Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 10, St. 1. Berlin, 1793.

Bild:
<< vorherige Seite

III. Der freye Einsiedler mitten in der Welt, nach der Seelenerfahrungskunde.

Die allgemeine deutsche Bibliothek hat im 2ten Stück des 50sten Bandes über eine sonderbare Schrift, die Einsamkeit der Weltüberwinder, betrachtenswürdige Gedanken geäußert. Sie machen einen Text aus, worüber einem welterfahrnen Einsamen weitre Gedanken aufgestiegen sind, die vielleicht zur Berichtigung des Autors sowohl als des Recensenten dienen können. Wohlan! "man muß allerdings zugeben, sagt dort der Recensent, daß die Einsamkeit, eine Entfernung von allen Zerstreuungen sehr geschickt sey, die Seele zur Sammlung ihrer selbst zu veranlassen, die schon besessenen Kenntnisse von Gott und Tugend neu zu beleben, zu erhöhen und zu erweitern, und eine Festigkeit im Guten zu verschaffen: denn die guten Entschließungen, die ein in der Welt unter Geschäften lebender, nicht ganz standhafter Mann, heute faßt, sind morgen durch eben jene wie verwischt." -- Ja, wenn es nur auf gute Entschließungen ankäme, guter Vorsätze ist jeder Gutmeinende voll, so wäre die Welt längst voll Helden. Ein standhafter Mann von Natur oder Gewohnheit kan freilich mit guten Entschließungen weit kom-


III. Der freye Einsiedler mitten in der Welt, nach der Seelenerfahrungskunde.

Die allgemeine deutsche Bibliothek hat im 2ten Stuͤck des 50sten Bandes uͤber eine sonderbare Schrift, die Einsamkeit der Weltuͤberwinder, betrachtenswuͤrdige Gedanken geaͤußert. Sie machen einen Text aus, woruͤber einem welterfahrnen Einsamen weitre Gedanken aufgestiegen sind, die vielleicht zur Berichtigung des Autors sowohl als des Recensenten dienen koͤnnen. Wohlan! »man muß allerdings zugeben, sagt dort der Recensent, daß die Einsamkeit, eine Entfernung von allen Zerstreuungen sehr geschickt sey, die Seele zur Sammlung ihrer selbst zu veranlassen, die schon besessenen Kenntnisse von Gott und Tugend neu zu beleben, zu erhoͤhen und zu erweitern, und eine Festigkeit im Guten zu verschaffen: denn die guten Entschließungen, die ein in der Welt unter Geschaͤften lebender, nicht ganz standhafter Mann, heute faßt, sind morgen durch eben jene wie verwischt.« — Ja, wenn es nur auf gute Entschließungen ankaͤme, guter Vorsaͤtze ist jeder Gutmeinende voll, so waͤre die Welt laͤngst voll Helden. Ein standhafter Mann von Natur oder Gewohnheit kan freilich mit guten Entschließungen weit kom-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0019" n="17"/><lb/><lb/>
        </div>
        <div n="2">
          <head><hi rendition="#aq">III</hi>.                 Der freye Einsiedler mitten in der Welt, nach der                         Seelenerfahrungskunde.</head><lb/>
          <note type="editorial">
            <bibl>
              <persName ref="#ref52"><note type="editorial"/>Obereit, Jakob Hermann</persName>
            </bibl>
          </note>
          <p>Die allgemeine deutsche Bibliothek hat im 2ten Stu&#x0364;ck des                         50sten Bandes u&#x0364;ber eine sonderbare Schrift, die Einsamkeit der                         Weltu&#x0364;berwinder, betrachtenswu&#x0364;rdige Gedanken gea&#x0364;ußert. Sie machen einen Text                         aus, woru&#x0364;ber einem welterfahrnen Einsamen weitre Gedanken aufgestiegen sind,                         die vielleicht zur Berichtigung des Autors sowohl als des Recensenten dienen                         ko&#x0364;nnen. Wohlan! »man muß allerdings zugeben, sagt dort der Recensent, daß                         die Einsamkeit, eine Entfernung von allen Zerstreuungen sehr geschickt sey,                         die Seele zur Sammlung ihrer selbst zu veranlassen, die schon besessenen                         Kenntnisse von Gott und Tugend neu zu beleben, zu erho&#x0364;hen und zu erweitern,                         und eine Festigkeit im Guten zu verschaffen: denn die guten Entschließungen,                         die ein in der Welt unter Gescha&#x0364;ften lebender, nicht ganz standhafter Mann,                         heute faßt, sind morgen durch eben jene wie verwischt.« &#x2014; Ja, wenn es nur                         auf gute Entschließungen anka&#x0364;me, guter Vorsa&#x0364;tze ist jeder Gutmeinende voll,                         so wa&#x0364;re die Welt la&#x0364;ngst voll Helden. Ein standhafter Mann von Natur oder                         Gewohnheit kan freilich mit guten Entschließungen weit kom-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[17/0019] III. Der freye Einsiedler mitten in der Welt, nach der Seelenerfahrungskunde. Die allgemeine deutsche Bibliothek hat im 2ten Stuͤck des 50sten Bandes uͤber eine sonderbare Schrift, die Einsamkeit der Weltuͤberwinder, betrachtenswuͤrdige Gedanken geaͤußert. Sie machen einen Text aus, woruͤber einem welterfahrnen Einsamen weitre Gedanken aufgestiegen sind, die vielleicht zur Berichtigung des Autors sowohl als des Recensenten dienen koͤnnen. Wohlan! »man muß allerdings zugeben, sagt dort der Recensent, daß die Einsamkeit, eine Entfernung von allen Zerstreuungen sehr geschickt sey, die Seele zur Sammlung ihrer selbst zu veranlassen, die schon besessenen Kenntnisse von Gott und Tugend neu zu beleben, zu erhoͤhen und zu erweitern, und eine Festigkeit im Guten zu verschaffen: denn die guten Entschließungen, die ein in der Welt unter Geschaͤften lebender, nicht ganz standhafter Mann, heute faßt, sind morgen durch eben jene wie verwischt.« — Ja, wenn es nur auf gute Entschließungen ankaͤme, guter Vorsaͤtze ist jeder Gutmeinende voll, so waͤre die Welt laͤngst voll Helden. Ein standhafter Mann von Natur oder Gewohnheit kan freilich mit guten Entschließungen weit kom-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christof Wingertszahn, Sheila Dickson, University of Glasgow, Goethe-Museum Düsseldorf/Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien (2015-06-09T11:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat (2015-06-09T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2015-06-09T11:00:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Die Umlautschreibung mit ›e‹ über dem Vokal wurden übernommen.
  • Die Majuskel I/J wurde nicht nach Lautwert transkribiert.
  • Verbessert wird nur bei eindeutigen Druckfehlern. Die editorischen Eingriffe sind stets nachgewiesen.
  • Zu Moritz’ Zeit war es üblich, bei mehrzeiligen Zitaten vor jeder Zeile Anführungsstriche zu setzen. Diese wiederholten Anführungsstriche des Originals werden stillschweigend getilgt.
  • Die Druckgestalt der Vorlagen (Absätze, Überschriften, Schriftgrade etc.) wird schematisiert wiedergegeben. Der Zeilenfall wurde nicht übernommen.
  • Worteinfügungen der Herausgeber im edierten Text sowie Ergänzungen einzelner Buchstaben sind dokumentiert.
  • Die Originalseite wird als einzelne Seite in der Internetausgabe wiedergegeben. Von diesem Darstellungsprinzip wird bei langen, sich über mehr als eine Seite erstreckenden Fußnoten abgewichen. Die vollständige Fußnote erscheint in diesem Fall zusammenhängend an der ersten betreffenden Seite.
  • Die textkritischen Nachweise erfolgen in XML-Form nach dem DTABf-Schema: <choice><corr>[Verbesserung]</corr><sic>[Originaltext]</sic></choice> vorgenommen.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde01001_1793
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde01001_1793/19
Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 10, St. 1. Berlin, 1793, S. 17. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde01001_1793/19>, abgerufen am 09.10.2024.