Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 3, St. 1. Berlin, 1785.

Bild:
<< vorherige Seite


Zeit zu helfen: und das ist doch immer ausser der Sphäre menschlichen Wissens. --

Dieß sind meine Zweifel in Ansehung einer besondern Vorsehung und des Gebets, wozu mich sowohl mein eignes als das Schicksaal dieser Unglücklichen brachten. Jch konnte sie nicht übergehen, weil sie zur Geschichte meines Lebens nothwendig gehören. Jch lege sie mit Freuden ab, sobald sie mir gründlich widerlegt werden; denn ich fühle, daß ich bei allen meinen Zweifeln nicht glücklich bin. -- Das Vertrauen auf ein allmächtiges Wesen und der Glaube an eine, auch auf die kleinsten Theile der Schöpfung sich erstreckende Vorsehung, hat selbst zu manchen Stunden etwas süsses für mein kummervolles Herz; aber wie gesagt -- ohne einen recht sichtbaren Beweiß einer göttlichen Vorsehung auch auf mich von aller Welt Verlassenen -- dürfte sich mein Herz wohl nie zu dem hohen Grade der zuversichtlichsten Hofnung zu dem Herrn meines Lebens erheben, wenn auch mein Verstand durch die bündigste Demonstration überzeugt würde. Eigene Erfahrung wirkt mehr aufs Herz, als alle Vernunftschlüsse. -- Jetzt will ich in meiner Geschichte fortfahren.

Schon hegte ich gegen die Unglückliche wirklich Liebe, die den Wunsch gebahr, immer um sie zu seyn. Aber wie konnte das angehen, da ich unmöglich immer ohne Vorwissen ihres Gatten hingehen konnte, ohne ihre und meine Ehre in Ge-


Zeit zu helfen: und das ist doch immer ausser der Sphaͤre menschlichen Wissens. —

Dieß sind meine Zweifel in Ansehung einer besondern Vorsehung und des Gebets, wozu mich sowohl mein eignes als das Schicksaal dieser Ungluͤcklichen brachten. Jch konnte sie nicht uͤbergehen, weil sie zur Geschichte meines Lebens nothwendig gehoͤren. Jch lege sie mit Freuden ab, sobald sie mir gruͤndlich widerlegt werden; denn ich fuͤhle, daß ich bei allen meinen Zweifeln nicht gluͤcklich bin. — Das Vertrauen auf ein allmaͤchtiges Wesen und der Glaube an eine, auch auf die kleinsten Theile der Schoͤpfung sich erstreckende Vorsehung, hat selbst zu manchen Stunden etwas suͤsses fuͤr mein kummervolles Herz; aber wie gesagt — ohne einen recht sichtbaren Beweiß einer goͤttlichen Vorsehung auch auf mich von aller Welt Verlassenen — duͤrfte sich mein Herz wohl nie zu dem hohen Grade der zuversichtlichsten Hofnung zu dem Herrn meines Lebens erheben, wenn auch mein Verstand durch die buͤndigste Demonstration uͤberzeugt wuͤrde. Eigene Erfahrung wirkt mehr aufs Herz, als alle Vernunftschluͤsse. — Jetzt will ich in meiner Geschichte fortfahren.

Schon hegte ich gegen die Ungluͤckliche wirklich Liebe, die den Wunsch gebahr, immer um sie zu seyn. Aber wie konnte das angehen, da ich unmoͤglich immer ohne Vorwissen ihres Gatten hingehen konnte, ohne ihre und meine Ehre in Ge-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0039" n="37"/><lb/>
Zeit zu helfen: und das ist doch immer ausser der Spha&#x0364;re menschlichen Wissens.                   &#x2014;</p>
            <p>Dieß sind meine Zweifel in Ansehung einer besondern Vorsehung und des Gebets, wozu                   mich sowohl mein eignes als das Schicksaal dieser Unglu&#x0364;cklichen brachten. Jch                   konnte sie nicht u&#x0364;bergehen, weil sie zur Geschichte meines Lebens nothwendig                   geho&#x0364;ren. Jch lege sie mit Freuden ab, sobald sie mir gru&#x0364;ndlich widerlegt werden;                   denn ich fu&#x0364;hle, daß ich bei allen meinen Zweifeln nicht glu&#x0364;cklich bin. &#x2014; Das                   Vertrauen auf ein allma&#x0364;chtiges Wesen und der Glaube an eine, auch auf die                   kleinsten Theile der Scho&#x0364;pfung sich erstreckende Vorsehung, hat selbst zu manchen                   Stunden etwas su&#x0364;sses fu&#x0364;r mein kummervolles Herz; aber wie gesagt &#x2014; ohne einen                   recht sichtbaren Beweiß einer go&#x0364;ttlichen Vorsehung auch auf mich von aller Welt                   Verlassenen &#x2014; du&#x0364;rfte sich mein Herz wohl nie zu dem hohen Grade der                   zuversichtlichsten Hofnung zu dem Herrn meines Lebens erheben, wenn auch mein                   Verstand durch die bu&#x0364;ndigste Demonstration u&#x0364;berzeugt wu&#x0364;rde. Eigene Erfahrung wirkt                   mehr aufs Herz, als alle Vernunftschlu&#x0364;sse. &#x2014; Jetzt will ich in meiner Geschichte                   fortfahren.</p>
            <p>Schon hegte ich gegen die Unglu&#x0364;ckliche wirklich Liebe, die den Wunsch gebahr,                   immer um sie zu seyn. Aber wie konnte das angehen, da ich unmo&#x0364;glich immer ohne                   Vorwissen ihres Gatten hingehen konnte, ohne ihre und meine Ehre in Ge-<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[37/0039] Zeit zu helfen: und das ist doch immer ausser der Sphaͤre menschlichen Wissens. — Dieß sind meine Zweifel in Ansehung einer besondern Vorsehung und des Gebets, wozu mich sowohl mein eignes als das Schicksaal dieser Ungluͤcklichen brachten. Jch konnte sie nicht uͤbergehen, weil sie zur Geschichte meines Lebens nothwendig gehoͤren. Jch lege sie mit Freuden ab, sobald sie mir gruͤndlich widerlegt werden; denn ich fuͤhle, daß ich bei allen meinen Zweifeln nicht gluͤcklich bin. — Das Vertrauen auf ein allmaͤchtiges Wesen und der Glaube an eine, auch auf die kleinsten Theile der Schoͤpfung sich erstreckende Vorsehung, hat selbst zu manchen Stunden etwas suͤsses fuͤr mein kummervolles Herz; aber wie gesagt — ohne einen recht sichtbaren Beweiß einer goͤttlichen Vorsehung auch auf mich von aller Welt Verlassenen — duͤrfte sich mein Herz wohl nie zu dem hohen Grade der zuversichtlichsten Hofnung zu dem Herrn meines Lebens erheben, wenn auch mein Verstand durch die buͤndigste Demonstration uͤberzeugt wuͤrde. Eigene Erfahrung wirkt mehr aufs Herz, als alle Vernunftschluͤsse. — Jetzt will ich in meiner Geschichte fortfahren. Schon hegte ich gegen die Ungluͤckliche wirklich Liebe, die den Wunsch gebahr, immer um sie zu seyn. Aber wie konnte das angehen, da ich unmoͤglich immer ohne Vorwissen ihres Gatten hingehen konnte, ohne ihre und meine Ehre in Ge-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christof Wingertszahn, Sheila Dickson, Goethe-Museum Düsseldorf/Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung, University of Glasgow: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien (2015-06-09T11:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat (2015-06-09T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2015-06-09T11:00:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Die Umlautschreibung mit ›e‹ über dem Vokal wurden übernommen.
  • Die Majuskel I/J wurde nicht nach Lautwert transkribiert.
  • Verbessert wird nur bei eindeutigen Druckfehlern. Die editorischen Eingriffe sind stets nachgewiesen.
  • Zu Moritz’ Zeit war es üblich, bei mehrzeiligen Zitaten vor jeder Zeile Anführungsstriche zu setzen. Diese wiederholten Anführungsstriche des Originals werden stillschweigend getilgt.
  • Die Druckgestalt der Vorlagen (Absätze, Überschriften, Schriftgrade etc.) wird schematisiert wiedergegeben. Der Zeilenfall wurde nicht übernommen.
  • Worteinfügungen der Herausgeber im edierten Text sowie Ergänzungen einzelner Buchstaben sind dokumentiert.
  • Die Originalseite wird als einzelne Seite in der Internetausgabe wiedergegeben. Von diesem Darstellungsprinzip wird bei langen, sich über mehr als eine Seite erstreckenden Fußnoten abgewichen. Die vollständige Fußnote erscheint in diesem Fall zusammenhängend an der ersten betreffenden Seite.
  • Die textkritischen Nachweise erfolgen in XML-Form nach dem DTABf-Schema: <choice><corr>[Verbesserung]</corr><sic>[Originaltext]</sic></choice> vorgenommen.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0301_1785
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0301_1785/39
Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 3, St. 1. Berlin, 1785, S. 37. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0301_1785/39>, abgerufen am 29.04.2024.