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Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 9, St. 3. Berlin, 1792.

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was noch mehr, selbst die Visionen -- wenn sie auch in der Psychologie aufgenommen werden -- haben mit meiner obigen Erscheinung gar nichts gemeinschaftliches; indem von jenen sich eben das sagen läßt, was ich von den Träumen und Nachtwandeln gesagt habe, nämlich, daß bei den Visionen kann die Vorstellung von dem Künftigen schon versteckt vorher in einer Associationsreihe gewesen seyn, z.B. wenn der Prophet den Umsturz des israelitischen Landes in einer Vision vorausgesehn hat, so kann diese Vorstellung darum in seiner Associationsreihe schon vorher gewesen seyn, weil ihm nämlich die Sünden der damaligen Jsraeliten gegen Gott bekannt waren, und daher leicht die Jdee ihres Untergangs sich damit verbinden läßt. -- Doch ich will hier abbrechen, um Jhnen einen andern Traum zu erzählen, der noch merkwürdiger ist, als der vorhergehende, und der gewiß eine wichtige Beschäftigung für jeden Psychologen seyn muß.

Ein sehr rechtschaffener und wahrheitsliebender Mann, der gewiß das Lügen so haßt, wie mancher Geistlicher die Aufklärung, erzählte mir folgende Geschichte.

Es träumte ihm eines Nachts, er habe in sein gewöhnliches Kaffeehaus gehn wollen, als er aber dahin käme, fände er die Thüre desselben


was noch mehr, selbst die Visionen — wenn sie auch in der Psychologie aufgenommen werden — haben mit meiner obigen Erscheinung gar nichts gemeinschaftliches; indem von jenen sich eben das sagen laͤßt, was ich von den Traͤumen und Nachtwandeln gesagt habe, naͤmlich, daß bei den Visionen kann die Vorstellung von dem Kuͤnftigen schon versteckt vorher in einer Associationsreihe gewesen seyn, z.B. wenn der Prophet den Umsturz des israelitischen Landes in einer Vision vorausgesehn hat, so kann diese Vorstellung darum in seiner Associationsreihe schon vorher gewesen seyn, weil ihm naͤmlich die Suͤnden der damaligen Jsraeliten gegen Gott bekannt waren, und daher leicht die Jdee ihres Untergangs sich damit verbinden laͤßt. — Doch ich will hier abbrechen, um Jhnen einen andern Traum zu erzaͤhlen, der noch merkwuͤrdiger ist, als der vorhergehende, und der gewiß eine wichtige Beschaͤftigung fuͤr jeden Psychologen seyn muß.

Ein sehr rechtschaffener und wahrheitsliebender Mann, der gewiß das Luͤgen so haßt, wie mancher Geistlicher die Aufklaͤrung, erzaͤhlte mir folgende Geschichte.

Es traͤumte ihm eines Nachts, er habe in sein gewoͤhnliches Kaffeehaus gehn wollen, als er aber dahin kaͤme, faͤnde er die Thuͤre desselben

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[111/0111] was noch mehr, selbst die Visionen — wenn sie auch in der Psychologie aufgenommen werden — haben mit meiner obigen Erscheinung gar nichts gemeinschaftliches; indem von jenen sich eben das sagen laͤßt, was ich von den Traͤumen und Nachtwandeln gesagt habe, naͤmlich, daß bei den Visionen kann die Vorstellung von dem Kuͤnftigen schon versteckt vorher in einer Associationsreihe gewesen seyn, z.B. wenn der Prophet den Umsturz des israelitischen Landes in einer Vision vorausgesehn hat, so kann diese Vorstellung darum in seiner Associationsreihe schon vorher gewesen seyn, weil ihm naͤmlich die Suͤnden der damaligen Jsraeliten gegen Gott bekannt waren, und daher leicht die Jdee ihres Untergangs sich damit verbinden laͤßt. — Doch ich will hier abbrechen, um Jhnen einen andern Traum zu erzaͤhlen, der noch merkwuͤrdiger ist, als der vorhergehende, und der gewiß eine wichtige Beschaͤftigung fuͤr jeden Psychologen seyn muß. Ein sehr rechtschaffener und wahrheitsliebender Mann, der gewiß das Luͤgen so haßt, wie mancher Geistlicher die Aufklaͤrung, erzaͤhlte mir folgende Geschichte. Es traͤumte ihm eines Nachts, er habe in sein gewoͤhnliches Kaffeehaus gehn wollen, als er aber dahin kaͤme, faͤnde er die Thuͤre desselben

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp (Hrsg.): Gnothi sauton oder Magazin zur Erfahrungsseelenkunde. Bd. 9, St. 3. Berlin, 1792, S. 111. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_erfahrungsseelenkunde0903_1792/111>, abgerufen am 07.05.2024.