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Moser, Friedrich Carl von: Politische Wahrheiten. Bd. 2. Zürich, 1796.

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Im Leben gepeinigt und nach dem Tode cano-
nisirt *).


Um einen festen, würdigen Mann, den ein
König oder Fürst aufrichtig hasst +), ihm aber
nichts Böses nachsagen, viel weniger aus Furcht
Böses beweisen kann, mit guter Manier los
zu werden, lobt er ihn gegen einen andern
Herrn gelegenheitlich, als ein Kleinod, das er
zu besitzen das Glück habe; macht ihn über das
angebliche Glück eifersüchtig, und nach dessen
gleichmässigen Besitz lüstern; verdoppelt gar
seine Caressen, je mehr die Hofnung wächst,
von einander zu kommen. Jenerseits werden
geheime Unterhandlungen angestellt: Ob das
Kleinod von Mann nicht zu haben sey? Der
in der Stille längst nach seiner Erlösung seuf-
zende Mann will aber aus Dankgefühl gegen
einen ihn so freundlich behandelnden und mit
seinen Fehlern und Schwachheiten gleichwohl
immer Gedult habenden Herrn den schweren
Dienst nicht verlassen. Andererseits werden
die Anforderungen immer dringender; der Eh-
renmann sieht sich endlich in der Nothwendig-

*) Cruciantur, ubi sunt; laudantur, ubi non sunt.
+) Pessimum inimicorum genus laudantes. Tacitus in Agricola.

Im Leben gepeinigt und nach dem Tode cano-
nisirt *).


Um einen festen, würdigen Mann, den ein
König oder Fürst aufrichtig haſst †), ihm aber
nichts Böses nachsagen, viel weniger aus Furcht
Böses beweisen kann, mit guter Manier los
zu werden, lobt er ihn gegen einen andern
Herrn gelegenheitlich, als ein Kleinod, das er
zu besitzen das Glück habe; macht ihn über das
angebliche Glück eifersüchtig, und nach dessen
gleichmäſsigen Besitz lüstern; verdoppelt gar
seine Caressen, je mehr die Hofnung wächst,
von einander zu kommen. Jenerseits werden
geheime Unterhandlungen angestellt: Ob das
Kleinod von Mann nicht zu haben sey? Der
in der Stille längst nach seiner Erlösung seuf-
zende Mann will aber aus Dankgefühl gegen
einen ihn so freundlich behandelnden und mit
seinen Fehlern und Schwachheiten gleichwohl
immer Gedult habenden Herrn den schweren
Dienst nicht verlassen. Andererseits werden
die Anforderungen immer dringender; der Eh-
renmann sieht sich endlich in der Nothwendig-

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[94/0100] Im Leben gepeinigt und nach dem Tode cano- nisirt *). Um einen festen, würdigen Mann, den ein König oder Fürst aufrichtig haſst †), ihm aber nichts Böses nachsagen, viel weniger aus Furcht Böses beweisen kann, mit guter Manier los zu werden, lobt er ihn gegen einen andern Herrn gelegenheitlich, als ein Kleinod, das er zu besitzen das Glück habe; macht ihn über das angebliche Glück eifersüchtig, und nach dessen gleichmäſsigen Besitz lüstern; verdoppelt gar seine Caressen, je mehr die Hofnung wächst, von einander zu kommen. Jenerseits werden geheime Unterhandlungen angestellt: Ob das Kleinod von Mann nicht zu haben sey? Der in der Stille längst nach seiner Erlösung seuf- zende Mann will aber aus Dankgefühl gegen einen ihn so freundlich behandelnden und mit seinen Fehlern und Schwachheiten gleichwohl immer Gedult habenden Herrn den schweren Dienst nicht verlassen. Andererseits werden die Anforderungen immer dringender; der Eh- renmann sieht sich endlich in der Nothwendig- *) Cruciantur, ubi ſunt; laudantur, ubi non sunt. †) Pessimum inimicorum genus laudantes. Tacitus in Agricola.

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Zitationshilfe: Moser, Friedrich Carl von: Politische Wahrheiten. Bd. 2. Zürich, 1796, S. 94. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/moser_politische02_1796/100>, abgerufen am 27.04.2024.