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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856.

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geschaffen hatte. Bocchus und Sittius fielen vereinigt dem König
Juba in das Land und besetzten die wichtige Stadt Cirta. König
Juba ward hiedurch genöthigt einen Theil seiner Truppen an
seine Süd- und Westgrenze zu senden; indess blieb Caesars Lage
unbequem genug. Seine Armee war für jetzt auf den Raum einer
Quadratmeile zusammengedrängt; wenn auch die Flotte Getreide
herbeischaffte, so ward doch der Mangel an Fourage von Caesars
Reitern ebenso gefühlt wie vor Dyrrhachion von denen des Pom-
peius. Die leichten Truppen des Feindes blieben aller Anstren-
gungen Caesars ungeachtet den seinigen so unermesslich über-
legen, dass es für Caesar fast unmöglich schien die Offensive in
das Binnenland hinein auch mit seinen Veteranen durchzuführen.
Wenn Scipio zurückwich und die Küstenstädte preisgab, so
konnte er vielleicht einen Sieg erfechten wie die, welche Surenas
über Crassus, Juba über Curio davongetragen hatten, wenigstens
aber den Krieg ins Unendliche hinausziehen. Diesen Feldzugs-
plan ergab die einfachste Ueberlegung: selbst Cato, obwohl nichts
weniger als ein Strateg, rieth dazu und erbot sich zugleich mit
einem Corps nach Italien überzufahren und dort die Republikaner
unter die Waffen zu rufen, was bei der gründlichen Verwirrung
daselbst gar wohl Erfolg haben konnte. Allein Cato konnte nur
rathen, nicht befehlen; der Oberbefehlshaber Scipio entschied,
dass der Krieg in der Küstenlandschaft geführt werden solle. Es
war dies um so verkehrter, als die fürchterlich strenge Aushebung,
die Wegschleppung der Vorräthe, die Verwüstung der kleineren
Ortschaften, überhaupt das Gefühl einer von Haus aus ihr frem-
den und bereits verlorenen Sache aufgeopfert zu werden die ein-
heimische Bevölkerung erbittert hatte gegen die römischen Re-
publikaner, die auf africanischem Boden ihren letzten Verzweif-
lungskampf kämpften. Das terroristische Verfahren der letzteren
gegen alle auch nur der Gleichgültigkeit verdächtigen Gemein-
den (S. 413) steigerte diese Erbitterung zum furchtbarsten Hass.
Die africanischen Städte erklärten, wo sie irgend es wagen
konnten, sich für Caesar; unter den Gaetulern und den Libyern,
die unter den leichten Truppen und selbst in den Legionen in
Menge dienten, riss die Desertion ein. Alle diese Nachtheile wirk-
ten doppelt stark für die Republikaner, als der Krieg in die
Küstenlandschaft verlegt und das Heer dem feindlichen gegen-
über gestellt ward. Indess Scipio beharrte mit aller dem Unver-
stand eigenen Hartnäckigkeit auf seinem Plan, zog mit gesamm-
ter Heeresmacht von Utica her vor die von Caesar besetzten Städte
Ruspina und Kleinleptis, besetzte nördlich davon Hadrumetum,

THAPSUS.
geschaffen hatte. Bocchus und Sittius fielen vereinigt dem König
Juba in das Land und besetzten die wichtige Stadt Cirta. König
Juba ward hiedurch genöthigt einen Theil seiner Truppen an
seine Süd- und Westgrenze zu senden; indeſs blieb Caesars Lage
unbequem genug. Seine Armee war für jetzt auf den Raum einer
Quadratmeile zusammengedrängt; wenn auch die Flotte Getreide
herbeischaffte, so ward doch der Mangel an Fourage von Caesars
Reitern ebenso gefühlt wie vor Dyrrhachion von denen des Pom-
peius. Die leichten Truppen des Feindes blieben aller Anstren-
gungen Caesars ungeachtet den seinigen so unermeſslich über-
legen, daſs es für Caesar fast unmöglich schien die Offensive in
das Binnenland hinein auch mit seinen Veteranen durchzuführen.
Wenn Scipio zurückwich und die Küstenstädte preisgab, so
konnte er vielleicht einen Sieg erfechten wie die, welche Surenas
über Crassus, Juba über Curio davongetragen hatten, wenigstens
aber den Krieg ins Unendliche hinausziehen. Diesen Feldzugs-
plan ergab die einfachste Ueberlegung: selbst Cato, obwohl nichts
weniger als ein Strateg, rieth dazu und erbot sich zugleich mit
einem Corps nach Italien überzufahren und dort die Republikaner
unter die Waffen zu rufen, was bei der gründlichen Verwirrung
daselbst gar wohl Erfolg haben konnte. Allein Cato konnte nur
rathen, nicht befehlen; der Oberbefehlshaber Scipio entschied,
daſs der Krieg in der Küstenlandschaft geführt werden solle. Es
war dies um so verkehrter, als die fürchterlich strenge Aushebung,
die Wegschleppung der Vorräthe, die Verwüstung der kleineren
Ortschaften, überhaupt das Gefühl einer von Haus aus ihr frem-
den und bereits verlorenen Sache aufgeopfert zu werden die ein-
heimische Bevölkerung erbittert hatte gegen die römischen Re-
publikaner, die auf africanischem Boden ihren letzten Verzweif-
lungskampf kämpften. Das terroristische Verfahren der letzteren
gegen alle auch nur der Gleichgültigkeit verdächtigen Gemein-
den (S. 413) steigerte diese Erbitterung zum furchtbarsten Haſs.
Die africanischen Städte erklärten, wo sie irgend es wagen
konnten, sich für Caesar; unter den Gaetulern und den Libyern,
die unter den leichten Truppen und selbst in den Legionen in
Menge dienten, riſs die Desertion ein. Alle diese Nachtheile wirk-
ten doppelt stark für die Republikaner, als der Krieg in die
Küstenlandschaft verlegt und das Heer dem feindlichen gegen-
über gestellt ward. Indeſs Scipio beharrte mit aller dem Unver-
stand eigenen Hartnäckigkeit auf seinem Plan, zog mit gesamm-
ter Heeresmacht von Utica her vor die von Caesar besetzten Städte
Ruspina und Kleinleptis, besetzte nördlich davon Hadrumetum,

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[421/0431] THAPSUS. geschaffen hatte. Bocchus und Sittius fielen vereinigt dem König Juba in das Land und besetzten die wichtige Stadt Cirta. König Juba ward hiedurch genöthigt einen Theil seiner Truppen an seine Süd- und Westgrenze zu senden; indeſs blieb Caesars Lage unbequem genug. Seine Armee war für jetzt auf den Raum einer Quadratmeile zusammengedrängt; wenn auch die Flotte Getreide herbeischaffte, so ward doch der Mangel an Fourage von Caesars Reitern ebenso gefühlt wie vor Dyrrhachion von denen des Pom- peius. Die leichten Truppen des Feindes blieben aller Anstren- gungen Caesars ungeachtet den seinigen so unermeſslich über- legen, daſs es für Caesar fast unmöglich schien die Offensive in das Binnenland hinein auch mit seinen Veteranen durchzuführen. Wenn Scipio zurückwich und die Küstenstädte preisgab, so konnte er vielleicht einen Sieg erfechten wie die, welche Surenas über Crassus, Juba über Curio davongetragen hatten, wenigstens aber den Krieg ins Unendliche hinausziehen. Diesen Feldzugs- plan ergab die einfachste Ueberlegung: selbst Cato, obwohl nichts weniger als ein Strateg, rieth dazu und erbot sich zugleich mit einem Corps nach Italien überzufahren und dort die Republikaner unter die Waffen zu rufen, was bei der gründlichen Verwirrung daselbst gar wohl Erfolg haben konnte. Allein Cato konnte nur rathen, nicht befehlen; der Oberbefehlshaber Scipio entschied, daſs der Krieg in der Küstenlandschaft geführt werden solle. Es war dies um so verkehrter, als die fürchterlich strenge Aushebung, die Wegschleppung der Vorräthe, die Verwüstung der kleineren Ortschaften, überhaupt das Gefühl einer von Haus aus ihr frem- den und bereits verlorenen Sache aufgeopfert zu werden die ein- heimische Bevölkerung erbittert hatte gegen die römischen Re- publikaner, die auf africanischem Boden ihren letzten Verzweif- lungskampf kämpften. Das terroristische Verfahren der letzteren gegen alle auch nur der Gleichgültigkeit verdächtigen Gemein- den (S. 413) steigerte diese Erbitterung zum furchtbarsten Haſs. Die africanischen Städte erklärten, wo sie irgend es wagen konnten, sich für Caesar; unter den Gaetulern und den Libyern, die unter den leichten Truppen und selbst in den Legionen in Menge dienten, riſs die Desertion ein. Alle diese Nachtheile wirk- ten doppelt stark für die Republikaner, als der Krieg in die Küstenlandschaft verlegt und das Heer dem feindlichen gegen- über gestellt ward. Indeſs Scipio beharrte mit aller dem Unver- stand eigenen Hartnäckigkeit auf seinem Plan, zog mit gesamm- ter Heeresmacht von Utica her vor die von Caesar besetzten Städte Ruspina und Kleinleptis, besetzte nördlich davon Hadrumetum,

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856, S. 421. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische03_1856/431>, abgerufen am 21.05.2024.