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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856.

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FÜNFTES BUCH. KAPITEL V.
Demokratenführer mit der Anarchie zwischen jene und die Stadt-
bürgerschaft einen Keil getrieben und suchte die Oligarchie die-
sen Riss zu erweitern und, nicht ohne wenigstens augenblick-
lichen Erfolg, die Massen auf ihre Seite hinüberzuziehen. Endlich
war Gnaeus Pompeius durch all diese Kabalen theils gewarnt, theils
erbittert worden; nach allem was vorgefallen war und nachdem die
Demokratie die Bande, die sie mit Pompeius verknüpften, selber
so gut wie zerrissen hatte, konnte sie nicht mehr schicklicher
Weise von ihm begehren, was im J. 684 eine gewisse Billigkeit
für sich gehabt hatte, dass er die demokratische Macht, die er
und die ihn emporgebracht, nicht selber mit dem Schwerte zer-
störe. So war die Demokratie entehrt und geschwächt; vor allen
Dingen aber war sie lächerlich geworden durch die unbarmher-
zige Aufdeckung ihrer Rathlosigkeit und Schwäche. Wo es sich
um die Demüthigung des gestürzten Regiments und ähnliche
Nichtigkeiten handelte, that sie gross und gewaltig; aber jeder
ihrer Versuche einen wirklich politischen Erfolg zu erreichen
war platt zur Erde gefallen. Ihr Verhältniss zu Pompeius war so
falsch wie kläglich. Während sie ihn mit Lobsprüchen und Hul-
digungen überschüttete, spann sie gegen ihn eine Intrigue nach
der andern, die eine nach der andern Seifenblasen gleich von sel-
ber zerplatzten. Der Feldherr des Ostens und der Meere, weit
entfernt sich dagegen zur Wehre zu setzen, schien das ganze
geschäftige Treiben nicht einmal zu bemerken und seine Siege
über sie zu erfechten, wie Herakles die über die Pygmäen, ohne
selber darum gewahr zu werden. Der Versuch den Bürgerkrieg
zu entflammen war jämmerlich gescheitert; hatte die anarchisti-
sche Fraction wenigstens einige Energie entwickelt, so hatte die
reine Demokratie die Rotten wohl zu dingen verstanden, aber
weder sie zu führen noch sie zu retten noch mit ihnen zu sterben.
Selbst die alte todesmatte Oligarchie hatte, gestärkt durch die aus
den Reihen der Demokratie zu ihr übertretenden Massen und vor
allem durch die unverkennbare Gleichheit ihrer Interessen und der-
jenigen des Pompeius in dieser Angelegenheit, es vermocht diesen
Revolutionsversuch niederzuschlagen und damit noch einen letz-
ten Sieg über die Demokratie zu erfechten. Inzwischen war König
Mithradates gestorben, Kleinasien und Syrien geordnet, Pompeius
Heimkehr nach Italien jeden Augenblick zu erwarten. Die Ent-
scheidung war nicht fern; aber konnte noch die Rede sein von
einer Entscheidung zwischen dem Feldherrn, der ruhmvoller und
gewaltiger als je zurückkam, und der beispiellos gedemüthigten
und völlig machtlosen Demokratie? Crassus schickte sich an

FÜNFTES BUCH. KAPITEL V.
Demokratenführer mit der Anarchie zwischen jene und die Stadt-
bürgerschaft einen Keil getrieben und suchte die Oligarchie die-
sen Riſs zu erweitern und, nicht ohne wenigstens augenblick-
lichen Erfolg, die Massen auf ihre Seite hinüberzuziehen. Endlich
war Gnaeus Pompeius durch all diese Kabalen theils gewarnt, theils
erbittert worden; nach allem was vorgefallen war und nachdem die
Demokratie die Bande, die sie mit Pompeius verknüpften, selber
so gut wie zerrissen hatte, konnte sie nicht mehr schicklicher
Weise von ihm begehren, was im J. 684 eine gewisse Billigkeit
für sich gehabt hatte, daſs er die demokratische Macht, die er
und die ihn emporgebracht, nicht selber mit dem Schwerte zer-
störe. So war die Demokratie entehrt und geschwächt; vor allen
Dingen aber war sie lächerlich geworden durch die unbarmher-
zige Aufdeckung ihrer Rathlosigkeit und Schwäche. Wo es sich
um die Demüthigung des gestürzten Regiments und ähnliche
Nichtigkeiten handelte, that sie groſs und gewaltig; aber jeder
ihrer Versuche einen wirklich politischen Erfolg zu erreichen
war platt zur Erde gefallen. Ihr Verhältniſs zu Pompeius war so
falsch wie kläglich. Während sie ihn mit Lobsprüchen und Hul-
digungen überschüttete, spann sie gegen ihn eine Intrigue nach
der andern, die eine nach der andern Seifenblasen gleich von sel-
ber zerplatzten. Der Feldherr des Ostens und der Meere, weit
entfernt sich dagegen zur Wehre zu setzen, schien das ganze
geschäftige Treiben nicht einmal zu bemerken und seine Siege
über sie zu erfechten, wie Herakles die über die Pygmäen, ohne
selber darum gewahr zu werden. Der Versuch den Bürgerkrieg
zu entflammen war jämmerlich gescheitert; hatte die anarchisti-
sche Fraction wenigstens einige Energie entwickelt, so hatte die
reine Demokratie die Rotten wohl zu dingen verstanden, aber
weder sie zu führen noch sie zu retten noch mit ihnen zu sterben.
Selbst die alte todesmatte Oligarchie hatte, gestärkt durch die aus
den Reihen der Demokratie zu ihr übertretenden Massen und vor
allem durch die unverkennbare Gleichheit ihrer Interessen und der-
jenigen des Pompeius in dieser Angelegenheit, es vermocht diesen
Revolutionsversuch niederzuschlagen und damit noch einen letz-
ten Sieg über die Demokratie zu erfechten. Inzwischen war König
Mithradates gestorben, Kleinasien und Syrien geordnet, Pompeius
Heimkehr nach Italien jeden Augenblick zu erwarten. Die Ent-
scheidung war nicht fern; aber konnte noch die Rede sein von
einer Entscheidung zwischen dem Feldherrn, der ruhmvoller und
gewaltiger als je zurückkam, und der beispiellos gedemüthigten
und völlig machtlosen Demokratie? Crassus schickte sich an

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[178/0188] FÜNFTES BUCH. KAPITEL V. Demokratenführer mit der Anarchie zwischen jene und die Stadt- bürgerschaft einen Keil getrieben und suchte die Oligarchie die- sen Riſs zu erweitern und, nicht ohne wenigstens augenblick- lichen Erfolg, die Massen auf ihre Seite hinüberzuziehen. Endlich war Gnaeus Pompeius durch all diese Kabalen theils gewarnt, theils erbittert worden; nach allem was vorgefallen war und nachdem die Demokratie die Bande, die sie mit Pompeius verknüpften, selber so gut wie zerrissen hatte, konnte sie nicht mehr schicklicher Weise von ihm begehren, was im J. 684 eine gewisse Billigkeit für sich gehabt hatte, daſs er die demokratische Macht, die er und die ihn emporgebracht, nicht selber mit dem Schwerte zer- störe. So war die Demokratie entehrt und geschwächt; vor allen Dingen aber war sie lächerlich geworden durch die unbarmher- zige Aufdeckung ihrer Rathlosigkeit und Schwäche. Wo es sich um die Demüthigung des gestürzten Regiments und ähnliche Nichtigkeiten handelte, that sie groſs und gewaltig; aber jeder ihrer Versuche einen wirklich politischen Erfolg zu erreichen war platt zur Erde gefallen. Ihr Verhältniſs zu Pompeius war so falsch wie kläglich. Während sie ihn mit Lobsprüchen und Hul- digungen überschüttete, spann sie gegen ihn eine Intrigue nach der andern, die eine nach der andern Seifenblasen gleich von sel- ber zerplatzten. Der Feldherr des Ostens und der Meere, weit entfernt sich dagegen zur Wehre zu setzen, schien das ganze geschäftige Treiben nicht einmal zu bemerken und seine Siege über sie zu erfechten, wie Herakles die über die Pygmäen, ohne selber darum gewahr zu werden. Der Versuch den Bürgerkrieg zu entflammen war jämmerlich gescheitert; hatte die anarchisti- sche Fraction wenigstens einige Energie entwickelt, so hatte die reine Demokratie die Rotten wohl zu dingen verstanden, aber weder sie zu führen noch sie zu retten noch mit ihnen zu sterben. Selbst die alte todesmatte Oligarchie hatte, gestärkt durch die aus den Reihen der Demokratie zu ihr übertretenden Massen und vor allem durch die unverkennbare Gleichheit ihrer Interessen und der- jenigen des Pompeius in dieser Angelegenheit, es vermocht diesen Revolutionsversuch niederzuschlagen und damit noch einen letz- ten Sieg über die Demokratie zu erfechten. Inzwischen war König Mithradates gestorben, Kleinasien und Syrien geordnet, Pompeius Heimkehr nach Italien jeden Augenblick zu erwarten. Die Ent- scheidung war nicht fern; aber konnte noch die Rede sein von einer Entscheidung zwischen dem Feldherrn, der ruhmvoller und gewaltiger als je zurückkam, und der beispiellos gedemüthigten und völlig machtlosen Demokratie? Crassus schickte sich an

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856, S. 178. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische03_1856/188>, abgerufen am 27.04.2024.