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Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 3. Berlin, 1786.

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aber schien ihm alles Widerspruch, Unordnung,
und Verwirrung. --

Da er nun zu Hause ging, so wurde er auf
der Straße erstlich von einem seiner Gläubiger
gemahnet -- und da er mit gesenktem Haupte
melancholisch vor sich hin ging, so hörte er hinter
sich einen Jungen zum andern sagen: da geht
der Magister Blasius
! -- Dieß brachte ihn
so auf, daß er dem Jungen auf der Straße ein
paar Ohrfeigen gab, welcher nun hinter ihm
herschimpfte, bis Reiser seine Wohnung er¬
reichte. --

Von dem Tage an, war Reisern der Anblick
von den Straßen in H. . . ein Greuel -- und vor
allem war die Straße, wo der Junge hinter ihm
hergeschimpft hatte, ihm am verabscheuungswür¬
digsten; er vermied es, wo er konnte, durch die¬
selbe zu gehen, und wenn er doch durchgehen
mußte, so war es ihm, als ob die Häuser auf ihn
fallen wollten -- wohin er trat, glaubte er hinter
sich den spottenden Pöbel, oder einen ungeduldi¬
gen Gläubiger zu hören. --

Diese Demüthigungen waren zu schnell nach¬
einander gekommen, als daß er sich unter dem

aber ſchien ihm alles Widerſpruch, Unordnung,
und Verwirrung. —

Da er nun zu Hauſe ging, ſo wurde er auf
der Straße erſtlich von einem ſeiner Glaͤubiger
gemahnet — und da er mit geſenktem Haupte
melancholiſch vor ſich hin ging, ſo hoͤrte er hinter
ſich einen Jungen zum andern ſagen: da geht
der Magiſter Blaſius
! — Dieß brachte ihn
ſo auf, daß er dem Jungen auf der Straße ein
paar Ohrfeigen gab, welcher nun hinter ihm
herſchimpfte, bis Reiſer ſeine Wohnung er¬
reichte. —

Von dem Tage an, war Reiſern der Anblick
von den Straßen in H. . . ein Greuel — und vor
allem war die Straße, wo der Junge hinter ihm
hergeſchimpft hatte, ihm am verabſcheuungswuͤr¬
digſten; er vermied es, wo er konnte, durch die¬
ſelbe zu gehen, und wenn er doch durchgehen
mußte, ſo war es ihm, als ob die Haͤuſer auf ihn
fallen wollten — wohin er trat, glaubte er hinter
ſich den ſpottenden Poͤbel, oder einen ungeduldi¬
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[221/0231] aber ſchien ihm alles Widerſpruch, Unordnung, und Verwirrung. — Da er nun zu Hauſe ging, ſo wurde er auf der Straße erſtlich von einem ſeiner Glaͤubiger gemahnet — und da er mit geſenktem Haupte melancholiſch vor ſich hin ging, ſo hoͤrte er hinter ſich einen Jungen zum andern ſagen: da geht der Magiſter Blaſius! — Dieß brachte ihn ſo auf, daß er dem Jungen auf der Straße ein paar Ohrfeigen gab, welcher nun hinter ihm herſchimpfte, bis Reiſer ſeine Wohnung er¬ reichte. — Von dem Tage an, war Reiſern der Anblick von den Straßen in H. . . ein Greuel — und vor allem war die Straße, wo der Junge hinter ihm hergeſchimpft hatte, ihm am verabſcheuungswuͤr¬ digſten; er vermied es, wo er konnte, durch die¬ ſelbe zu gehen, und wenn er doch durchgehen mußte, ſo war es ihm, als ob die Haͤuſer auf ihn fallen wollten — wohin er trat, glaubte er hinter ſich den ſpottenden Poͤbel, oder einen ungeduldi¬ gen Glaͤubiger zu hoͤren. — Dieſe Demuͤthigungen waren zu ſchnell nach¬ einander gekommen, als daß er ſich unter dem

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 3. Berlin, 1786, S. 221. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser03_1786/231>, abgerufen am 27.04.2024.