Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 7, St. 1. Berlin, 1789.
D. Knoll erzählt nehmlich in einer 1747 herausgekommenen Schrift: Historische, theoretische und practische Betrachtung eines kürzlich vorgefallenen Nachtwandelns, daß er einen jungen Menschen von zweiundzwanzig Jahren, von einem melancholisch-cholerischen Temperamente, von robuster Natur und arbeitsamer Lebensart, als einen Nachtwandler gekannt habe und ein Augenzeuge seiner Handlungen gewesen sey. Dieser junge Mann ging als Gärtner in die Dienste einer adlichen Herrschaft. Nach einiger Zeit bemerkten die andern Hausgenossen, daß er des Nachts vom Bette aufstand, den Fensterladen abnahm, aus dem Fenster stieg, nach drei oder vier Stunden erst wieder kam, und sich dann wieder ins Bette legte. Weil sie aber gemeint, es geschehe im Wachen und mit Willen, so hat man anfänglich nicht viel daraus gemacht. Als er aber des Winters nebst andern Bedienten sich in der Stube befand, und Abends auf keine Art beim Wachen erhalten werden konnte, sondern täglich nach acht Uhr einschlief, so fing er im Schlafe an, geistliche Sprüche und Gebete, mit Verwunderung der Umstehenden,
D. Knoll erzaͤhlt nehmlich in einer 1747 herausgekommenen Schrift: Historische, theoretische und practische Betrachtung eines kuͤrzlich vorgefallenen Nachtwandelns, daß er einen jungen Menschen von zweiundzwanzig Jahren, von einem melancholisch-cholerischen Temperamente, von robuster Natur und arbeitsamer Lebensart, als einen Nachtwandler gekannt habe und ein Augenzeuge seiner Handlungen gewesen sey. Dieser junge Mann ging als Gaͤrtner in die Dienste einer adlichen Herrschaft. Nach einiger Zeit bemerkten die andern Hausgenossen, daß er des Nachts vom Bette aufstand, den Fensterladen abnahm, aus dem Fenster stieg, nach drei oder vier Stunden erst wieder kam, und sich dann wieder ins Bette legte. Weil sie aber gemeint, es geschehe im Wachen und mit Willen, so hat man anfaͤnglich nicht viel daraus gemacht. Als er aber des Winters nebst andern Bedienten sich in der Stube befand, und Abends auf keine Art beim Wachen erhalten werden konnte, sondern taͤglich nach acht Uhr einschlief, so fing er im Schlafe an, geistliche Spruͤche und Gebete, mit Verwunderung der Umstehenden, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0110" n="108"/><lb/> etwas uͤber die gefahrvollen Handlungen der Nachtwandrer zu sagen, die sie im Schlaf mit groͤßter Sicherheit und auf eine Art unternehmen, die ihnen im Wachen unmoͤglich seyn wuͤrden.</p> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> <p><hi rendition="#aq">D.</hi><hi rendition="#b">Knoll</hi> erzaͤhlt nehmlich in einer 1747 herausgekommenen Schrift: <hi rendition="#b">Historische, theoretische und practische Betrachtung eines kuͤrzlich vorgefallenen Nachtwandelns,</hi> daß er einen jungen Menschen von zweiundzwanzig Jahren, von einem melancholisch-cholerischen Temperamente, von robuster Natur und arbeitsamer Lebensart, als einen Nachtwandler gekannt habe und ein Augenzeuge seiner Handlungen gewesen sey. Dieser junge Mann ging als Gaͤrtner in die Dienste einer adlichen Herrschaft. Nach einiger Zeit bemerkten die andern Hausgenossen, daß er des Nachts vom Bette aufstand, den Fensterladen abnahm, aus dem Fenster stieg, nach drei oder vier Stunden erst wieder kam, und sich dann wieder ins Bette legte. Weil sie aber gemeint, es geschehe im Wachen und mit Willen, so hat man anfaͤnglich nicht viel daraus gemacht. Als er aber des Winters nebst andern Bedienten sich in der Stube befand, und Abends auf keine Art beim Wachen erhalten werden konnte, sondern taͤglich nach acht Uhr einschlief, so fing er im Schlafe an, geistliche Spruͤche und Gebete, mit Verwunderung der Umstehenden,<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [108/0110]
etwas uͤber die gefahrvollen Handlungen der Nachtwandrer zu sagen, die sie im Schlaf mit groͤßter Sicherheit und auf eine Art unternehmen, die ihnen im Wachen unmoͤglich seyn wuͤrden.
D. Knoll erzaͤhlt nehmlich in einer 1747 herausgekommenen Schrift: Historische, theoretische und practische Betrachtung eines kuͤrzlich vorgefallenen Nachtwandelns, daß er einen jungen Menschen von zweiundzwanzig Jahren, von einem melancholisch-cholerischen Temperamente, von robuster Natur und arbeitsamer Lebensart, als einen Nachtwandler gekannt habe und ein Augenzeuge seiner Handlungen gewesen sey. Dieser junge Mann ging als Gaͤrtner in die Dienste einer adlichen Herrschaft. Nach einiger Zeit bemerkten die andern Hausgenossen, daß er des Nachts vom Bette aufstand, den Fensterladen abnahm, aus dem Fenster stieg, nach drei oder vier Stunden erst wieder kam, und sich dann wieder ins Bette legte. Weil sie aber gemeint, es geschehe im Wachen und mit Willen, so hat man anfaͤnglich nicht viel daraus gemacht. Als er aber des Winters nebst andern Bedienten sich in der Stube befand, und Abends auf keine Art beim Wachen erhalten werden konnte, sondern taͤglich nach acht Uhr einschlief, so fing er im Schlafe an, geistliche Spruͤche und Gebete, mit Verwunderung der Umstehenden,
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Zitationshilfe: | Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 7, St. 1. Berlin, 1789, S. 108. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0701_1789/110>, abgerufen am 15.06.2024. |