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Morhof, Daniel Georg: Unterricht Von Der Teutschen Sprache und Poesie. Kiel, 1682.

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Das VIII. Cap. Von der Reime
get/ so sein die im vorigen Capittel an-
geführte Einwürffe keines weges so be-
schaffen/ daß man sie dieser halben des
Reimes entledigen solte. Warum solten die
Dialogi, wie bey den Lateinern und Griechen
in ihren Eclogis, so nicht auch in Reimen bey
uns können vorgestellet werden? Dann ob
schon die Natur die geschwinden Einfanlle
und extemporales cogitationes nicht in Ver-
sen hervor bringet; so hindert doch dieses
nicht/ dz man dergleichen Dialogos in Ver-
sen begreiffe. Sie sein keine extemporales
conceptus
weder bey dem Poeten/ oder bey
dem Actore, sondern werden in einem
gantzen Systemate auff gewisse art und
weise geordnet/ wie die membra eines an-
dern vollstanndigen Carminis. Deßhal-
ben auch hierin nicht die Kunst außzu-
schliessen: die dennoch so kan verhelet
werden/ daß sie nicht so sehr in die Au-
gen leuchte: dann man hat nicht nöthig
alle und jede Reden in völlige dople
Versen zu fassen/ sondern man kan sie in
den halben Versen/ und noch wol kür-
tzer enden. Wodurch dann die Reime

so

Das VIII. Cap. Von der Reime
get/ ſo ſein die im vorigen Capittel an-
gefuͤhrte Einwuͤrffe keines weges ſo be-
ſchaffen/ daß man ſie dieſer halben des
Reimes entledigen ſolte. Waꝛum ſolten die
Dialogi, wie bey den Lateinern uñ Griechen
in ihꝛen Eclogis, ſo nicht auch in Reimen bey
uns koͤnnen vorgeſtellet werden? Dann ob
ſchon die Natur die geſchwinden Einfālle
uñ extemporales cogitationes nicht in Ver-
ſen hervor bꝛinget; ſo hindert doch dieſes
nicht/ dz man dergleichen Dialogos in Ver-
ſen begreiffe. Sie ſein keine extemporales
conceptus
wedeꝛ bey dem Poeten/ oder bey
dem Actore, ſondern werden in einem
gantzen Syſtemate auff gewiſſe art und
weiſe geordnet/ wie die membra eines an-
dern vollſtāndigen Carminis. Deßhal-
ben auch hierin nicht die Kunſt außzu-
ſchlieſſen: die dennoch ſo kan verhelet
werden/ daß ſie nicht ſo ſehr in die Au-
gen leuchte: dann man hat nicht noͤthig
alle und jede Reden in voͤllige dople
Verſen zu faſſen/ ſondern man kan ſie in
den halben Verſen/ und noch wol kuͤr-
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[578/0590] Das VIII. Cap. Von der Reime get/ ſo ſein die im vorigen Capittel an- gefuͤhrte Einwuͤrffe keines weges ſo be- ſchaffen/ daß man ſie dieſer halben des Reimes entledigen ſolte. Waꝛum ſolten die Dialogi, wie bey den Lateinern uñ Griechen in ihꝛen Eclogis, ſo nicht auch in Reimen bey uns koͤnnen vorgeſtellet werden? Dann ob ſchon die Natur die geſchwinden Einfālle uñ extemporales cogitationes nicht in Ver- ſen hervor bꝛinget; ſo hindert doch dieſes nicht/ dz man dergleichen Dialogos in Ver- ſen begreiffe. Sie ſein keine extemporales conceptus wedeꝛ bey dem Poeten/ oder bey dem Actore, ſondern werden in einem gantzen Syſtemate auff gewiſſe art und weiſe geordnet/ wie die membra eines an- dern vollſtāndigen Carminis. Deßhal- ben auch hierin nicht die Kunſt außzu- ſchlieſſen: die dennoch ſo kan verhelet werden/ daß ſie nicht ſo ſehr in die Au- gen leuchte: dann man hat nicht noͤthig alle und jede Reden in voͤllige dople Verſen zu faſſen/ ſondern man kan ſie in den halben Verſen/ und noch wol kuͤr- tzer enden. Wodurch dann die Reime ſo

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Zitationshilfe: Morhof, Daniel Georg: Unterricht Von Der Teutschen Sprache und Poesie. Kiel, 1682, S. 578. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/morhof_unterricht_1682/590>, abgerufen am 10.06.2024.