Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 5, St. 1. Berlin, 1787.

Bild:
<< vorherige Seite


gende Allee, in welcher ihn seine Confraters bedächtig auf- und niedergehen sahen. Einer unter ihnen ein lustiger Kopf, beschloß einen Spaß mit ihm zu machen, welchen er auch sogleich ausführte, und der darin bestand, daß er sich hinter ein Gesträuch an der Allee versteckte, und wie jener vorbei kam, ihm mit einer dumpfen Stimme zurief: Bestelle dein Haus, denn du mußt sterben! Der Wanderer ging vorüber, ohne merklich erschrocken zu scheinen. Er kehrte um, und die hohle Stimme des Spaßmachers ließ sich noch einmahl hören, und endlich zum drittenmahle. Es ist gut, antwortete der auf- und niedergehende Prediger, als ihm jener Ton noch einmahl entgegenkam, den er bei einer dreimahligen Wiederhohlung endlich für eine würkliche göttliche Stimme, und für ein deutliches Omen seines nahe bevorstehenden Todes betrachtete.

Er kam in die Predigergesellschaft merklich verändert zurück. Sein Gesicht war leichenblaß, er sprach nicht mehr, und schien äußerst bedächtig zu seyn. Die Gesellschaft erkundigte sich nach der Ursache seines jetzigen finstern in sich gekehrten Betragens, und erfuhr von ihm zum größten Erstaunen, daß sein Ende nahe sei, weil er eine außerordentliche Stimme darüber vernommen habe. Seine Collegen fingen laut zu lachen an, verwiesen ihm seine Leichtgläubigkeit, und entdeckten ihm den ganzen Handel. Allein - vergebens. Der Prediger glaubte nun einmahl, daß jene Stimme vom Him-


gende Allee, in welcher ihn seine Confraters bedaͤchtig auf- und niedergehen sahen. Einer unter ihnen ein lustiger Kopf, beschloß einen Spaß mit ihm zu machen, welchen er auch sogleich ausfuͤhrte, und der darin bestand, daß er sich hinter ein Gestraͤuch an der Allee versteckte, und wie jener vorbei kam, ihm mit einer dumpfen Stimme zurief: Bestelle dein Haus, denn du mußt sterben! Der Wanderer ging voruͤber, ohne merklich erschrocken zu scheinen. Er kehrte um, und die hohle Stimme des Spaßmachers ließ sich noch einmahl hoͤren, und endlich zum drittenmahle. Es ist gut, antwortete der auf- und niedergehende Prediger, als ihm jener Ton noch einmahl entgegenkam, den er bei einer dreimahligen Wiederhohlung endlich fuͤr eine wuͤrkliche goͤttliche Stimme, und fuͤr ein deutliches Omen seines nahe bevorstehenden Todes betrachtete.

Er kam in die Predigergesellschaft merklich veraͤndert zuruͤck. Sein Gesicht war leichenblaß, er sprach nicht mehr, und schien aͤußerst bedaͤchtig zu seyn. Die Gesellschaft erkundigte sich nach der Ursache seines jetzigen finstern in sich gekehrten Betragens, und erfuhr von ihm zum groͤßten Erstaunen, daß sein Ende nahe sei, weil er eine außerordentliche Stimme daruͤber vernommen habe. Seine Collegen fingen laut zu lachen an, verwiesen ihm seine Leichtglaͤubigkeit, und entdeckten ihm den ganzen Handel. Allein – vergebens. Der Prediger glaubte nun einmahl, daß jene Stimme vom Him-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0065" n="63"/><lb/>
gende Allee, in welcher ihn seine Confraters                   beda&#x0364;chtig auf- und niedergehen sahen. Einer <choice><corr>unter</corr><sic>nnter</sic></choice> ihnen ein lustiger Kopf, beschloß einen Spaß                   mit ihm zu machen, welchen er auch sogleich ausfu&#x0364;hrte, und der darin bestand, daß                   er sich hinter ein Gestra&#x0364;uch an der Allee versteckte, und wie jener vorbei kam,                   ihm mit einer dumpfen Stimme zurief: <hi rendition="#b">Bestelle dein Haus, denn du                      mußt sterben!</hi> Der Wanderer ging voru&#x0364;ber, <choice><corr>ohne                         merklich</corr><sic>ohnmerklich</sic></choice> erschrocken zu                   scheinen. Er kehrte um, und die hohle Stimme des Spaßmachers ließ sich noch                   einmahl ho&#x0364;ren, und endlich zum drittenmahle. <hi rendition="#b">Es ist gut,</hi> antwortete der auf- und niedergehende Prediger, als ihm jener Ton noch einmahl                   entgegenkam, den er bei einer dreimahligen Wiederhohlung endlich fu&#x0364;r eine                   wu&#x0364;rkliche go&#x0364;ttliche Stimme, und fu&#x0364;r ein deutliches Omen seines nahe bevorstehenden                   Todes betrachtete.</p>
            <p>Er kam in die Predigergesellschaft merklich vera&#x0364;ndert zuru&#x0364;ck. Sein Gesicht war                   leichenblaß, er sprach nicht mehr, und schien a&#x0364;ußerst beda&#x0364;chtig zu seyn. Die                   Gesellschaft erkundigte sich nach der Ursache seines jetzigen finstern in sich                   gekehrten Betragens, und erfuhr von ihm zum gro&#x0364;ßten Erstaunen, daß sein Ende nahe                   sei, weil er eine außerordentliche Stimme daru&#x0364;ber vernommen habe. Seine Collegen                   fingen laut zu lachen an, verwiesen ihm seine Leichtgla&#x0364;ubigkeit, und entdeckten                   ihm den ganzen Handel. Allein &#x2013; vergebens. Der Prediger glaubte nun einmahl, daß                   jene Stimme vom Him-<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[63/0065] gende Allee, in welcher ihn seine Confraters bedaͤchtig auf- und niedergehen sahen. Einer unter ihnen ein lustiger Kopf, beschloß einen Spaß mit ihm zu machen, welchen er auch sogleich ausfuͤhrte, und der darin bestand, daß er sich hinter ein Gestraͤuch an der Allee versteckte, und wie jener vorbei kam, ihm mit einer dumpfen Stimme zurief: Bestelle dein Haus, denn du mußt sterben! Der Wanderer ging voruͤber, ohne merklich erschrocken zu scheinen. Er kehrte um, und die hohle Stimme des Spaßmachers ließ sich noch einmahl hoͤren, und endlich zum drittenmahle. Es ist gut, antwortete der auf- und niedergehende Prediger, als ihm jener Ton noch einmahl entgegenkam, den er bei einer dreimahligen Wiederhohlung endlich fuͤr eine wuͤrkliche goͤttliche Stimme, und fuͤr ein deutliches Omen seines nahe bevorstehenden Todes betrachtete. Er kam in die Predigergesellschaft merklich veraͤndert zuruͤck. Sein Gesicht war leichenblaß, er sprach nicht mehr, und schien aͤußerst bedaͤchtig zu seyn. Die Gesellschaft erkundigte sich nach der Ursache seines jetzigen finstern in sich gekehrten Betragens, und erfuhr von ihm zum groͤßten Erstaunen, daß sein Ende nahe sei, weil er eine außerordentliche Stimme daruͤber vernommen habe. Seine Collegen fingen laut zu lachen an, verwiesen ihm seine Leichtglaͤubigkeit, und entdeckten ihm den ganzen Handel. Allein – vergebens. Der Prediger glaubte nun einmahl, daß jene Stimme vom Him-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christof Wingertszahn, Sheila Dickson, Goethe-Museum Düsseldorf/Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung, University of Glasgow: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien (2015-06-09T11:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat (2015-06-09T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2015-06-09T11:00:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Die Umlautschreibung mit ›e‹ über dem Vokal wurden übernommen.
  • Die Majuskel I/J wurde nicht nach Lautwert transkribiert.
  • Verbessert wird nur bei eindeutigen Druckfehlern. Die editorischen Eingriffe sind stets nachgewiesen.
  • Zu Moritz’ Zeit war es üblich, bei mehrzeiligen Zitaten vor jeder Zeile Anführungsstriche zu setzen. Diese wiederholten Anführungsstriche des Originals werden stillschweigend getilgt.
  • Die Druckgestalt der Vorlagen (Absätze, Überschriften, Schriftgrade etc.) wird schematisiert wiedergegeben. Der Zeilenfall wurde nicht übernommen.
  • Worteinfügungen der Herausgeber im edierten Text sowie Ergänzungen einzelner Buchstaben sind dokumentiert.
  • Die Originalseite wird als einzelne Seite in der Internetausgabe wiedergegeben. Von diesem Darstellungsprinzip wird bei langen, sich über mehr als eine Seite erstreckenden Fußnoten abgewichen. Die vollständige Fußnote erscheint in diesem Fall zusammenhängend an der ersten betreffenden Seite.
  • Die textkritischen Nachweise erfolgen in XML-Form nach dem DTABf-Schema: <choice><corr>[Verbesserung]</corr><sic>[Originaltext]</sic></choice> vorgenommen.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0501_1787
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0501_1787/65
Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 5, St. 1. Berlin, 1787, S. 63. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0501_1787/65>, abgerufen am 14.05.2024.