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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856.

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FÜNFTES BUCH. KAPITEL XI.
Ruinen und war zufrieden in den einmal angewiesenen weiten,
aber begrenzten Räumen möglichst erträglich und möglichst sicher
sich einzurichten. Mit Recht hat denn auch der feine Dichtertact
der Völker um den unpoetischen Römer sich nicht bekümmert
und nur den Sohn des Philippos mit allem Goldglanz der Poesie,
mit allen Regenbogenfarben der Sage bekleidet. Aber das staat-
liche Leben der Nationen hat seit Jahrtausenden wieder und wie-
der auf die Linien zurückgelenkt, die Caesar gezogen hat, und
wenn die Völker, denen die Welt gehört, noch heute mit seinem
Namen die höchsten ihrer Monarchen nennen, so liegt darin eine
tiefsinnige, leider auch eine beschämende Mahnung.

Wenn es gelingen sollte aus den alten in jeder Hinsicht
heillosen Zuständen herauszukommen und das Gemeinwesen zu
verjüngen, so musste vor allen Dingen das Land thatsächlich be-
ruhigt und der Boden von den Trümmern, die von der letzten
Katastrophe her überall ihn bedeckten, gesäubert werden. Caesar
ging dabei aus von dem Grundsatz der Versöhnung der bisheri-
gen Parteien oder richtiger gesagt -- denn von wirklicher Aus-
gleichung kann bei unversöhnlichen Gegensätzen nicht gesprochen
werden -- von dem Grundsatz, dass der Kampfplatz, auf dem die
Nobilität und die Popularen bisher mit einander gestritten hatten,
von beiden Theilen aufzugeben sei und beide auf dem Boden der
neuen monarchischen Verfassung sich zusammenzufinden hätten.
Vor allen Dingen also galt aller ältere Hader der republikanischen
Vergangenheit als abgethan für immer und ewig. Während Cae-
sar die auf die Nachricht von der pharsalischen Schlacht von dem
hauptstädtischen Pöbel umgestürzten Bildsäulen Sullas wieder
aufzurichten befahl und also es anerkannte, dass über diesen
grossen Mann einzig der Geschichte Gericht zu halten gebühre,
hob er zugleich die letzten noch nachwirkenden Folgen seiner
Ausnahmegesetze auf, rief die noch von den cinnanischen und
sertorianischen Wirren her Verbannten aus dem Exil zurück und
gab den Kindern der von Sulla Geächteten die verlorene passive
Wahlfähigkeit wieder. Ebenso wurden alle diejenigen restituirt,
die in dem vorbereitenden Stadium der letzten Katastrophe durch
Censorenspruch oder politischen Prozess, namentlich durch die
auf Grund der Exceptionalgesetze von 702 erhobenen Anklagen,
ihren Sitz im Senat oder ihre bürgerliche Existenz eingebüsst
hatten. Nur blieben, wie billig, diejenigen, die für Geld Geächtete
getödtet hatten, auch ferner bescholten und ward der verwegenste
Condottiere der Senatspartei, Milo von der allgemeinen Begnadi-
gung ausgeschlossen. -- Weit schwieriger als die Ordnung dieser

FÜNFTES BUCH. KAPITEL XI.
Ruinen und war zufrieden in den einmal angewiesenen weiten,
aber begrenzten Räumen möglichst erträglich und möglichst sicher
sich einzurichten. Mit Recht hat denn auch der feine Dichtertact
der Völker um den unpoetischen Römer sich nicht bekümmert
und nur den Sohn des Philippos mit allem Goldglanz der Poesie,
mit allen Regenbogenfarben der Sage bekleidet. Aber das staat-
liche Leben der Nationen hat seit Jahrtausenden wieder und wie-
der auf die Linien zurückgelenkt, die Caesar gezogen hat, und
wenn die Völker, denen die Welt gehört, noch heute mit seinem
Namen die höchsten ihrer Monarchen nennen, so liegt darin eine
tiefsinnige, leider auch eine beschämende Mahnung.

Wenn es gelingen sollte aus den alten in jeder Hinsicht
heillosen Zuständen herauszukommen und das Gemeinwesen zu
verjüngen, so muſste vor allen Dingen das Land thatsächlich be-
ruhigt und der Boden von den Trümmern, die von der letzten
Katastrophe her überall ihn bedeckten, gesäubert werden. Caesar
ging dabei aus von dem Grundsatz der Versöhnung der bisheri-
gen Parteien oder richtiger gesagt — denn von wirklicher Aus-
gleichung kann bei unversöhnlichen Gegensätzen nicht gesprochen
werden — von dem Grundsatz, daſs der Kampfplatz, auf dem die
Nobilität und die Popularen bisher mit einander gestritten hatten,
von beiden Theilen aufzugeben sei und beide auf dem Boden der
neuen monarchischen Verfassung sich zusammenzufinden hätten.
Vor allen Dingen also galt aller ältere Hader der republikanischen
Vergangenheit als abgethan für immer und ewig. Während Cae-
sar die auf die Nachricht von der pharsalischen Schlacht von dem
hauptstädtischen Pöbel umgestürzten Bildsäulen Sullas wieder
aufzurichten befahl und also es anerkannte, daſs über diesen
groſsen Mann einzig der Geschichte Gericht zu halten gebühre,
hob er zugleich die letzten noch nachwirkenden Folgen seiner
Ausnahmegesetze auf, rief die noch von den cinnanischen und
sertorianischen Wirren her Verbannten aus dem Exil zurück und
gab den Kindern der von Sulla Geächteten die verlorene passive
Wahlfähigkeit wieder. Ebenso wurden alle diejenigen restituirt,
die in dem vorbereitenden Stadium der letzten Katastrophe durch
Censorenspruch oder politischen Prozeſs, namentlich durch die
auf Grund der Exceptionalgesetze von 702 erhobenen Anklagen,
ihren Sitz im Senat oder ihre bürgerliche Existenz eingebüſst
hatten. Nur blieben, wie billig, diejenigen, die für Geld Geächtete
getödtet hatten, auch ferner bescholten und ward der verwegenste
Condottiere der Senatspartei, Milo von der allgemeinen Begnadi-
gung ausgeschlossen. — Weit schwieriger als die Ordnung dieser

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[436/0446] FÜNFTES BUCH. KAPITEL XI. Ruinen und war zufrieden in den einmal angewiesenen weiten, aber begrenzten Räumen möglichst erträglich und möglichst sicher sich einzurichten. Mit Recht hat denn auch der feine Dichtertact der Völker um den unpoetischen Römer sich nicht bekümmert und nur den Sohn des Philippos mit allem Goldglanz der Poesie, mit allen Regenbogenfarben der Sage bekleidet. Aber das staat- liche Leben der Nationen hat seit Jahrtausenden wieder und wie- der auf die Linien zurückgelenkt, die Caesar gezogen hat, und wenn die Völker, denen die Welt gehört, noch heute mit seinem Namen die höchsten ihrer Monarchen nennen, so liegt darin eine tiefsinnige, leider auch eine beschämende Mahnung. Wenn es gelingen sollte aus den alten in jeder Hinsicht heillosen Zuständen herauszukommen und das Gemeinwesen zu verjüngen, so muſste vor allen Dingen das Land thatsächlich be- ruhigt und der Boden von den Trümmern, die von der letzten Katastrophe her überall ihn bedeckten, gesäubert werden. Caesar ging dabei aus von dem Grundsatz der Versöhnung der bisheri- gen Parteien oder richtiger gesagt — denn von wirklicher Aus- gleichung kann bei unversöhnlichen Gegensätzen nicht gesprochen werden — von dem Grundsatz, daſs der Kampfplatz, auf dem die Nobilität und die Popularen bisher mit einander gestritten hatten, von beiden Theilen aufzugeben sei und beide auf dem Boden der neuen monarchischen Verfassung sich zusammenzufinden hätten. Vor allen Dingen also galt aller ältere Hader der republikanischen Vergangenheit als abgethan für immer und ewig. Während Cae- sar die auf die Nachricht von der pharsalischen Schlacht von dem hauptstädtischen Pöbel umgestürzten Bildsäulen Sullas wieder aufzurichten befahl und also es anerkannte, daſs über diesen groſsen Mann einzig der Geschichte Gericht zu halten gebühre, hob er zugleich die letzten noch nachwirkenden Folgen seiner Ausnahmegesetze auf, rief die noch von den cinnanischen und sertorianischen Wirren her Verbannten aus dem Exil zurück und gab den Kindern der von Sulla Geächteten die verlorene passive Wahlfähigkeit wieder. Ebenso wurden alle diejenigen restituirt, die in dem vorbereitenden Stadium der letzten Katastrophe durch Censorenspruch oder politischen Prozeſs, namentlich durch die auf Grund der Exceptionalgesetze von 702 erhobenen Anklagen, ihren Sitz im Senat oder ihre bürgerliche Existenz eingebüſst hatten. Nur blieben, wie billig, diejenigen, die für Geld Geächtete getödtet hatten, auch ferner bescholten und ward der verwegenste Condottiere der Senatspartei, Milo von der allgemeinen Begnadi- gung ausgeschlossen. — Weit schwieriger als die Ordnung dieser

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856, S. 436. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische03_1856/446>, abgerufen am 21.05.2024.