Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 1. Berlin, 1785.

Bild:
<< vorherige Seite

er in dieser kurzen Zeit ein ganz andrer Mensch
geworden, und seine Ideenwelt um ein Großes
bereichert.

Allein zu Hause wurde durch die erneuerte
Zwietracht seiner Eltern, wozu vermuthlich die
Ankunft seiner beiden Stiefbrüder vieles beitrug,
und durch das unaufhörliche Schelten und Toben
seiner Mutter, die guten Eindrücke, die er in P.
und besonders in dem v. F. .schen Hause erhal¬
ten hatte, bald wieder ausgelöscht, und er be¬
fand sich aufs neue in seiner vorigen gehässigen
Lage, wodurch seine Seele ebenfalls finster und
menschenfeindlich gemacht wurde.

Da Antons beide Stiefbrüder bald abreise¬
ten, um ihre Wanderschaft anzutreten, so war
auch der häusliche Friede eine Zeitlang wieder
hergestellt, und Antons Vater las nun zuweilen
selber, anstatt aus der Madam Guion Schriften,
etwas aus dem Telemach vor, oder erzählte ein
Stück aus der ältern oder neuern Geschichte,
worin er wirklich ziemlich bewandert war (denn
neben seiner Musik, worin er es im Praktischen
weit gebracht hatte, machte er beständig aus dem
Lesen nützlicher Bücher ein eignes Studium,

C 5

er in dieſer kurzen Zeit ein ganz andrer Menſch
geworden, und ſeine Ideenwelt um ein Großes
bereichert.

Allein zu Hauſe wurde durch die erneuerte
Zwietracht ſeiner Eltern, wozu vermuthlich die
Ankunft ſeiner beiden Stiefbruͤder vieles beitrug,
und durch das unaufhoͤrliche Schelten und Toben
ſeiner Mutter, die guten Eindruͤcke, die er in P.
und beſonders in dem v. F. .ſchen Hauſe erhal¬
ten hatte, bald wieder ausgeloͤſcht, und er be¬
fand ſich aufs neue in ſeiner vorigen gehaͤſſigen
Lage, wodurch ſeine Seele ebenfalls finſter und
menſchenfeindlich gemacht wurde.

Da Antons beide Stiefbruͤder bald abreiſe¬
ten, um ihre Wanderſchaft anzutreten, ſo war
auch der haͤusliche Friede eine Zeitlang wieder
hergeſtellt, und Antons Vater las nun zuweilen
ſelber, anſtatt aus der Madam Guion Schriften,
etwas aus dem Telemach vor, oder erzaͤhlte ein
Stuͤck aus der aͤltern oder neuern Geſchichte,
worin er wirklich ziemlich bewandert war (denn
neben ſeiner Muſik, worin er es im Praktiſchen
weit gebracht hatte, machte er beſtaͤndig aus dem
Leſen nuͤtzlicher Buͤcher ein eignes Studium,

C 5
<TEI>
  <text>
    <body>
      <p><pb facs="#f0051" n="41"/>
er in die&#x017F;er kurzen Zeit ein ganz andrer Men&#x017F;ch<lb/>
geworden, und &#x017F;eine Ideenwelt um ein Großes<lb/>
bereichert.</p><lb/>
      <p>Allein zu Hau&#x017F;e wurde durch die erneuerte<lb/>
Zwietracht &#x017F;einer Eltern, wozu vermuthlich die<lb/>
Ankunft &#x017F;einer beiden Stiefbru&#x0364;der vieles beitrug,<lb/>
und durch das unaufho&#x0364;rliche Schelten und Toben<lb/>
&#x017F;einer Mutter, die guten Eindru&#x0364;cke, die er in P.<lb/>
und be&#x017F;onders in dem v. F. .&#x017F;chen Hau&#x017F;e erhal¬<lb/>
ten hatte, bald wieder ausgelo&#x0364;&#x017F;cht, und er be¬<lb/>
fand &#x017F;ich aufs neue in &#x017F;einer vorigen geha&#x0364;&#x017F;&#x017F;igen<lb/>
Lage, wodurch &#x017F;eine Seele ebenfalls fin&#x017F;ter und<lb/>
men&#x017F;chenfeindlich gemacht wurde.</p><lb/>
      <p>Da Antons beide Stiefbru&#x0364;der bald abrei&#x017F;<lb/>
ten, um ihre Wander&#x017F;chaft anzutreten, &#x017F;o war<lb/>
auch der ha&#x0364;usliche Friede eine Zeitlang wieder<lb/>
herge&#x017F;tellt, und Antons Vater las nun zuweilen<lb/>
&#x017F;elber, an&#x017F;tatt aus der Madam Guion Schriften,<lb/>
etwas aus dem Telemach vor, oder erza&#x0364;hlte ein<lb/>
Stu&#x0364;ck aus der a&#x0364;ltern oder neuern Ge&#x017F;chichte,<lb/>
worin er wirklich ziemlich bewandert war (denn<lb/>
neben &#x017F;einer Mu&#x017F;ik, worin er es im Prakti&#x017F;chen<lb/>
weit gebracht hatte, machte er be&#x017F;ta&#x0364;ndig aus dem<lb/>
Le&#x017F;en nu&#x0364;tzlicher Bu&#x0364;cher ein eignes Studium,<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">C 5<lb/></fw>
</p>
    </body>
  </text>
</TEI>
[41/0051] er in dieſer kurzen Zeit ein ganz andrer Menſch geworden, und ſeine Ideenwelt um ein Großes bereichert. Allein zu Hauſe wurde durch die erneuerte Zwietracht ſeiner Eltern, wozu vermuthlich die Ankunft ſeiner beiden Stiefbruͤder vieles beitrug, und durch das unaufhoͤrliche Schelten und Toben ſeiner Mutter, die guten Eindruͤcke, die er in P. und beſonders in dem v. F. .ſchen Hauſe erhal¬ ten hatte, bald wieder ausgeloͤſcht, und er be¬ fand ſich aufs neue in ſeiner vorigen gehaͤſſigen Lage, wodurch ſeine Seele ebenfalls finſter und menſchenfeindlich gemacht wurde. Da Antons beide Stiefbruͤder bald abreiſe¬ ten, um ihre Wanderſchaft anzutreten, ſo war auch der haͤusliche Friede eine Zeitlang wieder hergeſtellt, und Antons Vater las nun zuweilen ſelber, anſtatt aus der Madam Guion Schriften, etwas aus dem Telemach vor, oder erzaͤhlte ein Stuͤck aus der aͤltern oder neuern Geſchichte, worin er wirklich ziemlich bewandert war (denn neben ſeiner Muſik, worin er es im Praktiſchen weit gebracht hatte, machte er beſtaͤndig aus dem Leſen nuͤtzlicher Buͤcher ein eignes Studium, C 5

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser01_1785
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser01_1785/51
Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 1. Berlin, 1785, S. 41. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser01_1785/51>, abgerufen am 01.11.2024.