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Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 4. Berlin, 1790.

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Schritte, und machte denselben Nachmittag die
drei Meilen bis Hildesheim ununterbrochen,
wie einen Spatziergang; auch betrachtete er es
völlig, wie einen Spatziergang; denn er war
nun in Hildesheim, so gut, wie in H. . . zu
Hause.

Als er an das Stadtthor kam, schlug er
sich vorher den Staub von den Schuhen, brachte
sein Haar in Ordnung, nahm eine kleine Gerte
in die Hand, mit der er im Gehen spielte, und
schlenderte auf die Weise langsam über die
Brücke, auf der er zuweilen stehen blieb, als ob
er jemanden erwartete; oder nach etwas sich um¬
sah. -- Und da er überdem in seidenen Strüm¬
pfen ging, so hielt ihn niemand in diesem Auf¬
zuge für einen Reisenden, der über vierzig Mei¬
len zu Fuß zu wandern im Begrif ist.

Keine Schildwache fragte ihn, und er wan¬
derte mit den Einwohnern der Stadt, die auch
von ihren Spatziergängen zurückkehrten, in die
Thore von Hildesheim. -- Und der Gedanke
war ihm wiederum äußerst beruhigend und an¬
genehm, daß er diesen Leuten gar nicht als
fremd auffiel, niemand nach ihm sich umsah,

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Schritte, und machte denſelben Nachmittag die
drei Meilen bis Hildesheim ununterbrochen,
wie einen Spatziergang; auch betrachtete er es
voͤllig, wie einen Spatziergang; denn er war
nun in Hildesheim, ſo gut, wie in H. . . zu
Hauſe.

Als er an das Stadtthor kam, ſchlug er
ſich vorher den Staub von den Schuhen, brachte
ſein Haar in Ordnung, nahm eine kleine Gerte
in die Hand, mit der er im Gehen ſpielte, und
ſchlenderte auf die Weiſe langſam uͤber die
Bruͤcke, auf der er zuweilen ſtehen blieb, als ob
er jemanden erwartete; oder nach etwas ſich um¬
ſah. — Und da er uͤberdem in ſeidenen Struͤm¬
pfen ging, ſo hielt ihn niemand in dieſem Auf¬
zuge fuͤr einen Reiſenden, der uͤber vierzig Mei¬
len zu Fuß zu wandern im Begrif iſt.

Keine Schildwache fragte ihn, und er wan¬
derte mit den Einwohnern der Stadt, die auch
von ihren Spatziergaͤngen zuruͤckkehrten, in die
Thore von Hildesheim. — Und der Gedanke
war ihm wiederum aͤußerſt beruhigend und an¬
genehm, daß er dieſen Leuten gar nicht als
fremd auffiel, niemand nach ihm ſich umſah,

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[3/0017] Schritte, und machte denſelben Nachmittag die drei Meilen bis Hildesheim ununterbrochen, wie einen Spatziergang; auch betrachtete er es voͤllig, wie einen Spatziergang; denn er war nun in Hildesheim, ſo gut, wie in H. . . zu Hauſe. Als er an das Stadtthor kam, ſchlug er ſich vorher den Staub von den Schuhen, brachte ſein Haar in Ordnung, nahm eine kleine Gerte in die Hand, mit der er im Gehen ſpielte, und ſchlenderte auf die Weiſe langſam uͤber die Bruͤcke, auf der er zuweilen ſtehen blieb, als ob er jemanden erwartete; oder nach etwas ſich um¬ ſah. — Und da er uͤberdem in ſeidenen Struͤm¬ pfen ging, ſo hielt ihn niemand in dieſem Auf¬ zuge fuͤr einen Reiſenden, der uͤber vierzig Mei¬ len zu Fuß zu wandern im Begrif iſt. Keine Schildwache fragte ihn, und er wan¬ derte mit den Einwohnern der Stadt, die auch von ihren Spatziergaͤngen zuruͤckkehrten, in die Thore von Hildesheim. — Und der Gedanke war ihm wiederum aͤußerſt beruhigend und an¬ genehm, daß er dieſen Leuten gar nicht als fremd auffiel, niemand nach ihm ſich umſah, A 2

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Zitationshilfe: Moritz, Karl Philipp: Anton Reiser. Bd. 4. Berlin, 1790, S. 3. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moritz_reiser04_1790/17>, abgerufen am 28.04.2024.