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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856.

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FÜNFTES BUCH. KAPITEL IV.
Lucullus fortfuhr, gleich als wäre er noch im Amte, Ehren-
geschenke zu machen und Ländereien zu vertheilen, so erklärte
Pompeius alle nach seinem Eintreffen von seinem Amtsvorgänger
vollzogenen Handlungen für nichtig. Formell war er in seinem
Recht; sittlichen Tact in der Behandlung eines verdienten und mehr
als genug gekränkten Gegners durfte man bei ihm nicht suchen.
-- So wie es die Jahreszeit erlaubte, überschritten die römischen
Truppen abermals die pontische Grenze. Gegen sie stand hier
mit 30000 Mann zu Fuss und 3000 Reitern König Mithradates.
Im Stich gelassen von seinem Verbündeten und von Rom ange-
griffen mit verstärkter Macht und Energie machte er einen Ver-
such Frieden zu erwirken; allein von unbedingter Unterwerfung,
die Pompeius forderte, wollte er nichts hören -- was konnte der
unglücklichste Feldzug ihm Schlimmeres bringen? Um sein Heer,
grösstentheils Schützen und Reiter, nicht dem furchtbaren Stoss
der römischen Linieninfanterie preiszugeben, wich er langsam vor
dem Feinde zurück und nöthigte die Römer ihm auf seinen Kreuz-
und Quermärschen zu folgen, wobei er, wo Gelegenheit dazu war,
mit seiner überlegenen Reiterei der feindlichen Stand hielt und
den Römern durch die Erschwerung der Verpflegung nicht ge-
ringe Drangsale bereitete. Ungeduldig gab endlich Pompeius es
auf die pontische Armee zu begleiten und zog es vor statt dem
König zu folgen das Land zu unterwerfen; er rückte an den obe-
ren Euphrat, überschritt ihn und betrat die östlichen Provinzen
des pontischen Reiches. Aber auch Mithradates folgte dem Feind
auf das linke Euphratufer und in der anaitischen oder akiliseni-
schen Landschaft angelangt, verlegte er den Römern den Weg bei
der festen und mit Wasser wohl versehenen Burg Dasteira, von
wo aus er mit seinen leichten Truppen das Blachfeld beherrschte.
Pompeius, der die kilikischen Legionen noch immer nicht an sich
gezogen hatte, war nicht stark genug um hier sich zu behaupten,
sondern musste, über den Euphrat zurückgehend, in dem wal-
digen von Felsschluchten und Tiefthälern vielfach durchschnitte-
nen Terrain des pontischen Armenien vor den Reitern und Bo-
genschützen des Königs Schutz suchen, bis die Truppen aus Ki-
likien eintrafen und die Wiederaufnahme der Offensive möglich
machten. Pompeius, der nun mit Uebermacht auftrat, um-
schloss das Lager des Königs mit einer Postenkette von fast vier
deutschen Meilen Länge und hielt ihn hier förmlich blokirt, wäh-
rend die römischen Detachements die Gegend weit umher durch-
streiften. Die Noth im pontischen Lager war gross; schon musste
die Bespannung niedergestossen werden; endlich nach fünfund-

FÜNFTES BUCH. KAPITEL IV.
Lucullus fortfuhr, gleich als wäre er noch im Amte, Ehren-
geschenke zu machen und Ländereien zu vertheilen, so erklärte
Pompeius alle nach seinem Eintreffen von seinem Amtsvorgänger
vollzogenen Handlungen für nichtig. Formell war er in seinem
Recht; sittlichen Tact in der Behandlung eines verdienten und mehr
als genug gekränkten Gegners durfte man bei ihm nicht suchen.
— So wie es die Jahreszeit erlaubte, überschritten die römischen
Truppen abermals die pontische Grenze. Gegen sie stand hier
mit 30000 Mann zu Fuſs und 3000 Reitern König Mithradates.
Im Stich gelassen von seinem Verbündeten und von Rom ange-
griffen mit verstärkter Macht und Energie machte er einen Ver-
such Frieden zu erwirken; allein von unbedingter Unterwerfung,
die Pompeius forderte, wollte er nichts hören — was konnte der
unglücklichste Feldzug ihm Schlimmeres bringen? Um sein Heer,
gröſstentheils Schützen und Reiter, nicht dem furchtbaren Stoſs
der römischen Linieninfanterie preiszugeben, wich er langsam vor
dem Feinde zurück und nöthigte die Römer ihm auf seinen Kreuz-
und Quermärschen zu folgen, wobei er, wo Gelegenheit dazu war,
mit seiner überlegenen Reiterei der feindlichen Stand hielt und
den Römern durch die Erschwerung der Verpflegung nicht ge-
ringe Drangsale bereitete. Ungeduldig gab endlich Pompeius es
auf die pontische Armee zu begleiten und zog es vor statt dem
König zu folgen das Land zu unterwerfen; er rückte an den obe-
ren Euphrat, überschritt ihn und betrat die östlichen Provinzen
des pontischen Reiches. Aber auch Mithradates folgte dem Feind
auf das linke Euphratufer und in der anaitischen oder akiliseni-
schen Landschaft angelangt, verlegte er den Römern den Weg bei
der festen und mit Wasser wohl versehenen Burg Dasteira, von
wo aus er mit seinen leichten Truppen das Blachfeld beherrschte.
Pompeius, der die kilikischen Legionen noch immer nicht an sich
gezogen hatte, war nicht stark genug um hier sich zu behaupten,
sondern muſste, über den Euphrat zurückgehend, in dem wal-
digen von Felsschluchten und Tiefthälern vielfach durchschnitte-
nen Terrain des pontischen Armenien vor den Reitern und Bo-
genschützen des Königs Schutz suchen, bis die Truppen aus Ki-
likien eintrafen und die Wiederaufnahme der Offensive möglich
machten. Pompeius, der nun mit Uebermacht auftrat, um-
schloſs das Lager des Königs mit einer Postenkette von fast vier
deutschen Meilen Länge und hielt ihn hier förmlich blokirt, wäh-
rend die römischen Detachements die Gegend weit umher durch-
streiften. Die Noth im pontischen Lager war groſs; schon muſste
die Bespannung niedergestoſsen werden; endlich nach fünfund-

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[114/0124] FÜNFTES BUCH. KAPITEL IV. Lucullus fortfuhr, gleich als wäre er noch im Amte, Ehren- geschenke zu machen und Ländereien zu vertheilen, so erklärte Pompeius alle nach seinem Eintreffen von seinem Amtsvorgänger vollzogenen Handlungen für nichtig. Formell war er in seinem Recht; sittlichen Tact in der Behandlung eines verdienten und mehr als genug gekränkten Gegners durfte man bei ihm nicht suchen. — So wie es die Jahreszeit erlaubte, überschritten die römischen Truppen abermals die pontische Grenze. Gegen sie stand hier mit 30000 Mann zu Fuſs und 3000 Reitern König Mithradates. Im Stich gelassen von seinem Verbündeten und von Rom ange- griffen mit verstärkter Macht und Energie machte er einen Ver- such Frieden zu erwirken; allein von unbedingter Unterwerfung, die Pompeius forderte, wollte er nichts hören — was konnte der unglücklichste Feldzug ihm Schlimmeres bringen? Um sein Heer, gröſstentheils Schützen und Reiter, nicht dem furchtbaren Stoſs der römischen Linieninfanterie preiszugeben, wich er langsam vor dem Feinde zurück und nöthigte die Römer ihm auf seinen Kreuz- und Quermärschen zu folgen, wobei er, wo Gelegenheit dazu war, mit seiner überlegenen Reiterei der feindlichen Stand hielt und den Römern durch die Erschwerung der Verpflegung nicht ge- ringe Drangsale bereitete. Ungeduldig gab endlich Pompeius es auf die pontische Armee zu begleiten und zog es vor statt dem König zu folgen das Land zu unterwerfen; er rückte an den obe- ren Euphrat, überschritt ihn und betrat die östlichen Provinzen des pontischen Reiches. Aber auch Mithradates folgte dem Feind auf das linke Euphratufer und in der anaitischen oder akiliseni- schen Landschaft angelangt, verlegte er den Römern den Weg bei der festen und mit Wasser wohl versehenen Burg Dasteira, von wo aus er mit seinen leichten Truppen das Blachfeld beherrschte. Pompeius, der die kilikischen Legionen noch immer nicht an sich gezogen hatte, war nicht stark genug um hier sich zu behaupten, sondern muſste, über den Euphrat zurückgehend, in dem wal- digen von Felsschluchten und Tiefthälern vielfach durchschnitte- nen Terrain des pontischen Armenien vor den Reitern und Bo- genschützen des Königs Schutz suchen, bis die Truppen aus Ki- likien eintrafen und die Wiederaufnahme der Offensive möglich machten. Pompeius, der nun mit Uebermacht auftrat, um- schloſs das Lager des Königs mit einer Postenkette von fast vier deutschen Meilen Länge und hielt ihn hier förmlich blokirt, wäh- rend die römischen Detachements die Gegend weit umher durch- streiften. Die Noth im pontischen Lager war groſs; schon muſste die Bespannung niedergestoſsen werden; endlich nach fünfund-

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856, S. 114. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische03_1856/124>, abgerufen am 06.05.2024.