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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856.

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DIE SULLANISCHE RESTAURATIONSHERRSCHAFT.
wohl erklärlich ist, machte es gleichsam zu einem Axiom der rö-
mischen Politik jeden Krieg nicht bloss bis zur Ueberwältigung,
sondern bis zur Vernichtung des Gegners zu führen; man war
insofern mit dem Frieden Sullas von Haus aus in Rom so wenig
zufrieden wie einst mit den Bedingungen, die Scipio Africanus
den Karthagern gewährt hatte. Die vielfach geäusserte Besorg-
niss, dass ein zweiter Angriff des pontischen Königs bevorstehe,
ward einigermassen gerechtfertigt durch die ungemeine Aehn-
lichkeit der gegenwärtigen Verhältnisse mit denen vor zwölf
Jahren. Wieder traf ein gefährlicher innerer Krieg zusammen
mit ernstlichen Rüstungen im Pontos; wieder überschwemmten
die Thraker Makedonien und bedeckten die Corsarenflotten das
ganze Mittelmeer; wieder kamen und gingen die Emissäre wie
einst zwischen Mithradates und den Italikern so jetzt zwischen
den römischen Emigranten in Spanien und denen am Hofe von
Sinope. Schon im Anfang des J. 677 ward es im Senat ausge-
sprochen, dass der König nur auf die Gelegenheit warte während
des italischen Bürgerkriegs das römische Asien zu überfallen; die
römischen Armeen in Asia und Kilikien wurden verstärkt um
möglichen Ereignissen zu begegnen. Auch Mithradates verfolgte
mit steigender Besorgniss die Entwickelung der römischen Politik.
Er musste es fühlen, dass ein Krieg der Römer gegen Tigranes,
wie sehr auch der schwächliche Senat davor sich scheuen möge,
doch auf die Länge kaum vermeidlich sei und er nicht umhin
können werde sich an demselben zu betheiligen. Der Versuch
das immer noch mangelnde schriftliche Friedensinstrument von
dem römischen Senat zu erlangen war in die Wirren der lepi-
dianischen Revolution gefallen und ohne Erfolg geblieben; Mi-
thradates fand darin ein Anzeichen der bevorstehenden Erneue-
rung des Kampfes und die Einleitung dazu in der Expedition
gegen die Seeräuber, die mittelbar doch auch die Könige des
Ostens betraf, deren Verbündete sie waren. Noch bedenklicher
waren die schwebenden Ansprüche Roms auf Aegypten und Ky-
pros; es ist bezeichnend, dass der pontische König den beiden
Ptolemaeern, denen der Senat fortfuhr die Anerkennung zu wei-
gern, seine beiden Töchter Mithradatis und Nyssa verlobte. Die
Emigranten drängten zum Losschlagen; Sertorius Stellung in Spa-
nien, die zu erkunden Mithradates unter passenden Vorwänden
Boten in das pompeianische Hauptquartier abordnete und die
in der That eben um diese Zeit imposant war, eröffnete dem
König die Aussicht, nicht wie in dem ersten Krieg gegen die bei-
den römischen Parteien, sondern mit der einen gegen die andere
FÜNFTES BUCH. KAPITEL II.

DIE SULLANISCHE RESTAURATIONSHERRSCHAFT.
wohl erklärlich ist, machte es gleichsam zu einem Axiom der rö-
mischen Politik jeden Krieg nicht bloſs bis zur Ueberwältigung,
sondern bis zur Vernichtung des Gegners zu führen; man war
insofern mit dem Frieden Sullas von Haus aus in Rom so wenig
zufrieden wie einst mit den Bedingungen, die Scipio Africanus
den Karthagern gewährt hatte. Die vielfach geäuſserte Besorg-
niſs, daſs ein zweiter Angriff des pontischen Königs bevorstehe,
ward einigermaſsen gerechtfertigt durch die ungemeine Aehn-
lichkeit der gegenwärtigen Verhältnisse mit denen vor zwölf
Jahren. Wieder traf ein gefährlicher innerer Krieg zusammen
mit ernstlichen Rüstungen im Pontos; wieder überschwemmten
die Thraker Makedonien und bedeckten die Corsarenflotten das
ganze Mittelmeer; wieder kamen und gingen die Emissäre wie
einst zwischen Mithradates und den Italikern so jetzt zwischen
den römischen Emigranten in Spanien und denen am Hofe von
Sinope. Schon im Anfang des J. 677 ward es im Senat ausge-
sprochen, daſs der König nur auf die Gelegenheit warte während
des italischen Bürgerkriegs das römische Asien zu überfallen; die
römischen Armeen in Asia und Kilikien wurden verstärkt um
möglichen Ereignissen zu begegnen. Auch Mithradates verfolgte
mit steigender Besorgniſs die Entwickelung der römischen Politik.
Er muſste es fühlen, daſs ein Krieg der Römer gegen Tigranes,
wie sehr auch der schwächliche Senat davor sich scheuen möge,
doch auf die Länge kaum vermeidlich sei und er nicht umhin
können werde sich an demselben zu betheiligen. Der Versuch
das immer noch mangelnde schriftliche Friedensinstrument von
dem römischen Senat zu erlangen war in die Wirren der lepi-
dianischen Revolution gefallen und ohne Erfolg geblieben; Mi-
thradates fand darin ein Anzeichen der bevorstehenden Erneue-
rung des Kampfes und die Einleitung dazu in der Expedition
gegen die Seeräuber, die mittelbar doch auch die Könige des
Ostens betraf, deren Verbündete sie waren. Noch bedenklicher
waren die schwebenden Ansprüche Roms auf Aegypten und Ky-
pros; es ist bezeichnend, daſs der pontische König den beiden
Ptolemaeern, denen der Senat fortfuhr die Anerkennung zu wei-
gern, seine beiden Töchter Mithradatis und Nyssa verlobte. Die
Emigranten drängten zum Losschlagen; Sertorius Stellung in Spa-
nien, die zu erkunden Mithradates unter passenden Vorwänden
Boten in das pompeianische Hauptquartier abordnete und die
in der That eben um diese Zeit imposant war, eröffnete dem
König die Aussicht, nicht wie in dem ersten Krieg gegen die bei-
den römischen Parteien, sondern mit der einen gegen die andere
FÜNFTES BUCH. KAPITEL II.

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[47/0057] DIE SULLANISCHE RESTAURATIONSHERRSCHAFT. FÜNFTES BUCH. KAPITEL II. wohl erklärlich ist, machte es gleichsam zu einem Axiom der rö- mischen Politik jeden Krieg nicht bloſs bis zur Ueberwältigung, sondern bis zur Vernichtung des Gegners zu führen; man war insofern mit dem Frieden Sullas von Haus aus in Rom so wenig zufrieden wie einst mit den Bedingungen, die Scipio Africanus den Karthagern gewährt hatte. Die vielfach geäuſserte Besorg- niſs, daſs ein zweiter Angriff des pontischen Königs bevorstehe, ward einigermaſsen gerechtfertigt durch die ungemeine Aehn- lichkeit der gegenwärtigen Verhältnisse mit denen vor zwölf Jahren. Wieder traf ein gefährlicher innerer Krieg zusammen mit ernstlichen Rüstungen im Pontos; wieder überschwemmten die Thraker Makedonien und bedeckten die Corsarenflotten das ganze Mittelmeer; wieder kamen und gingen die Emissäre wie einst zwischen Mithradates und den Italikern so jetzt zwischen den römischen Emigranten in Spanien und denen am Hofe von Sinope. Schon im Anfang des J. 677 ward es im Senat ausge- sprochen, daſs der König nur auf die Gelegenheit warte während des italischen Bürgerkriegs das römische Asien zu überfallen; die römischen Armeen in Asia und Kilikien wurden verstärkt um möglichen Ereignissen zu begegnen. Auch Mithradates verfolgte mit steigender Besorgniſs die Entwickelung der römischen Politik. Er muſste es fühlen, daſs ein Krieg der Römer gegen Tigranes, wie sehr auch der schwächliche Senat davor sich scheuen möge, doch auf die Länge kaum vermeidlich sei und er nicht umhin können werde sich an demselben zu betheiligen. Der Versuch das immer noch mangelnde schriftliche Friedensinstrument von dem römischen Senat zu erlangen war in die Wirren der lepi- dianischen Revolution gefallen und ohne Erfolg geblieben; Mi- thradates fand darin ein Anzeichen der bevorstehenden Erneue- rung des Kampfes und die Einleitung dazu in der Expedition gegen die Seeräuber, die mittelbar doch auch die Könige des Ostens betraf, deren Verbündete sie waren. Noch bedenklicher waren die schwebenden Ansprüche Roms auf Aegypten und Ky- pros; es ist bezeichnend, daſs der pontische König den beiden Ptolemaeern, denen der Senat fortfuhr die Anerkennung zu wei- gern, seine beiden Töchter Mithradatis und Nyssa verlobte. Die Emigranten drängten zum Losschlagen; Sertorius Stellung in Spa- nien, die zu erkunden Mithradates unter passenden Vorwänden Boten in das pompeianische Hauptquartier abordnete und die in der That eben um diese Zeit imposant war, eröffnete dem König die Aussicht, nicht wie in dem ersten Krieg gegen die bei- den römischen Parteien, sondern mit der einen gegen die andere

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856, S. 47. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische03_1856/57>, abgerufen am 05.05.2024.