern Gastfreundschaft. wodurch zugleich
dafür gesorgt war, daſs der nicht unwichtige Handelsverkehr
ungestört blieb und daſs die Römer nicht, wie es durch eine
förmliche Unterwerfung geschehen wäre, in die Völkerbewegun-
gen nordwärts der Alpen mit hineingezogen wurden. Die um
dieselbe Zeit von Makedonien aus gegen die Donau zu gerichteten
Angriffe ergaben anfangs ein sehr ungünstiges Resultat: der
Consul des J. 640 Gaius Porcius Cato ward in den serbischen
Gebirgen von den Skordiskern überfallen und sein Heer voll-
ständig aufgerieben, während er selbst mit Wenigen schimpflich
entfloh; mühsam schirmte der Praetor Marcus Didius die römi-
sche Grenze. Glücklicher fochten seine Nachfolger, Gaius Metel-
lus Caprarius (641. 642), Marcus Drusus (642. 643), der erste
römische Feldherr, der die Donau erreichte, und Marcus Minu-
cius (644), der die Waffen längs der Morawa ** trug und die
Skordisker so nachdrücklich schlug, daſs sie seitdem zur Unbe-
deutendheit herabsinken und an ihrer Stelle ein anderer Stamm,
die Dardaner (in Serbien) in dem Gebiet zwischen der Nord-
grenze Makedoniens und der Donau die erste Rolle zu spielen
beginnt.

Indeſs diese Siege hatten eine Folge, welche die Sieger nicht
ahnten. Schon seit längerer Zeit irrte ein ‚unstetes Volk‘ an dem
nördlichen Saum der zu beiden Seiten der Donau von den Kel-
ten eingenommenen Landschaft. Sie nannten sich die Kimbrer,
das heiſst die Chempho, die Kämpen oder, wie ihre Feinde über-
setzten, die Räuber, welche Benennung indeſs allem Anschein

* Galli Karniheiſsen sie in den Triumphalfasten, Ligures Taurisci
(denn so ist statt des überlieferten Ligures et Caurisci zu schreiben) bei
Victor.
** Da Velleius und Eutrop als die von Minucius besiegte Völkerschaft
die Skordisker nennen, so kann es nur ein Fehler von Florus sein, daſs er
statt des Margos (Morawa) den Hebros (die Maritza) nennt.
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[163/0173] DIE VÖLKER DES NORDENS. dem der Dalmatiker genannt, überwand sie und überwinterte in Salonae (Spalatro), welche Stadt fortan als der Hauptwaffenplatz der Römer in dieser Gegend erscheint. Es ist nicht unwahr- scheinlich, daſs in diese Zeit auch die Anlage der gabinischen Chaussee fällt, die von Salonae in östlicher Richtung nach An- detrium (Clissa) und von da weiter landeinwärts geführt war. Einen mehr offensiven Charakter trug die Expedition des Con- suls des J. 639 Marcus Aemilius Scaurus gegen die Taurisker *; er überstieg, der erste unter den Römern, die Kette der Ostalpen an ihrer niedrigsten Senkung zwischen Triest und Laibach und schloſs mit den Tauriskern Gastfreundschaft. wodurch zugleich dafür gesorgt war, daſs der nicht unwichtige Handelsverkehr ungestört blieb und daſs die Römer nicht, wie es durch eine förmliche Unterwerfung geschehen wäre, in die Völkerbewegun- gen nordwärts der Alpen mit hineingezogen wurden. Die um dieselbe Zeit von Makedonien aus gegen die Donau zu gerichteten Angriffe ergaben anfangs ein sehr ungünstiges Resultat: der Consul des J. 640 Gaius Porcius Cato ward in den serbischen Gebirgen von den Skordiskern überfallen und sein Heer voll- ständig aufgerieben, während er selbst mit Wenigen schimpflich entfloh; mühsam schirmte der Praetor Marcus Didius die römi- sche Grenze. Glücklicher fochten seine Nachfolger, Gaius Metel- lus Caprarius (641. 642), Marcus Drusus (642. 643), der erste römische Feldherr, der die Donau erreichte, und Marcus Minu- cius (644), der die Waffen längs der Morawa ** trug und die Skordisker so nachdrücklich schlug, daſs sie seitdem zur Unbe- deutendheit herabsinken und an ihrer Stelle ein anderer Stamm, die Dardaner (in Serbien) in dem Gebiet zwischen der Nord- grenze Makedoniens und der Donau die erste Rolle zu spielen beginnt. Indeſs diese Siege hatten eine Folge, welche die Sieger nicht ahnten. Schon seit längerer Zeit irrte ein ‚unstetes Volk‘ an dem nördlichen Saum der zu beiden Seiten der Donau von den Kel- ten eingenommenen Landschaft. Sie nannten sich die Kimbrer, das heiſst die Chempho, die Kämpen oder, wie ihre Feinde über- setzten, die Räuber, welche Benennung indeſs allem Anschein * Galli Karniheiſsen sie in den Triumphalfasten, Ligures Taurisci (denn so ist statt des überlieferten Ligures et Caurisci zu schreiben) bei Victor. ** Da Velleius und Eutrop als die von Minucius besiegte Völkerschaft die Skordisker nennen, so kann es nur ein Fehler von Florus sein, daſs er statt des Margos (Morawa) den Hebros (die Maritza) nennt. 11*

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 2: Von der Schlacht bei Pydna bis auf Sullas Tod. Leipzig, 1855, S. 163. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische02_1855/173>, abgerufen am 06.05.2024.