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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 5, St. 1. Berlin, 1787.

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und Selbstzufriedenheit, das ich keinem beschreiben kann. Die ganze Welt wird ein Paradies um mich her, ich fühle mich zu allem Guten stark, ich könnte alles andere verläugnen, wenn nur jene meine ehrgeitzige Leidenschaft genährt und gesättigt werden kann; aber ich gerathe in eine demüthigende Kleinmuth, in einen unglücklichen Zwist zwischen natürlicher Menschenliebe und Menschenhaß, meine liebsten Freunde werden mir unerträglich, wenn man mich verkennt. Schon dadurch bin ich mehr als einmahl in eine innere Wuth gerathen, wenn keiner auf mich Acht gab, wenn ich meine Worte in den Wind sprach, wenn die Gesellschaft sich um einen andern herumdrängte, seine Aussprüche bewunderte, belachte, beklatschte und mich gleichsam ganz vergaß. Oft hab ich mich dann in den entferntesten Winkel der Stube gesetzt, und fest beschlossen, die Menschen auf immer zu fliehen; allein eben die Leidenschaft, die mir dies eingab, trieb mich auch wieder zu ihnen hin, weil ich mir das Gefühl, sich allein zu bewundern, bei allem meinen Ehrgeitze für das armseligste Ding von der Welt hielt.

Jch schätze große Männer, erleuchtete Köpfe unendlich; aber ich kann sie nie ohne Zwang meines Herzens loben, und noch unausstehlicher wird mir oft das Lob, welches ihnen Andere ertheilen. Jch empfinde dabei nicht selten einen unwiderstehlichen Ekel, der mich Stundenlang unglücklich macht; ich wünsche, daß der Lobredner mit sammt seinem


und Selbstzufriedenheit, das ich keinem beschreiben kann. Die ganze Welt wird ein Paradies um mich her, ich fuͤhle mich zu allem Guten stark, ich koͤnnte alles andere verlaͤugnen, wenn nur jene meine ehrgeitzige Leidenschaft genaͤhrt und gesaͤttigt werden kann; aber ich gerathe in eine demuͤthigende Kleinmuth, in einen ungluͤcklichen Zwist zwischen natuͤrlicher Menschenliebe und Menschenhaß, meine liebsten Freunde werden mir unertraͤglich, wenn man mich verkennt. Schon dadurch bin ich mehr als einmahl in eine innere Wuth gerathen, wenn keiner auf mich Acht gab, wenn ich meine Worte in den Wind sprach, wenn die Gesellschaft sich um einen andern herumdraͤngte, seine Ausspruͤche bewunderte, belachte, beklatschte und mich gleichsam ganz vergaß. Oft hab ich mich dann in den entferntesten Winkel der Stube gesetzt, und fest beschlossen, die Menschen auf immer zu fliehen; allein eben die Leidenschaft, die mir dies eingab, trieb mich auch wieder zu ihnen hin, weil ich mir das Gefuͤhl, sich allein zu bewundern, bei allem meinen Ehrgeitze fuͤr das armseligste Ding von der Welt hielt.

Jch schaͤtze große Maͤnner, erleuchtete Koͤpfe unendlich; aber ich kann sie nie ohne Zwang meines Herzens loben, und noch unausstehlicher wird mir oft das Lob, welches ihnen Andere ertheilen. Jch empfinde dabei nicht selten einen unwiderstehlichen Ekel, der mich Stundenlang ungluͤcklich macht; ich wuͤnsche, daß der Lobredner mit sammt seinem

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[78/0080] und Selbstzufriedenheit, das ich keinem beschreiben kann. Die ganze Welt wird ein Paradies um mich her, ich fuͤhle mich zu allem Guten stark, ich koͤnnte alles andere verlaͤugnen, wenn nur jene meine ehrgeitzige Leidenschaft genaͤhrt und gesaͤttigt werden kann; aber ich gerathe in eine demuͤthigende Kleinmuth, in einen ungluͤcklichen Zwist zwischen natuͤrlicher Menschenliebe und Menschenhaß, meine liebsten Freunde werden mir unertraͤglich, wenn man mich verkennt. Schon dadurch bin ich mehr als einmahl in eine innere Wuth gerathen, wenn keiner auf mich Acht gab, wenn ich meine Worte in den Wind sprach, wenn die Gesellschaft sich um einen andern herumdraͤngte, seine Ausspruͤche bewunderte, belachte, beklatschte und mich gleichsam ganz vergaß. Oft hab ich mich dann in den entferntesten Winkel der Stube gesetzt, und fest beschlossen, die Menschen auf immer zu fliehen; allein eben die Leidenschaft, die mir dies eingab, trieb mich auch wieder zu ihnen hin, weil ich mir das Gefuͤhl, sich allein zu bewundern, bei allem meinen Ehrgeitze fuͤr das armseligste Ding von der Welt hielt. Jch schaͤtze große Maͤnner, erleuchtete Koͤpfe unendlich; aber ich kann sie nie ohne Zwang meines Herzens loben, und noch unausstehlicher wird mir oft das Lob, welches ihnen Andere ertheilen. Jch empfinde dabei nicht selten einen unwiderstehlichen Ekel, der mich Stundenlang ungluͤcklich macht; ich wuͤnsche, daß der Lobredner mit sammt seinem

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 5, St. 1. Berlin, 1787, S. 78. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0501_1787/80>, abgerufen am 14.05.2024.