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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856.

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POMPEIUS UND DER OSTEN.
ten den Makkabaeerstaat ins Leben gerufen hatte, erstarrte rasch
zu theologischer Gedankenlosigkeit und vornehmer Hochkirch-
lichkeit und es trat eine militärisch hellenisirende Richtung ihr
gegenüber, die, statt zu dem Gott der Väter um Hülfe zu flehen,
es zweckmässiger fand mit den Waffen dieser Welt die Feinde zu
schlagen. Jene stützte sich auf die Priesterschaft und auf die
Menge, diese auf die tüchtigeren Könige, auf das Heer, in dem
zahlreiche pisidische und kilikische Söldner dienten, und auf die
Intelligenz. Wie mehr als ein Jahrtausend später die Hohenstau-
fen mit der Kirchengewalt rangen, so befehdeten sich in Palae-
stina die Königs- und die Priesterpartei, die Sadducäer und die
Pharisäer, und auch dieser für den jüdischen Staat verhängniss-
volle Hader war bezeichnet durch die ganze rücksichtslose Unver-
söhnlichkeit, mit welcher die Frommen für den Besitz irdischer
Güter zu streiten gewohnt sind. Mit starker Hand hatte Jannaeos
die Priesterschaft niedergehalten; unter seinen beiden Söhnen
kam es (685 fg.) zu einem Bürger- und Bruderkrieg, indem die
Pharisäer sich dem kräftigen Aristobulos widersetzten und ver-
suchten unter der nominellen Herrschaft seines Bruders, des
gutmüthigen und schlaffen Hyrkanos ihre Herrschaft zu restau-
riren. Dieser Zwist brachte nicht bloss die jüdischen Eroberun-
gen ins Stocken, sondern gab auch auswärtigen Nationen Gele-
genheit sich einzumischen und dadurch im südlichen Syrien eine
gebietende Stellung zu gewinnen. Zunächst gilt dies von den Na-
bataeern. Diese merkwürdige Nation ist oft mit ihren östlichen
Nachbarn, den schweifenden Arabern zusammengeworfen wor-
den; aber sie ist den eigentlichen Kindern Ismaels stammfremd.
Der aramaeische oder, nach der Benennung der Occidentalen, der
syrische Stamm muss von seinen ältesten Sitzen um Babylon,
wahrscheinlich des Handels wegen, in sehr früher Zeit eine Co-
lonie an die Nordspitze des arabischen Meerbusens ausgeführt
haben: dies sind die Nabataeer auf der sinaitischen Halbinsel
zwischen dem Golf von Suez und Aila und in der Gegend von
Petra (Wadi Musa). In ihren Häfen wurden die Waaren vom
Mittelmeer gegen indische umgesetzt und die grosse südliche Ka-
rawanenstrasse, die von Gaza zur Euphratmündung und dem per-
sischen Meerbusen lief, führte durch die Hauptstadt der Naba-
taeer Petra, deren heute noch prachtvolle Felspaläste und Fel-
sengräber deutlicheres Zeugniss von der nabataeischen Civilisa-
tion ablegen als die fast verschollene Ueberlieferung. Die Phari-
säerpartei, der nach Priesterart der Sieg ihrer Partei um den
Preis der Unabhängigkeit und Integrität des Landes nicht zu

POMPEIUS UND DER OSTEN.
ten den Makkabaeerstaat ins Leben gerufen hatte, erstarrte rasch
zu theologischer Gedankenlosigkeit und vornehmer Hochkirch-
lichkeit und es trat eine militärisch hellenisirende Richtung ihr
gegenüber, die, statt zu dem Gott der Väter um Hülfe zu flehen,
es zweckmäſsiger fand mit den Waffen dieser Welt die Feinde zu
schlagen. Jene stützte sich auf die Priesterschaft und auf die
Menge, diese auf die tüchtigeren Könige, auf das Heer, in dem
zahlreiche pisidische und kilikische Söldner dienten, und auf die
Intelligenz. Wie mehr als ein Jahrtausend später die Hohenstau-
fen mit der Kirchengewalt rangen, so befehdeten sich in Palae-
stina die Königs- und die Priesterpartei, die Sadducäer und die
Pharisäer, und auch dieser für den jüdischen Staat verhängniſs-
volle Hader war bezeichnet durch die ganze rücksichtslose Unver-
söhnlichkeit, mit welcher die Frommen für den Besitz irdischer
Güter zu streiten gewohnt sind. Mit starker Hand hatte Jannaeos
die Priesterschaft niedergehalten; unter seinen beiden Söhnen
kam es (685 fg.) zu einem Bürger- und Bruderkrieg, indem die
Pharisäer sich dem kräftigen Aristobulos widersetzten und ver-
suchten unter der nominellen Herrschaft seines Bruders, des
gutmüthigen und schlaffen Hyrkanos ihre Herrschaft zu restau-
riren. Dieser Zwist brachte nicht bloſs die jüdischen Eroberun-
gen ins Stocken, sondern gab auch auswärtigen Nationen Gele-
genheit sich einzumischen und dadurch im südlichen Syrien eine
gebietende Stellung zu gewinnen. Zunächst gilt dies von den Na-
bataeern. Diese merkwürdige Nation ist oft mit ihren östlichen
Nachbarn, den schweifenden Arabern zusammengeworfen wor-
den; aber sie ist den eigentlichen Kindern Ismaels stammfremd.
Der aramaeische oder, nach der Benennung der Occidentalen, der
syrische Stamm muſs von seinen ältesten Sitzen um Babylon,
wahrscheinlich des Handels wegen, in sehr früher Zeit eine Co-
lonie an die Nordspitze des arabischen Meerbusens ausgeführt
haben: dies sind die Nabataeer auf der sinaitischen Halbinsel
zwischen dem Golf von Suez und Aila und in der Gegend von
Petra (Wadi Musa). In ihren Häfen wurden die Waaren vom
Mittelmeer gegen indische umgesetzt und die groſse südliche Ka-
rawanenstraſse, die von Gaza zur Euphratmündung und dem per-
sischen Meerbusen lief, führte durch die Hauptstadt der Naba-
taeer Petra, deren heute noch prachtvolle Felspaläste und Fel-
sengräber deutlicheres Zeugniſs von der nabataeischen Civilisa-
tion ablegen als die fast verschollene Ueberlieferung. Die Phari-
säerpartei, der nach Priesterart der Sieg ihrer Partei um den
Preis der Unabhängigkeit und Integrität des Landes nicht zu

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[127/0137] POMPEIUS UND DER OSTEN. ten den Makkabaeerstaat ins Leben gerufen hatte, erstarrte rasch zu theologischer Gedankenlosigkeit und vornehmer Hochkirch- lichkeit und es trat eine militärisch hellenisirende Richtung ihr gegenüber, die, statt zu dem Gott der Väter um Hülfe zu flehen, es zweckmäſsiger fand mit den Waffen dieser Welt die Feinde zu schlagen. Jene stützte sich auf die Priesterschaft und auf die Menge, diese auf die tüchtigeren Könige, auf das Heer, in dem zahlreiche pisidische und kilikische Söldner dienten, und auf die Intelligenz. Wie mehr als ein Jahrtausend später die Hohenstau- fen mit der Kirchengewalt rangen, so befehdeten sich in Palae- stina die Königs- und die Priesterpartei, die Sadducäer und die Pharisäer, und auch dieser für den jüdischen Staat verhängniſs- volle Hader war bezeichnet durch die ganze rücksichtslose Unver- söhnlichkeit, mit welcher die Frommen für den Besitz irdischer Güter zu streiten gewohnt sind. Mit starker Hand hatte Jannaeos die Priesterschaft niedergehalten; unter seinen beiden Söhnen kam es (685 fg.) zu einem Bürger- und Bruderkrieg, indem die Pharisäer sich dem kräftigen Aristobulos widersetzten und ver- suchten unter der nominellen Herrschaft seines Bruders, des gutmüthigen und schlaffen Hyrkanos ihre Herrschaft zu restau- riren. Dieser Zwist brachte nicht bloſs die jüdischen Eroberun- gen ins Stocken, sondern gab auch auswärtigen Nationen Gele- genheit sich einzumischen und dadurch im südlichen Syrien eine gebietende Stellung zu gewinnen. Zunächst gilt dies von den Na- bataeern. Diese merkwürdige Nation ist oft mit ihren östlichen Nachbarn, den schweifenden Arabern zusammengeworfen wor- den; aber sie ist den eigentlichen Kindern Ismaels stammfremd. Der aramaeische oder, nach der Benennung der Occidentalen, der syrische Stamm muſs von seinen ältesten Sitzen um Babylon, wahrscheinlich des Handels wegen, in sehr früher Zeit eine Co- lonie an die Nordspitze des arabischen Meerbusens ausgeführt haben: dies sind die Nabataeer auf der sinaitischen Halbinsel zwischen dem Golf von Suez und Aila und in der Gegend von Petra (Wadi Musa). In ihren Häfen wurden die Waaren vom Mittelmeer gegen indische umgesetzt und die groſse südliche Ka- rawanenstraſse, die von Gaza zur Euphratmündung und dem per- sischen Meerbusen lief, führte durch die Hauptstadt der Naba- taeer Petra, deren heute noch prachtvolle Felspaläste und Fel- sengräber deutlicheres Zeugniſs von der nabataeischen Civilisa- tion ablegen als die fast verschollene Ueberlieferung. Die Phari- säerpartei, der nach Priesterart der Sieg ihrer Partei um den Preis der Unabhängigkeit und Integrität des Landes nicht zu

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856, S. 127. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische03_1856/137>, abgerufen am 06.05.2024.