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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856.

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FÜNFTES BUCH. KAPITEL VI.
rückgewiesen. Den Antrag hinsichtlich der Steuerpächter ver-
suchte Cato nach der unlöblichen Sitte des römischen Parlamen-
tarismus todtzusprechen, d. h. bis zu der gesetzlichen Schluss-
stunde der Sitzung seine Rede fortzuspinnen; worauf Caesar
Miene machte, den störrigen Mann verhaften zu lassen. Schliess-
lich ward auch dieser Antrag verworfen. -- Natürlich gingen
nun sämmtliche Anträge an die Bürgerschaft. Ohne sich weit von
der Wahrheit zu entfernen, konnte Caesar der Menge sagen, dass
der Senat die vernünftigsten und nothwendigsten in der ach-
tungsvollsten Form an ihn gebrachten Vorschläge, bloss weil sie
von dem demokratischen Consul kamen, schnöde zurückgewiesen
habe. Wenn er hinzufügte, dass die Aristokraten ein Complott
gesponnen hätten um die Verwerfung der Anträge zu bewirken
und die Bürgerschaft, namentlich Pompeius selbst und seine al-
ten Soldaten, aufforderte gegen List und Gewalt ihm beizustehen,
so war auch dies keineswegs aus der Luft gegriffen. Die Aristo-
kratie, voran der eigensinnige Schwachkopf Bibulus und der
standhafte Principiennarr Cato, hatte in der That beschlossen
die Sache noch weiter zu treiben. Pompeius, von Caesar ver-
anlasst sich über seine Stellung zu der obschwebenden Frage
auszusprechen, erklärte unumwunden, wie es sonst seine Art
nicht war, dass wenn Jemand wagen sollte das Schwert zu
zücken, auch er nach dem seinigen greifen und dann den Schild
nicht zu Hause lassen werde; ebenso sprach Crassus sich aus.
Pompeius alte Soldaten wurden angewiesen am Tage der Abstim-
mung, die ja sie zunächst anging, zahlreich und mit Waffen unter
den Kleidern auf dem Stimmplatze zu erscheinen. Die Nobilität
indess hatte nun einmal beschlossen keine Mittel unversucht zu
lassen um die Anträge Caesars zu vereiteln. An jedem Tage, wo
Caesar vor dem Volke auftrat, stellte sein College Bibulus die be-
kannten politischen Wetterbeobachtungen an, die alle öffentlichen
Geschäfte unterbrachen (II, 399); Caesar kümmerte sich um den
Himmel nicht, sondern fuhr fort seine irdischen Geschäfte zu
betreiben. Die tribunicische Intercession ward eingelegt; Caesar
begnügte sich sie nicht zu beachten. Bibulus und Cato sprangen
auf die Rednerbühne, haranguirten die Menge und trieben es bis
zum Krawall; Caesar liess sie durch Gerichtsdiener vom Markte
hinwegführen und übrigens dafür sorgen, dass ihnen kein Leides
geschah -- es lag auch in seinem Interesse, dass die politische
Komödie das blieb was sie war. Alles Chicanirens und alles Pol-
terns der Nobilität ungeachtet wurden das Ackergesetz, die Bestä-
tigung der asiatischen Organisationen und der Nachlass für die

FÜNFTES BUCH. KAPITEL VI.
rückgewiesen. Den Antrag hinsichtlich der Steuerpächter ver-
suchte Cato nach der unlöblichen Sitte des römischen Parlamen-
tarismus todtzusprechen, d. h. bis zu der gesetzlichen Schluſs-
stunde der Sitzung seine Rede fortzuspinnen; worauf Caesar
Miene machte, den störrigen Mann verhaften zu lassen. Schlieſs-
lich ward auch dieser Antrag verworfen. — Natürlich gingen
nun sämmtliche Anträge an die Bürgerschaft. Ohne sich weit von
der Wahrheit zu entfernen, konnte Caesar der Menge sagen, daſs
der Senat die vernünftigsten und nothwendigsten in der ach-
tungsvollsten Form an ihn gebrachten Vorschläge, bloſs weil sie
von dem demokratischen Consul kamen, schnöde zurückgewiesen
habe. Wenn er hinzufügte, daſs die Aristokraten ein Complott
gesponnen hätten um die Verwerfung der Anträge zu bewirken
und die Bürgerschaft, namentlich Pompeius selbst und seine al-
ten Soldaten, aufforderte gegen List und Gewalt ihm beizustehen,
so war auch dies keineswegs aus der Luft gegriffen. Die Aristo-
kratie, voran der eigensinnige Schwachkopf Bibulus und der
standhafte Principiennarr Cato, hatte in der That beschlossen
die Sache noch weiter zu treiben. Pompeius, von Caesar ver-
anlaſst sich über seine Stellung zu der obschwebenden Frage
auszusprechen, erklärte unumwunden, wie es sonst seine Art
nicht war, daſs wenn Jemand wagen sollte das Schwert zu
zücken, auch er nach dem seinigen greifen und dann den Schild
nicht zu Hause lassen werde; ebenso sprach Crassus sich aus.
Pompeius alte Soldaten wurden angewiesen am Tage der Abstim-
mung, die ja sie zunächst anging, zahlreich und mit Waffen unter
den Kleidern auf dem Stimmplatze zu erscheinen. Die Nobilität
indeſs hatte nun einmal beschlossen keine Mittel unversucht zu
lassen um die Anträge Caesars zu vereiteln. An jedem Tage, wo
Caesar vor dem Volke auftrat, stellte sein College Bibulus die be-
kannten politischen Wetterbeobachtungen an, die alle öffentlichen
Geschäfte unterbrachen (II, 399); Caesar kümmerte sich um den
Himmel nicht, sondern fuhr fort seine irdischen Geschäfte zu
betreiben. Die tribunicische Intercession ward eingelegt; Caesar
begnügte sich sie nicht zu beachten. Bibulus und Cato sprangen
auf die Rednerbühne, haranguirten die Menge und trieben es bis
zum Krawall; Caesar lieſs sie durch Gerichtsdiener vom Markte
hinwegführen und übrigens dafür sorgen, daſs ihnen kein Leides
geschah — es lag auch in seinem Interesse, daſs die politische
Komödie das blieb was sie war. Alles Chicanirens und alles Pol-
terns der Nobilität ungeachtet wurden das Ackergesetz, die Bestä-
tigung der asiatischen Organisationen und der Nachlaſs für die

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[194/0204] FÜNFTES BUCH. KAPITEL VI. rückgewiesen. Den Antrag hinsichtlich der Steuerpächter ver- suchte Cato nach der unlöblichen Sitte des römischen Parlamen- tarismus todtzusprechen, d. h. bis zu der gesetzlichen Schluſs- stunde der Sitzung seine Rede fortzuspinnen; worauf Caesar Miene machte, den störrigen Mann verhaften zu lassen. Schlieſs- lich ward auch dieser Antrag verworfen. — Natürlich gingen nun sämmtliche Anträge an die Bürgerschaft. Ohne sich weit von der Wahrheit zu entfernen, konnte Caesar der Menge sagen, daſs der Senat die vernünftigsten und nothwendigsten in der ach- tungsvollsten Form an ihn gebrachten Vorschläge, bloſs weil sie von dem demokratischen Consul kamen, schnöde zurückgewiesen habe. Wenn er hinzufügte, daſs die Aristokraten ein Complott gesponnen hätten um die Verwerfung der Anträge zu bewirken und die Bürgerschaft, namentlich Pompeius selbst und seine al- ten Soldaten, aufforderte gegen List und Gewalt ihm beizustehen, so war auch dies keineswegs aus der Luft gegriffen. Die Aristo- kratie, voran der eigensinnige Schwachkopf Bibulus und der standhafte Principiennarr Cato, hatte in der That beschlossen die Sache noch weiter zu treiben. Pompeius, von Caesar ver- anlaſst sich über seine Stellung zu der obschwebenden Frage auszusprechen, erklärte unumwunden, wie es sonst seine Art nicht war, daſs wenn Jemand wagen sollte das Schwert zu zücken, auch er nach dem seinigen greifen und dann den Schild nicht zu Hause lassen werde; ebenso sprach Crassus sich aus. Pompeius alte Soldaten wurden angewiesen am Tage der Abstim- mung, die ja sie zunächst anging, zahlreich und mit Waffen unter den Kleidern auf dem Stimmplatze zu erscheinen. Die Nobilität indeſs hatte nun einmal beschlossen keine Mittel unversucht zu lassen um die Anträge Caesars zu vereiteln. An jedem Tage, wo Caesar vor dem Volke auftrat, stellte sein College Bibulus die be- kannten politischen Wetterbeobachtungen an, die alle öffentlichen Geschäfte unterbrachen (II, 399); Caesar kümmerte sich um den Himmel nicht, sondern fuhr fort seine irdischen Geschäfte zu betreiben. Die tribunicische Intercession ward eingelegt; Caesar begnügte sich sie nicht zu beachten. Bibulus und Cato sprangen auf die Rednerbühne, haranguirten die Menge und trieben es bis zum Krawall; Caesar lieſs sie durch Gerichtsdiener vom Markte hinwegführen und übrigens dafür sorgen, daſs ihnen kein Leides geschah — es lag auch in seinem Interesse, daſs die politische Komödie das blieb was sie war. Alles Chicanirens und alles Pol- terns der Nobilität ungeachtet wurden das Ackergesetz, die Bestä- tigung der asiatischen Organisationen und der Nachlaſs für die

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856, S. 194. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische03_1856/204>, abgerufen am 30.04.2024.