Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 9, St. 2. Berlin, 1792.

Bild:
<< vorherige Seite


men noch zuletzt viele kabalistische Alfanzereien, Räucherungen, Beschwörungen u. dergl., bis er zuletzt darüber wahnwitzig wurde, wirklich Geister mit offnen Augen zu sehn glaubte, jeden mit Nahmen nannte, um sich schlug, Fenster und Oefen zerschlug, in der Meinung, daß dies seine Feinde die bösen Geister wären (ohngefähr wie sein Vorgänger Donquixot), bis er zuletzt ganz abgemattet liegen blieb, und nachher mit vieler Mühe durch des Fürsten Radziwils Leibarzt wieder hergestellt wurde.

B. J. selbst konnte es in dergleichen Frömmigkeitsübungen nie weiter bringen, als daß er eine geraume Zeit nichts, was von einem lebendigen Wesen herkömmt, gegessen, und in den Zeiten der Bußtage zuweilen drei Tage in einem fort gefastet hat. Er entschloß sich zwar, die Tschubath hakana*) zu unternehmen; dieses Projekt ist aber, so wie andere von der Art, unausgeführt geblieben, nachdem er sich die Meinungen des Maimonides, der kein Freund von Schwärmerei und Frömmeln war, eigen gemacht hatte. Es ist merkwürdig, daß er noch zu der Zeit, da er die rabbinischen Vorschriften aufs strengste beobachtete, gewisse Zeremonien, die etwas Komisches an sich haben, nicht beobachten wollte. Von dieser Art war z.B. das

*) Siehe oben.


men noch zuletzt viele kabalistische Alfanzereien, Raͤucherungen, Beschwoͤrungen u. dergl., bis er zuletzt daruͤber wahnwitzig wurde, wirklich Geister mit offnen Augen zu sehn glaubte, jeden mit Nahmen nannte, um sich schlug, Fenster und Oefen zerschlug, in der Meinung, daß dies seine Feinde die boͤsen Geister waͤren (ohngefaͤhr wie sein Vorgaͤnger Donquixot), bis er zuletzt ganz abgemattet liegen blieb, und nachher mit vieler Muͤhe durch des Fuͤrsten Radziwils Leibarzt wieder hergestellt wurde.

B. J. selbst konnte es in dergleichen Froͤmmigkeitsuͤbungen nie weiter bringen, als daß er eine geraume Zeit nichts, was von einem lebendigen Wesen herkoͤmmt, gegessen, und in den Zeiten der Bußtage zuweilen drei Tage in einem fort gefastet hat. Er entschloß sich zwar, die Tschubath hakana*) zu unternehmen; dieses Projekt ist aber, so wie andere von der Art, unausgefuͤhrt geblieben, nachdem er sich die Meinungen des Maimonides, der kein Freund von Schwaͤrmerei und Froͤmmeln war, eigen gemacht hatte. Es ist merkwuͤrdig, daß er noch zu der Zeit, da er die rabbinischen Vorschriften aufs strengste beobachtete, gewisse Zeremonien, die etwas Komisches an sich haben, nicht beobachten wollte. Von dieser Art war z.B. das

*) Siehe oben.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0044" n="44"/><lb/>
men noch zuletzt viele  kabalistische Alfanzereien, Ra&#x0364;ucherungen,  Beschwo&#x0364;rungen u. dergl., bis er zuletzt daru&#x0364;ber  wahnwitzig wurde, wirklich Geister mit offnen Augen  zu sehn glaubte, jeden mit Nahmen nannte, um sich  schlug, Fenster und Oefen zerschlug, in der Meinung,  daß dies seine Feinde die bo&#x0364;sen Geister wa&#x0364;ren  (ohngefa&#x0364;hr wie sein Vorga&#x0364;nger Donquixot), bis er  zuletzt ganz abgemattet liegen blieb, und nachher  mit vieler Mu&#x0364;he durch des Fu&#x0364;rsten Radziwils Leibarzt  wieder hergestellt wurde.</p>
            <p><hi rendition="#b">B. J.</hi> selbst konnte es in  dergleichen Fro&#x0364;mmigkeitsu&#x0364;bungen nie weiter bringen,  als daß er eine geraume Zeit nichts, was von einem  lebendigen Wesen herko&#x0364;mmt, gegessen, und in den  Zeiten der Bußtage zuweilen drei Tage in einem fort  gefastet hat. Er entschloß sich zwar, die <hi rendition="#b">Tschubath hakana</hi>*)<note place="foot"><p>*) Siehe oben.</p></note> zu  unternehmen; dieses Projekt ist aber, so wie andere  von der Art, unausgefu&#x0364;hrt geblieben, nachdem er sich  die Meinungen des Maimonides, der kein Freund von  Schwa&#x0364;rmerei und Fro&#x0364;mmeln war, eigen gemacht hatte.  Es ist merkwu&#x0364;rdig, daß er noch zu der Zeit, da er  die rabbinischen Vorschriften aufs strengste  beobachtete, gewisse Zeremonien, die etwas Komisches  an sich haben, nicht beobachten wollte. Von dieser  Art war z.B. das<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[44/0044] men noch zuletzt viele kabalistische Alfanzereien, Raͤucherungen, Beschwoͤrungen u. dergl., bis er zuletzt daruͤber wahnwitzig wurde, wirklich Geister mit offnen Augen zu sehn glaubte, jeden mit Nahmen nannte, um sich schlug, Fenster und Oefen zerschlug, in der Meinung, daß dies seine Feinde die boͤsen Geister waͤren (ohngefaͤhr wie sein Vorgaͤnger Donquixot), bis er zuletzt ganz abgemattet liegen blieb, und nachher mit vieler Muͤhe durch des Fuͤrsten Radziwils Leibarzt wieder hergestellt wurde. B. J. selbst konnte es in dergleichen Froͤmmigkeitsuͤbungen nie weiter bringen, als daß er eine geraume Zeit nichts, was von einem lebendigen Wesen herkoͤmmt, gegessen, und in den Zeiten der Bußtage zuweilen drei Tage in einem fort gefastet hat. Er entschloß sich zwar, die Tschubath hakana*) zu unternehmen; dieses Projekt ist aber, so wie andere von der Art, unausgefuͤhrt geblieben, nachdem er sich die Meinungen des Maimonides, der kein Freund von Schwaͤrmerei und Froͤmmeln war, eigen gemacht hatte. Es ist merkwuͤrdig, daß er noch zu der Zeit, da er die rabbinischen Vorschriften aufs strengste beobachtete, gewisse Zeremonien, die etwas Komisches an sich haben, nicht beobachten wollte. Von dieser Art war z.B. das *) Siehe oben.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Christof Wingertszahn, Sheila Dickson, Goethe-Museum Düsseldorf/Anton-und-Katharina-Kippenberg-Stiftung, University of Glasgow: Erstellung der Transkription nach DTA-Richtlinien (2015-06-09T11:00:00Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Matthias Boenig, Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie zu Berlin: Konvertierung nach DTA-Basisformat (2015-06-09T11:00:00Z)
UB Uni-Bielefeld: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2015-06-09T11:00:00Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
  • Die Umlautschreibung mit ›e‹ über dem Vokal wurden übernommen.
  • Die Majuskel I/J wurde nicht nach Lautwert transkribiert.
  • Verbessert wird nur bei eindeutigen Druckfehlern. Die editorischen Eingriffe sind stets nachgewiesen.
  • Zu Moritz’ Zeit war es üblich, bei mehrzeiligen Zitaten vor jeder Zeile Anführungsstriche zu setzen. Diese wiederholten Anführungsstriche des Originals werden stillschweigend getilgt.
  • Die Druckgestalt der Vorlagen (Absätze, Überschriften, Schriftgrade etc.) wird schematisiert wiedergegeben. Der Zeilenfall wurde nicht übernommen.
  • Worteinfügungen der Herausgeber im edierten Text sowie Ergänzungen einzelner Buchstaben sind dokumentiert.
  • Die Originalseite wird als einzelne Seite in der Internetausgabe wiedergegeben. Von diesem Darstellungsprinzip wird bei langen, sich über mehr als eine Seite erstreckenden Fußnoten abgewichen. Die vollständige Fußnote erscheint in diesem Fall zusammenhängend an der ersten betreffenden Seite.
  • Die textkritischen Nachweise erfolgen in XML-Form nach dem DTABf-Schema: <choice><corr>[Verbesserung]</corr><sic>[Originaltext]</sic></choice> vorgenommen.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0902_1792
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0902_1792/44
Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 9, St. 2. Berlin, 1792, S. 44. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0902_1792/44>, abgerufen am 27.04.2024.