Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 10, St. 1. Berlin, 1793.

Bild:
<< vorherige Seite


tersten tugendhaften Gottähnlichkeit die Vereinigung mit Gott sucht, der hält sich doch wohl an die strengste gründliche praktische Vernunft, Realvernunft, der redet doch wohl keiner unlautern leeren Schwärmerey das Wort. Eine andere Stelle p. 133. "Das Geheimniß ist nur, daß dieser Verstand, der gröste lautre Verstand in der grösten jungen Einfalt, dem Herzen gleich, vollkommen ewig grundgemäß und ganz füglich angemessen, recht aufgeweckt werde." -- Dergleichen Stellen giebts in Menge, die des Autors gründlichen Sinn, der sonst auch ziemlich genau vorsichtig bestimmend zu gehen scheint, stark genug darlegen. Aber er ist ein Enthusiast der praktischen absolut rechten Vernunft, gleich grad gegen und neben alle andre, und das ist toll. Soll etwan das ein Kopfsturz gegen diejenigen, die ihre Religion auf die ideale Vernunft allein bauen wollen, seyn, was er p. 152. schreibt? "Christus hat freilich die ganze Religion zur Hauptsache des Herzens und der redlichen Einfalt vor Gott gemacht: die Weltweisen machen sie aber mit aller Gewalt zur Hauptsache des Kopfs, des Wissens und ihrer gekünstelten und Vielfältigkeit liebenden Vernunft, die nichts weniger als die göttliche gerade Einfalt liebet." (Und Vernunft soll doch Grundgesetzkraft der Einheit seyn. Das ist ja die Klage der besten rechtschaffnen Vernünftigen selbst, die, von leerer und krummer Kunstvernünfteley weg, alles wieder gern


tersten tugendhaften Gottaͤhnlichkeit die Vereinigung mit Gott sucht, der haͤlt sich doch wohl an die strengste gruͤndliche praktische Vernunft, Realvernunft, der redet doch wohl keiner unlautern leeren Schwaͤrmerey das Wort. Eine andere Stelle p. 133. »Das Geheimniß ist nur, daß dieser Verstand, der groͤste lautre Verstand in der groͤsten jungen Einfalt, dem Herzen gleich, vollkommen ewig grundgemaͤß und ganz fuͤglich angemessen, recht aufgeweckt werde.« — Dergleichen Stellen giebts in Menge, die des Autors gruͤndlichen Sinn, der sonst auch ziemlich genau vorsichtig bestimmend zu gehen scheint, stark genug darlegen. Aber er ist ein Enthusiast der praktischen absolut rechten Vernunft, gleich grad gegen und neben alle andre, und das ist toll. Soll etwan das ein Kopfsturz gegen diejenigen, die ihre Religion auf die ideale Vernunft allein bauen wollen, seyn, was er p. 152. schreibt? »Christus hat freilich die ganze Religion zur Hauptsache des Herzens und der redlichen Einfalt vor Gott gemacht: die Weltweisen machen sie aber mit aller Gewalt zur Hauptsache des Kopfs, des Wissens und ihrer gekuͤnstelten und Vielfaͤltigkeit liebenden Vernunft, die nichts weniger als die goͤttliche gerade Einfalt liebet.« (Und Vernunft soll doch Grundgesetzkraft der Einheit seyn. Das ist ja die Klage der besten rechtschaffnen Vernuͤnftigen selbst, die, von leerer und krummer Kunstvernuͤnfteley weg, alles wieder gern

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0051" n="49"/><lb/>
tersten tugendhaften Gotta&#x0364;hnlichkeit die Vereinigung mit Gott sucht, der                         ha&#x0364;lt sich doch wohl an die strengste gru&#x0364;ndliche praktische Vernunft,                         Realvernunft, der redet doch wohl keiner unlautern leeren Schwa&#x0364;rmerey das                         Wort. Eine andere Stelle p. 133. »Das Geheimniß ist nur, daß dieser                         Verstand, <hi rendition="#b">der gro&#x0364;ste lautre Verstand</hi> in der gro&#x0364;sten                         jungen Einfalt, dem Herzen gleich, <hi rendition="#b">vollkommen ewig                             grundgema&#x0364;ß und ganz fu&#x0364;glich angemessen,</hi> recht aufgeweckt werde.«                         &#x2014; Dergleichen Stellen giebts in Menge, die des Autors gru&#x0364;ndlichen Sinn, der                         sonst auch ziemlich genau vorsichtig bestimmend zu gehen scheint, stark                         genug darlegen. Aber er ist ein Enthusiast der praktischen absolut rechten                         Vernunft, gleich grad gegen und neben alle andre, und das ist toll. Soll                         etwan das ein Kopfsturz gegen diejenigen, die ihre Religion auf die ideale                         Vernunft allein bauen wollen, seyn, was er p. 152. schreibt? »Christus hat                         freilich die ganze Religion zur Hauptsache des Herzens und der redlichen                         Einfalt vor Gott gemacht: die Weltweisen machen sie aber mit aller Gewalt                         zur Hauptsache des Kopfs, des Wissens und ihrer geku&#x0364;nstelten und                         Vielfa&#x0364;ltigkeit liebenden Vernunft, die nichts weniger als die go&#x0364;ttliche                         gerade Einfalt liebet.« (Und Vernunft <hi rendition="#b">soll</hi> doch                         Grundgesetzkraft der Einheit seyn. Das ist ja die Klage der besten                         rechtschaffnen Vernu&#x0364;nftigen selbst, die, von leerer und krummer                         Kunstvernu&#x0364;nfteley weg, alles wieder gern<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[49/0051] tersten tugendhaften Gottaͤhnlichkeit die Vereinigung mit Gott sucht, der haͤlt sich doch wohl an die strengste gruͤndliche praktische Vernunft, Realvernunft, der redet doch wohl keiner unlautern leeren Schwaͤrmerey das Wort. Eine andere Stelle p. 133. »Das Geheimniß ist nur, daß dieser Verstand, der groͤste lautre Verstand in der groͤsten jungen Einfalt, dem Herzen gleich, vollkommen ewig grundgemaͤß und ganz fuͤglich angemessen, recht aufgeweckt werde.« — Dergleichen Stellen giebts in Menge, die des Autors gruͤndlichen Sinn, der sonst auch ziemlich genau vorsichtig bestimmend zu gehen scheint, stark genug darlegen. Aber er ist ein Enthusiast der praktischen absolut rechten Vernunft, gleich grad gegen und neben alle andre, und das ist toll. Soll etwan das ein Kopfsturz gegen diejenigen, die ihre Religion auf die ideale Vernunft allein bauen wollen, seyn, was er p. 152. schreibt? »Christus hat freilich die ganze Religion zur Hauptsache des Herzens und der redlichen Einfalt vor Gott gemacht: die Weltweisen machen sie aber mit aller Gewalt zur Hauptsache des Kopfs, des Wissens und ihrer gekuͤnstelten und Vielfaͤltigkeit liebenden Vernunft, die nichts weniger als die goͤttliche gerade Einfalt liebet.« (Und Vernunft soll doch Grundgesetzkraft der Einheit seyn. Das ist ja die Klage der besten rechtschaffnen Vernuͤnftigen selbst, die, von leerer und krummer Kunstvernuͤnfteley weg, alles wieder gern

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christof Wingertszahn, Sheila Dickson, University of Glasgow, Goethe-Museum Düsseldorf/Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien (2015-06-09T11:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat (2015-06-09T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2015-06-09T11:00:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Die Umlautschreibung mit ›e‹ über dem Vokal wurden übernommen.
  • Die Majuskel I/J wurde nicht nach Lautwert transkribiert.
  • Verbessert wird nur bei eindeutigen Druckfehlern. Die editorischen Eingriffe sind stets nachgewiesen.
  • Zu Moritz’ Zeit war es üblich, bei mehrzeiligen Zitaten vor jeder Zeile Anführungsstriche zu setzen. Diese wiederholten Anführungsstriche des Originals werden stillschweigend getilgt.
  • Die Druckgestalt der Vorlagen (Absätze, Überschriften, Schriftgrade etc.) wird schematisiert wiedergegeben. Der Zeilenfall wurde nicht übernommen.
  • Worteinfügungen der Herausgeber im edierten Text sowie Ergänzungen einzelner Buchstaben sind dokumentiert.
  • Die Originalseite wird als einzelne Seite in der Internetausgabe wiedergegeben. Von diesem Darstellungsprinzip wird bei langen, sich über mehr als eine Seite erstreckenden Fußnoten abgewichen. Die vollständige Fußnote erscheint in diesem Fall zusammenhängend an der ersten betreffenden Seite.
  • Die textkritischen Nachweise erfolgen in XML-Form nach dem DTABf-Schema: <choice><corr>[Verbesserung]</corr><sic>[Originaltext]</sic></choice> vorgenommen.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde01001_1793
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde01001_1793/51
Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 10, St. 1. Berlin, 1793, S. 49. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde01001_1793/51>, abgerufen am 09.10.2024.