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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 5, St. 1. Berlin, 1787.

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cat, und handelt bei seiner Sympathie oft ohne alle augenblickliche Anleitung der Vernunft nach so richtigen und abgemessenen Gesetzen, daß jene Harmonie nicht einmahl statt finden kann, wenn nicht die homogenen Empfindungen zweier Menschen zu gleicher Zeit zusammentreffen, um sich gleichsam in einem gemeinschaftlichen Brennpuncte zu vereinigen. Jch nehme an, daß in dem Gesichtsausdrucke zweier sympathisirender Seelen Etwas liegt, wodurch dieses Zusammentreffen ihnen auf eine bezaubernde Art sichtbar wird, und was unser Herz vielleicht nur allein lesen kann. Auf dem Gesichte des Einfältigen lieset unser Herz - nichts, indem es uns entweder gleich einer Bildsäule anstarrt, oder uns auf eine eckelhafte Art entgegen lächelt, wodurch in uns ohnmöglich ein Funke von Sympathie entstehen kann.


So verschieden auch die Meinungen und Empfindungen der Menschen in Absicht der Schönheit und Grazie eines Gegenstandes seyn mögen; so unläugbar ist es doch, daß der menschlichen Seele ein inneres (vielleicht blos auf körperliche Organisation gegründetes) Gefühl für Schönheit und Harmonie mitgetheilt sey. Unsere Jmagination wird auf eine angenehme Art beschäftigt, wenn wir an einem körperlichen Gegenstande ein richtiges leicht zu unterscheidendes Verhältniß seiner Theile zum Ganzen sowohl, als unter sich bemerken. Ein nach den Regeln der Schönheit gebautes Gesicht gefällt nicht


cat, und handelt bei seiner Sympathie oft ohne alle augenblickliche Anleitung der Vernunft nach so richtigen und abgemessenen Gesetzen, daß jene Harmonie nicht einmahl statt finden kann, wenn nicht die homogenen Empfindungen zweier Menschen zu gleicher Zeit zusammentreffen, um sich gleichsam in einem gemeinschaftlichen Brennpuncte zu vereinigen. Jch nehme an, daß in dem Gesichtsausdrucke zweier sympathisirender Seelen Etwas liegt, wodurch dieses Zusammentreffen ihnen auf eine bezaubernde Art sichtbar wird, und was unser Herz vielleicht nur allein lesen kann. Auf dem Gesichte des Einfaͤltigen lieset unser Herz – nichts, indem es uns entweder gleich einer Bildsaͤule anstarrt, oder uns auf eine eckelhafte Art entgegen laͤchelt, wodurch in uns ohnmoͤglich ein Funke von Sympathie entstehen kann.


So verschieden auch die Meinungen und Empfindungen der Menschen in Absicht der Schoͤnheit und Grazie eines Gegenstandes seyn moͤgen; so unlaͤugbar ist es doch, daß der menschlichen Seele ein inneres (vielleicht blos auf koͤrperliche Organisation gegruͤndetes) Gefuͤhl fuͤr Schoͤnheit und Harmonie mitgetheilt sey. Unsere Jmagination wird auf eine angenehme Art beschaͤftigt, wenn wir an einem koͤrperlichen Gegenstande ein richtiges leicht zu unterscheidendes Verhaͤltniß seiner Theile zum Ganzen sowohl, als unter sich bemerken. Ein nach den Regeln der Schoͤnheit gebautes Gesicht gefaͤllt nicht

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[50/0052] cat, und handelt bei seiner Sympathie oft ohne alle augenblickliche Anleitung der Vernunft nach so richtigen und abgemessenen Gesetzen, daß jene Harmonie nicht einmahl statt finden kann, wenn nicht die homogenen Empfindungen zweier Menschen zu gleicher Zeit zusammentreffen, um sich gleichsam in einem gemeinschaftlichen Brennpuncte zu vereinigen. Jch nehme an, daß in dem Gesichtsausdrucke zweier sympathisirender Seelen Etwas liegt, wodurch dieses Zusammentreffen ihnen auf eine bezaubernde Art sichtbar wird, und was unser Herz vielleicht nur allein lesen kann. Auf dem Gesichte des Einfaͤltigen lieset unser Herz – nichts, indem es uns entweder gleich einer Bildsaͤule anstarrt, oder uns auf eine eckelhafte Art entgegen laͤchelt, wodurch in uns ohnmoͤglich ein Funke von Sympathie entstehen kann. So verschieden auch die Meinungen und Empfindungen der Menschen in Absicht der Schoͤnheit und Grazie eines Gegenstandes seyn moͤgen; so unlaͤugbar ist es doch, daß der menschlichen Seele ein inneres (vielleicht blos auf koͤrperliche Organisation gegruͤndetes) Gefuͤhl fuͤr Schoͤnheit und Harmonie mitgetheilt sey. Unsere Jmagination wird auf eine angenehme Art beschaͤftigt, wenn wir an einem koͤrperlichen Gegenstande ein richtiges leicht zu unterscheidendes Verhaͤltniß seiner Theile zum Ganzen sowohl, als unter sich bemerken. Ein nach den Regeln der Schoͤnheit gebautes Gesicht gefaͤllt nicht

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 5, St. 1. Berlin, 1787, S. 50. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0501_1787/52>, abgerufen am 13.05.2024.