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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856.

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FÜNFTES BUCH. KAPITEL XI.
peianer und die Hirtensclaven unter die Waffen. Allein Rufus
Plan der Stadt Capua sich durch bewaffnete Sclaven zu bemäch-
tigen ward vor der Ausführung entdeckt und durch die capuani-
sche Bürgerwehr vereitelt; Quintus Pedius, der mit einer Legion
in das thurinische Gebiet einrückte, zerstreute die daselbst hau-
sende Bande; und der Fall ihrer beiden Führer machte dem Scan-
dal völlig ein Ende. Dennoch fand sich das Jahr darauf ein zweiter
Thor, der Volkstribun Publius Dolabella, der, gleich verschuldet,
aber ungleich weniger begabt als sein Vorgänger, dessen Gesetz
über die Forderungen und Hausmiethen abermals einbrachte und
mit seinem Collegen Lucius Trebellius darüber noch einmal --
es war das letzte Mal -- den Demagogenkrieg begann; es gab
arge Händel zwischen den beiderseitigen bewaffneten Banden
und vielfachen Strassenlärm, bis der Commandant von Italien
Marcus Antonius das Militair einschreiten liess und bald darauf
Caesars Rückkehr aus dem Osten dem tollen Treiben vollstän-
dig ein Ziel setzte. Caesar legte diesen hirnlosen Versuchen die
catilinarischen Projecte wieder aufzuwärmen so wenig Gewicht
bei, dass er selbst den Dolabella in Italien duldete, ja nach eini-
ger Zeit ihn sogar wieder zu Gnaden annahm. Gegen solches Gesin-
del, dem es nicht um irgend welche politische Frage, sondern ein-
zig um den Krieg gegen das Eigenthum zu thun ist, genügt wie
gegen die Räuberbanden die blosse Existenz einer starken Regie-
rung; und Caesar war zu gross und zu besonnen, um mit der
Angst, die die italischen Trembleurs vor diesen damaligen Com-
munisten empfanden, Geschäfte zu machen und damit seiner Mo-
narchie eine falsche Popularität zu erschwindeln. -- Wenn Caesar
also die demokratische Partei ihrem schon bis an die äusserste
Grenze vorgeschrittenen Zersetzungsprozess überlassen konnte
und überliess, so war es dagegen bei weitem schwieriger die ehe-
malige aristokratische Partei in der Art zu behandeln, dass die ge-
hörige Verbindung des Niederdrückens und des Entgegenkommens
ihre Auflösung nicht herbeiführte -- dies vermochte nur die Zeit
-- sondern sie vorbereitete und einleitete. Es war das Wenigste,
dass Caesar, schon aus natürlichem Anstandsgefühl, es vermied die
gestürzte Partei durch leeren Hohn zu erbittern, über die besiegten
Mitbürger nicht triumphirte*, des Pompeius oft und immer
mit Achtung gedachte und sein vom Volke umgestürztes Stand-

* Auch der Triumph nach der später zu erwähnenden Schlacht bei
Munda galt wohl nur den zahlreich in dem besiegten Heer dienenden Lu-
sitanern.

FÜNFTES BUCH. KAPITEL XI.
peianer und die Hirtensclaven unter die Waffen. Allein Rufus
Plan der Stadt Capua sich durch bewaffnete Sclaven zu bemäch-
tigen ward vor der Ausführung entdeckt und durch die capuani-
sche Bürgerwehr vereitelt; Quintus Pedius, der mit einer Legion
in das thurinische Gebiet einrückte, zerstreute die daselbst hau-
sende Bande; und der Fall ihrer beiden Führer machte dem Scan-
dal völlig ein Ende. Dennoch fand sich das Jahr darauf ein zweiter
Thor, der Volkstribun Publius Dolabella, der, gleich verschuldet,
aber ungleich weniger begabt als sein Vorgänger, dessen Gesetz
über die Forderungen und Hausmiethen abermals einbrachte und
mit seinem Collegen Lucius Trebellius darüber noch einmal —
es war das letzte Mal — den Demagogenkrieg begann; es gab
arge Händel zwischen den beiderseitigen bewaffneten Banden
und vielfachen Straſsenlärm, bis der Commandant von Italien
Marcus Antonius das Militair einschreiten lieſs und bald darauf
Caesars Rückkehr aus dem Osten dem tollen Treiben vollstän-
dig ein Ziel setzte. Caesar legte diesen hirnlosen Versuchen die
catilinarischen Projecte wieder aufzuwärmen so wenig Gewicht
bei, daſs er selbst den Dolabella in Italien duldete, ja nach eini-
ger Zeit ihn sogar wieder zu Gnaden annahm. Gegen solches Gesin-
del, dem es nicht um irgend welche politische Frage, sondern ein-
zig um den Krieg gegen das Eigenthum zu thun ist, genügt wie
gegen die Räuberbanden die bloſse Existenz einer starken Regie-
rung; und Caesar war zu groſs und zu besonnen, um mit der
Angst, die die italischen Trembleurs vor diesen damaligen Com-
munisten empfanden, Geschäfte zu machen und damit seiner Mo-
narchie eine falsche Popularität zu erschwindeln. — Wenn Caesar
also die demokratische Partei ihrem schon bis an die äuſserste
Grenze vorgeschrittenen Zersetzungsprozeſs überlassen konnte
und überlieſs, so war es dagegen bei weitem schwieriger die ehe-
malige aristokratische Partei in der Art zu behandeln, daſs die ge-
hörige Verbindung des Niederdrückens und des Entgegenkommens
ihre Auflösung nicht herbeiführte — dies vermochte nur die Zeit
— sondern sie vorbereitete und einleitete. Es war das Wenigste,
daſs Caesar, schon aus natürlichem Anstandsgefühl, es vermied die
gestürzte Partei durch leeren Hohn zu erbittern, über die besiegten
Mitbürger nicht triumphirte*, des Pompeius oft und immer
mit Achtung gedachte und sein vom Volke umgestürztes Stand-

* Auch der Triumph nach der später zu erwähnenden Schlacht bei
Munda galt wohl nur den zahlreich in dem besiegten Heer dienenden Lu-
sitanern.
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[438/0448] FÜNFTES BUCH. KAPITEL XI. peianer und die Hirtensclaven unter die Waffen. Allein Rufus Plan der Stadt Capua sich durch bewaffnete Sclaven zu bemäch- tigen ward vor der Ausführung entdeckt und durch die capuani- sche Bürgerwehr vereitelt; Quintus Pedius, der mit einer Legion in das thurinische Gebiet einrückte, zerstreute die daselbst hau- sende Bande; und der Fall ihrer beiden Führer machte dem Scan- dal völlig ein Ende. Dennoch fand sich das Jahr darauf ein zweiter Thor, der Volkstribun Publius Dolabella, der, gleich verschuldet, aber ungleich weniger begabt als sein Vorgänger, dessen Gesetz über die Forderungen und Hausmiethen abermals einbrachte und mit seinem Collegen Lucius Trebellius darüber noch einmal — es war das letzte Mal — den Demagogenkrieg begann; es gab arge Händel zwischen den beiderseitigen bewaffneten Banden und vielfachen Straſsenlärm, bis der Commandant von Italien Marcus Antonius das Militair einschreiten lieſs und bald darauf Caesars Rückkehr aus dem Osten dem tollen Treiben vollstän- dig ein Ziel setzte. Caesar legte diesen hirnlosen Versuchen die catilinarischen Projecte wieder aufzuwärmen so wenig Gewicht bei, daſs er selbst den Dolabella in Italien duldete, ja nach eini- ger Zeit ihn sogar wieder zu Gnaden annahm. Gegen solches Gesin- del, dem es nicht um irgend welche politische Frage, sondern ein- zig um den Krieg gegen das Eigenthum zu thun ist, genügt wie gegen die Räuberbanden die bloſse Existenz einer starken Regie- rung; und Caesar war zu groſs und zu besonnen, um mit der Angst, die die italischen Trembleurs vor diesen damaligen Com- munisten empfanden, Geschäfte zu machen und damit seiner Mo- narchie eine falsche Popularität zu erschwindeln. — Wenn Caesar also die demokratische Partei ihrem schon bis an die äuſserste Grenze vorgeschrittenen Zersetzungsprozeſs überlassen konnte und überlieſs, so war es dagegen bei weitem schwieriger die ehe- malige aristokratische Partei in der Art zu behandeln, daſs die ge- hörige Verbindung des Niederdrückens und des Entgegenkommens ihre Auflösung nicht herbeiführte — dies vermochte nur die Zeit — sondern sie vorbereitete und einleitete. Es war das Wenigste, daſs Caesar, schon aus natürlichem Anstandsgefühl, es vermied die gestürzte Partei durch leeren Hohn zu erbittern, über die besiegten Mitbürger nicht triumphirte *, des Pompeius oft und immer mit Achtung gedachte und sein vom Volke umgestürztes Stand- * Auch der Triumph nach der später zu erwähnenden Schlacht bei Munda galt wohl nur den zahlreich in dem besiegten Heer dienenden Lu- sitanern.

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856, S. 438. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische03_1856/448>, abgerufen am 21.05.2024.