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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 10, St. 3. Berlin, 1793.

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Bildern der Phantasie abziehen wollte, man nur seine Lippen mit einer Feder bestreichen durfte, worauf er denn augenblicklich auf ganz andere Sachen verfiel.


70-77.

Ein anderer Nachtwandler; der (außer andren Merkwürdigkeiten) ein Kohlgerüchte statt des Salats aß, und Wasser in der Meinung, es sey Wein, trank.


80-87.

Eine zwanzigjährige Magd von sehr empfindlicher Natur, pflegte, sobald ihr ein Verdruß gemacht wurde, in kataleptische Zufälle zu gerathen, und fiel in eine fühllose Erstarrung. Sie blieb immer in der Stellung des Leibes, darin sie von ihrem Paroxysmus befallen wurde. Hatte sie im Treppensteigen einen Fuß gehoben nach der folgenden Stufe, so erstarrte sie auch auf einem Fuß stehend. Wenn jemand während der Zeit ihr einen Arm aufhob oder den Kopf drehte u.d.g., so blieb sie in der Stellung, so lange der Körper nicht aus seinem Gleichgewicht kam. Stand sie, und man stieß sie fort, so gieng sie nicht, sondern rückte so fort, als wenn man eine stehende Säule fortschiebt.

Sie gab kein Zeichen von Empfindung von sich. Endlich verließ sie der Zufall wieder ohne gebrauchte Hülfsmittel.


Bildern der Phantasie abziehen wollte, man nur seine Lippen mit einer Feder bestreichen durfte, worauf er denn augenblicklich auf ganz andere Sachen verfiel.


70-77.

Ein anderer Nachtwandler; der (außer andren Merkwuͤrdigkeiten) ein Kohlgeruͤchte statt des Salats aß, und Wasser in der Meinung, es sey Wein, trank.


80-87.

Eine zwanzigjaͤhrige Magd von sehr empfindlicher Natur, pflegte, sobald ihr ein Verdruß gemacht wurde, in kataleptische Zufaͤlle zu gerathen, und fiel in eine fuͤhllose Erstarrung. Sie blieb immer in der Stellung des Leibes, darin sie von ihrem Paroxysmus befallen wurde. Hatte sie im Treppensteigen einen Fuß gehoben nach der folgenden Stufe, so erstarrte sie auch auf einem Fuß stehend. Wenn jemand waͤhrend der Zeit ihr einen Arm aufhob oder den Kopf drehte u.d.g., so blieb sie in der Stellung, so lange der Koͤrper nicht aus seinem Gleichgewicht kam. Stand sie, und man stieß sie fort, so gieng sie nicht, sondern ruͤckte so fort, als wenn man eine stehende Saͤule fortschiebt.

Sie gab kein Zeichen von Empfindung von sich. Endlich verließ sie der Zufall wieder ohne gebrauchte Huͤlfsmittel.

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[101/0101] Bildern der Phantasie abziehen wollte, man nur seine Lippen mit einer Feder bestreichen durfte, worauf er denn augenblicklich auf ganz andere Sachen verfiel. 70-77. Ein anderer Nachtwandler; der (außer andren Merkwuͤrdigkeiten) ein Kohlgeruͤchte statt des Salats aß, und Wasser in der Meinung, es sey Wein, trank. 80-87. Eine zwanzigjaͤhrige Magd von sehr empfindlicher Natur, pflegte, sobald ihr ein Verdruß gemacht wurde, in kataleptische Zufaͤlle zu gerathen, und fiel in eine fuͤhllose Erstarrung. Sie blieb immer in der Stellung des Leibes, darin sie von ihrem Paroxysmus befallen wurde. Hatte sie im Treppensteigen einen Fuß gehoben nach der folgenden Stufe, so erstarrte sie auch auf einem Fuß stehend. Wenn jemand waͤhrend der Zeit ihr einen Arm aufhob oder den Kopf drehte u.d.g., so blieb sie in der Stellung, so lange der Koͤrper nicht aus seinem Gleichgewicht kam. Stand sie, und man stieß sie fort, so gieng sie nicht, sondern ruͤckte so fort, als wenn man eine stehende Saͤule fortschiebt. Sie gab kein Zeichen von Empfindung von sich. Endlich verließ sie der Zufall wieder ohne gebrauchte Huͤlfsmittel.

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 10, St. 3. Berlin, 1793, S. 101. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde01003_1793/101>, abgerufen am 06.05.2024.