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Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856.

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DIE SULLANISCHE RESTAURATIONSHERRSCHAFT.
bruttische Halbinsel von dem übrigen Italien absperrte* und
dem von Rhegion rückkehrenden Insurgentenheer den Weg ver-
legte und die Zufuhr abschnitt. Indess in einer dunklen Winter-
nacht durchbrach Spartacus die feindlichen Linien und stand im
Frühjahr 683** wieder in Lucanien. Das mühsame Werk war
also vergebens gewesen. Crassus fing an an der Lösung seiner
Aufgabe zu verzweifeln und forderte vom Senat, dass er die in
Makedonien unter Marcus Lucullus, im diesseitigen Spanien unter
Gnaeus Pompeius stehenden Heere zu seiner Unterstützung nach
Italien berufe. Es bedurfte indess dieses äussersten Nothschrit-
tes nicht; die Uneinigkeit und der Uebermuth der Räuberhaufen
genügten um ihre Erfolge wieder zu vereiteln. Abermals lösten
sich die Kelten und Germanen von dem Bunde, dessen Haupt
und Seele der Thraker war, um unter Führern ihrer eigenen Na-
tion, Gannicus und Castus sich vereinzelt den Römern ans Mes-
ser zu liefern. Einmal, am lucanischen See, rettete sie Spartacus
rechtzeitiges Erscheinen; sie schlugen nun zwar wohl ihr Lager
nahe bei dem seinigen, aber dennoch gelang es Crassus Spar-
tacus durch die Reiterei zu beschäftigen und indessen die kelti-
schen Haufen zu umstellen und zum Sonderkampf zu zwingen,
in welchem sie sämmtlich, man sagt 12300 Streiter, tapfer käm-
pfend fielen, alle auf dem Platze und mit den Wunden nach vorn.
Spartacus versuchte darauf sich mit seiner Abtheilung in die
Berge um Petelia (bei Strongoli in Calabrien) zu werfen und
schlug nachdrücklich die römische Vorhut, die dem Weichenden
folgte. Allein dieser Sieg gereichte mehr dem Sieger als dem
Besiegten zum Nachtheil. Berauscht von dem Erfolg weigerten
sich die Räuber weiter zurückzuweichen und nöthigten ihren
Feldherrn sie durch Lucanien nach Apulien dem letzten ent-
scheidenden Kampf entgegen zu führen. Vor der Schlacht stiess
Spartacus sein Ross nieder; wie er im Glück und im Unglück
treu bei den Seinen ausgeharrt hatte, so zeigte er ihnen jetzt
durch die That, dass es ihm wie allen hier gehe um Sieg oder
Tod. Auch in der Schlacht stritt er mit dem Muth des Löwen:

* Da die Linie 7 deutsche Meilen (Sallust hist. 4, 34 Kritz; Plutarch
Crass. 10) lang war, so ging sie wohl nicht von Squillace nach Pizzo, son-
dern nördlicher, etwa bei Castrovillari und Cassano über die hier in gera-
der Linie etwa 6 deutsche Meilen breite Halbinsel.
** Dass Crassus noch 682 den Oberbefehl übernahm, ergiebt sich aus
der Beseitigung der Consuln (Plutarch Crass. 10); dass der Winter 682/3
den beiden Heeren am bruttischen Wall verstrich, aus der ,Schneenacht'
(Plut. a. a. O.).

DIE SULLANISCHE RESTAURATIONSHERRSCHAFT.
bruttische Halbinsel von dem übrigen Italien absperrte* und
dem von Rhegion rückkehrenden Insurgentenheer den Weg ver-
legte und die Zufuhr abschnitt. Indeſs in einer dunklen Winter-
nacht durchbrach Spartacus die feindlichen Linien und stand im
Frühjahr 683** wieder in Lucanien. Das mühsame Werk war
also vergebens gewesen. Crassus fing an an der Lösung seiner
Aufgabe zu verzweifeln und forderte vom Senat, daſs er die in
Makedonien unter Marcus Lucullus, im diesseitigen Spanien unter
Gnaeus Pompeius stehenden Heere zu seiner Unterstützung nach
Italien berufe. Es bedurfte indeſs dieses äuſsersten Nothschrit-
tes nicht; die Uneinigkeit und der Uebermuth der Räuberhaufen
genügten um ihre Erfolge wieder zu vereiteln. Abermals lösten
sich die Kelten und Germanen von dem Bunde, dessen Haupt
und Seele der Thraker war, um unter Führern ihrer eigenen Na-
tion, Gannicus und Castus sich vereinzelt den Römern ans Mes-
ser zu liefern. Einmal, am lucanischen See, rettete sie Spartacus
rechtzeitiges Erscheinen; sie schlugen nun zwar wohl ihr Lager
nahe bei dem seinigen, aber dennoch gelang es Crassus Spar-
tacus durch die Reiterei zu beschäftigen und indessen die kelti-
schen Haufen zu umstellen und zum Sonderkampf zu zwingen,
in welchem sie sämmtlich, man sagt 12300 Streiter, tapfer käm-
pfend fielen, alle auf dem Platze und mit den Wunden nach vorn.
Spartacus versuchte darauf sich mit seiner Abtheilung in die
Berge um Petelia (bei Strongoli in Calabrien) zu werfen und
schlug nachdrücklich die römische Vorhut, die dem Weichenden
folgte. Allein dieser Sieg gereichte mehr dem Sieger als dem
Besiegten zum Nachtheil. Berauscht von dem Erfolg weigerten
sich die Räuber weiter zurückzuweichen und nöthigten ihren
Feldherrn sie durch Lucanien nach Apulien dem letzten ent-
scheidenden Kampf entgegen zu führen. Vor der Schlacht stieſs
Spartacus sein Roſs nieder; wie er im Glück und im Unglück
treu bei den Seinen ausgeharrt hatte, so zeigte er ihnen jetzt
durch die That, daſs es ihm wie allen hier gehe um Sieg oder
Tod. Auch in der Schlacht stritt er mit dem Muth des Löwen:

* Da die Linie 7 deutsche Meilen (Sallust hist. 4, 34 Kritz; Plutarch
Crass. 10) lang war, so ging sie wohl nicht von Squillace nach Pizzo, son-
dern nördlicher, etwa bei Castrovillari und Cassano über die hier in gera-
der Linie etwa 6 deutsche Meilen breite Halbinsel.
** Daſs Crassus noch 682 den Oberbefehl übernahm, ergiebt sich aus
der Beseitigung der Consuln (Plutarch Crass. 10); daſs der Winter 682/3
den beiden Heeren am bruttischen Wall verstrich, aus der ‚Schneenacht‘
(Plut. a. a. O.).
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[79/0089] DIE SULLANISCHE RESTAURATIONSHERRSCHAFT. bruttische Halbinsel von dem übrigen Italien absperrte * und dem von Rhegion rückkehrenden Insurgentenheer den Weg ver- legte und die Zufuhr abschnitt. Indeſs in einer dunklen Winter- nacht durchbrach Spartacus die feindlichen Linien und stand im Frühjahr 683 ** wieder in Lucanien. Das mühsame Werk war also vergebens gewesen. Crassus fing an an der Lösung seiner Aufgabe zu verzweifeln und forderte vom Senat, daſs er die in Makedonien unter Marcus Lucullus, im diesseitigen Spanien unter Gnaeus Pompeius stehenden Heere zu seiner Unterstützung nach Italien berufe. Es bedurfte indeſs dieses äuſsersten Nothschrit- tes nicht; die Uneinigkeit und der Uebermuth der Räuberhaufen genügten um ihre Erfolge wieder zu vereiteln. Abermals lösten sich die Kelten und Germanen von dem Bunde, dessen Haupt und Seele der Thraker war, um unter Führern ihrer eigenen Na- tion, Gannicus und Castus sich vereinzelt den Römern ans Mes- ser zu liefern. Einmal, am lucanischen See, rettete sie Spartacus rechtzeitiges Erscheinen; sie schlugen nun zwar wohl ihr Lager nahe bei dem seinigen, aber dennoch gelang es Crassus Spar- tacus durch die Reiterei zu beschäftigen und indessen die kelti- schen Haufen zu umstellen und zum Sonderkampf zu zwingen, in welchem sie sämmtlich, man sagt 12300 Streiter, tapfer käm- pfend fielen, alle auf dem Platze und mit den Wunden nach vorn. Spartacus versuchte darauf sich mit seiner Abtheilung in die Berge um Petelia (bei Strongoli in Calabrien) zu werfen und schlug nachdrücklich die römische Vorhut, die dem Weichenden folgte. Allein dieser Sieg gereichte mehr dem Sieger als dem Besiegten zum Nachtheil. Berauscht von dem Erfolg weigerten sich die Räuber weiter zurückzuweichen und nöthigten ihren Feldherrn sie durch Lucanien nach Apulien dem letzten ent- scheidenden Kampf entgegen zu führen. Vor der Schlacht stieſs Spartacus sein Roſs nieder; wie er im Glück und im Unglück treu bei den Seinen ausgeharrt hatte, so zeigte er ihnen jetzt durch die That, daſs es ihm wie allen hier gehe um Sieg oder Tod. Auch in der Schlacht stritt er mit dem Muth des Löwen: * Da die Linie 7 deutsche Meilen (Sallust hist. 4, 34 Kritz; Plutarch Crass. 10) lang war, so ging sie wohl nicht von Squillace nach Pizzo, son- dern nördlicher, etwa bei Castrovillari und Cassano über die hier in gera- der Linie etwa 6 deutsche Meilen breite Halbinsel. ** Daſs Crassus noch 682 den Oberbefehl übernahm, ergiebt sich aus der Beseitigung der Consuln (Plutarch Crass. 10); daſs der Winter 682/3 den beiden Heeren am bruttischen Wall verstrich, aus der ‚Schneenacht‘ (Plut. a. a. O.).

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Zitationshilfe: Mommsen, Theodor: Römische Geschichte. Bd. 3: Von Sullas Tode bis zur Schlacht von Thapsus. Leipzig, 1856, S. 79. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/mommsen_roemische03_1856/89>, abgerufen am 05.05.2024.